Völlerei, Wollust, Geiz, Zorn, Trägheit, Traurigkeit, Prahlerei und Stolz. Das sind die "acht bösen Gedanken", die einst im vierten Jahrhundert der Mönch Evagrius Ponticus aufschrieb. Sie gelten als Vorlage für die späteren "sieben Hauptsünden", die rund 200 Jahre später von Papst Gregor I. definiert wurden.

Ponticus' Vorlage findet sich auch in "Solium Infernum" (Windows, Steam) wieder, einem Reboot des gleichnamigen Rundenstrategiespiels aus dem Jahr 2009. Das grafisch eher spartanisch inszenierte Game des Studios Cryptic Comet wird von League of Geeks komplett neu entwickelt. An den Start geht der Titel am 14. Februar. DER STANDARD hat ihn vorab angespielt.

Solium Infernum - Release Date Reveal Trailer
League of Geeks

Hölle sucht Thronfolger

Worum geht es eigentlich in "Solium Infernum"? Die Prämisse ist einfach. Luzifer, Prinz der Hölle, ist spurlos verschwunden, und ein Nachfolger wird gesucht. Also ringen bis zu sechs Erzdämonen um die Gunst des Konklaves, die am Ende einer Partie proklamiert, wer den feurigen Thron besteigt.

Wer nun erwartet, dass Gierdämon Mammon, Adams erste Frau Lillith, Teufelstellvertreter Beelzebub, der gefallene Erzengel Andromalius und die anderen Kandidaten wie wild ihre Armeen aufeinander loslassen, hat die Hölle noch nicht kennengelernt. Die Bürokratie läuft auf Hochtouren, und auch Kriege bilden keine Ausnahme. Wo käme man denn da hin, einfach einmal so die Konkurrenz zu überrennen?

Zum Start wählt man nicht nur einen der Erzdämonen, sondern kann diesen mit Reliquien auch noch um größere und kleinere Boni oder Spezialeigenschaften anreichern. Ringe bringen zumeist kleine Verbesserungen bei Basiswerten, Amulette größere Aufbesserungen oder passive Boni. Kronen bieten die potenziell stärksten Optionen, allerdings verzichtet man dann auf jeglichen anderen Schmuck. Dafür kann man sich bereits zu Beginn des Spiels einen weiteren Befehl pro Runde suchen oder auch riskante Wetten eingehen. Etwa indem man einen anderen Spieler als "Marionette" wählt, der man fortan möglichst heimlich helfen muss zu gewinnen, um dann ihren Platz einzunehmen.

Ein Screenshot aus Solium Infernum
Screenshot/Solium Infernum

Ziel ist es, nach Ablauf der festgelegten Rundenzahl die meisten Prestigepunkte zu besitzen, um von dem Konklave als neuer Regent der Unterwelt bestimmt zu werden. Die Wege zu diesen Punkten sind vielfältig. Gerungen wird etwa um Orte der Macht, die auf der Karte verstreut sind. Wer diese erobert – sie setzen sich zur Wehr – und hält, bekommt von ihnen jede Runde Prestige spendiert.

Man beginnt mit zwei Befehlen pro Runde, wobei beinahe jede Aktion eine "Order" darstellt. Das umfasst die Bewegung von Armeen, das Lukrieren zusätzlicher Ressourcen, Gebote am Basar, Rituale oder Intrigen. Durch das Aufleveln von insgesamt fünf Stärken kann man zusätzliche Befehle freischalten.

Jeder Erzdämon startet mit unterschiedlichen Attributen und spezifischen Stärken und Schwächen sowie einer "persönlichen Armee". Dementsprechend gilt es, die eigene Strategie anzulegen. Abseits von sehr langen Spielen ist es sehr unwahrscheinlich, dass man alle Fähigkeiten bis zum Maximum ausbauen kann, zumal jedes Upgrade mehr Ressourcen kostet.

Ein Screenshot aus Solium Infernum
Screenshot/Solium Infernum

Heere, Rituale und Intrigenspiele

Dementsprechend lädt "Solium Infernum" dazu ein, sich schrittweise einen Pfad zum Sieg zu bauen. Und die Konzepte können sich sehr stark unterscheiden. Man kann etwa auf militärische Stärke setzen und Prestige sammeln, indem man Konkurrenten vor die Wahl stellt, Ressourcen oder Prestige abzugeben, oder sich auf einen bewaffneten Konflikt einlassen, in dem man versucht, Armeen zu vernichten, Gebiet zu erobern oder Orte der Macht einzunehmen. Diese Ziele einer solchen "Vendetta" sind allerdings vorab klar formuliert, und dementsprechend kann das Gegenüber gezielt versuchen, sie zu vereiteln. Unter bestimmten Bedingungen ist auch eine "Blutfehde" möglich, in der sich zwei Kontrahenten ohne Zeitlimit und vorgegebene Ziele bekämpfen. Fällt die Festung eines Erzdämons, scheidet er aus dem Spiel aus.

Ebenso kann man Intrigen schmieden, in denen man sich ebenfalls Ziele setzt, die jenen einer Vendetta ähneln können, aber nicht müssen. Wer diese öffentlich proklamiert und binnen einer gewissen Zeit umsetzt, wird sofort mit Prestige belohnt. Wer sie im Geheimen verfolgt, erhält bei Erfüllung das Prestige bei der Endabrechnung des Spiels, allerdings eine kleinere Summe.

Schließlich gibt es auch noch Rituale, bei denen man Magie wirkt, um sich selbst Vorteile zu verschaffen, gegnerische Schatzkammern zu plündern oder in einem Konflikt Armeen aus der Ferne zu schwächen oder mit alternativen Befehlen zu manipulieren. Diese lassen sich gegen Extrakosten auch anonym ausführen oder, das entsprechende Level-up und Budget vorausgesetzt, anderen in die Schuhe schieben, um sie in diplomatische Turbulenzen zu stürzen.

Ein Screenshot aus Solium Infernum
Screenshot/Solium Infernum

Die Befehle werden dabei nacheinander, immer einer pro Spieler, abgearbeitet, ausgehend vom "Regenten". Dieser wechselt jede Runde und kann außerdem zwischen Ereigniskarten wählen und diese optional ausspielen. Hier handelt es sich um schädliche Effekte für einen zufälligen Spieler oder temporäre Regeländerungen, die für alle gelten.

Eine zentrale Rolle in "Solium Infernum" nimmt der Basar ein. Hier kauft man neue Legionen sowie Prätoren, die ihnen als Anführer Boni bescheren. Ebenfalls zu erstehen gibt es Artefakte, die zum Aufrüsten von Truppen, Orten der Macht und der eigenen Festung dienen. Im Angebot sind zudem Manuskriptteile, mit deren Zusammensetzung man neue Ritualsprüche, Truppenaufwertungen und andere Werkzeuge erhalten kann.

Käufe werden nach einem blinden Bestbietersystem abgewickelt. Das heißt: Gibt es in der gleichen Runde auch Gebote von Mitspielern auf eine Truppe, einen Prätor oder ein anderes Gut, landet es bei dem, der vorab den größten Aufpreis dazulegt. Man sollte also aufpassen, ob nicht ein Konkurrent gerade ein Auge auf das gleiche Ziel geworfen hat.

Ein Screenshot aus Solium Infernum
Screenshot/Solium Infernum

Neuauflage bringt Solokampagne

Die erste Solospieler-Mission fungiert gleichzeitig als Tutorial, das die grundlegenden Systeme von "Solium Infernum" weitgehend erklärt. Im Gegensatz zum Original aus dem Jahr 2009 wird der Reboot eine ganze Kampagne für Einzelspieler bieten, diese stand zum Zeitpunkt des Previews aber noch nicht zur Verfügung.

Das meiste lernt man in diesem Spiel aber ohnehin nach der Übungsrunde mittels des Prinzips "Learning by Doing". Die verschiedenen Möglichkeiten sind zwar zahlenmäßig nicht viele, in ihrem Zusammenwirken aber durchaus komplex. "Solium Infernum" erreicht zwar bei weitem nicht den Herausforderungsgrad von Grand-Strategy-Titeln wie "Crusader Kings", mit einer Lernkurve von mehreren Partien ist aber zu rechnen.

Je nach Einstellungen dauert ein Spiel zwischen ein bis zwei Stunden und potenziell mehreren Abenden. Relevant ist dafür vor allem die Rundenzahl. Diese ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Eine Partie kann auch früher oder um bis zu fünf Runden später enden. Dieser Fall tritt ein, wenn ein Spieler alle Festungen der Mitstreiter eingenommen hat, was aber nur bei längeren Partien eine realistische Option sein dürfte.

Ein Screenshot aus Solium Infernum
Screenshot/Solium Infernum

Allerdings ist es auch möglich, das gut verteidigte Pandemonium, den Sitz des Konklaves, anzugreifen. Wem es gelingt, dieses einzunehmen, muss es anschließend fünf Runden lang halten, um zu obsiegen. Freilich darf man gleichzeitig auch nicht die eigene Festung verlieren und ist als nunmehr "Exkommunizierter" automatisch in einer Blutfehde mit allen anderen Spielern.

Ein Mix, der funktioniert

Die Systeme von "Solium Infernum" greifen gut ineinander, soweit sich das zumindest nach dem Fortsetzen der Tutorialrunde und einer stundenlangen Multiplayer-Partie mit zwei menschlichen Widersachern und einem KI-Gegner sagen lässt. Es macht Spaß, sich Pläne zurechtzulegen und diese dann aufgehen oder scheitern zu sehen.

Auch wenn es gewisse Zufallsfaktoren gibt – etwa beim Lukrieren von Ressourcen oder den Ereigniskarten –, kam nicht das Gefühl auf, dass einen das Spiel durch schieres Pech aller Chancen berauben könnte. Mit Ausnahme des Kartengenerators, der die Orte der Macht auf der Karte mitunter recht ungleich verteilen kann, was den Abstand zur Startposition der Spieler betrifft. Auch hier gibt es aber Optionen, etwa durch strategische Landnahme. Die Multiplayer-Partie gewann letztlich jener Spieler, der zu Beginn den schlechtesten Zugang zu den Orten der Macht hatte.

Das Interface von "Solium Infernum" braucht an einigen Stellen noch Optimierung im Hinblick auf Bedienung und Übersicht. Ein Kritikpunkt, den auch Studio-Mitgründer Trent Kusters bei einem Pressetermin eingestand. Nachgebessert wird auch noch bei der Performance, denn im Moment ist das Game viel hardwarehungriger, als es sein sollte. Ein kurz vor der Mehrspielerschlacht veröffentlichtes Update brachte diesbezüglich schon spürbare Linderung, bis zum Release Mitte Februar sollte hier aber weiter nachgebessert werden.

Ein Screenshot aus Solium Infernum
Screenshot/Solium Infernum

Höllisch gute Ästhetik

Großartige Arbeit hat die League of Geeks aber in puncto Ästhetik geleistet. War das Original aus dem Jahr 2009 noch sehr trocken und unspektakulär anzusehen, so gibt es nun eine sehr atmosphärische Umsetzung der Unterwelt in einem gut definierten Stil, der konsequent umgesetzt wird. Auch die Soundkulisse fügt sich hier gut ein.

Und während es den "Play by E-Mail"-Modus der Vorlage nicht mehr geben wird, bietet die Neuauflage neben klassischen Sessions für das Durchspielen einer Partie in einem Stück auch asynchronen Multiplayer. Hier kann beim Einrichten ein Zeitraum von bis zu einer Woche gewählt werden, den Spieler haben, um ihren nächsten Zug einzureichen. Auf diese Weise kann man auch nebenbei um den Höllenthron rittern, statt sich mehrere Stunden freihalten zu müssen.

Laut Kusters soll das Game nach dem Release inhaltlich erweitert werden, um das Interesse der Spieler zu halten und frische Ressourcen zu lukrieren. Man geht davon aus, die Server sehr lange betreiben zu können, da diese ausschließlich grundlegende Daten zu den Partien speichern und Zugbefehle hin- und herschicken, während alle aufwendigen Berechnungen auf den PCs der Spieler erfolgen. Das macht ihren Betrieb sehr günstig.

Vorläufiges Fazit

Mit einem recht unverbrauchten Szenario, beeindruckender Ästhetik und einem Spielprinzip nach dem Motto "Einfach zu lernen, schwer zu meistern" könnte die modernisierte Version von "Solium Infernum" eine genauso leidenschaftliche Anhängerschaft gewinnen wie das Original.

Für dieses versammeln sich laut Kusters heute noch hunderte Menschen auf einem Discord-Server, um sich zu Partien zu verabreden. Diese Community blicke dem Reboot gespannt entgegen und liefere auch wertvolles Feedback. Am 14. Februar steht uns also potenziell ein kleines Strategie-Highlight ins Haus. (gpi, 13.1.2024)