"Black" im Brut Nordwest: gesellschaftliche Raumzeit als kulturelle Dynamik.
Christine Miess

Praktischerweise ist das Weltall schwarz. So können wir bei klarer Nacht und ohne irdische Lichtverschmutzung die Sterne gut sehen. Mit sehr speziellem Equipment wurde vor fünf Jahren sogar das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße fotografiert.

Sagittarius A* genannt, erinnert dieses kosmische Schwerstgewicht daran, dass es im Universum wenigstens zwei Arten von Schwärze gibt: eine der Leere – und eine der maximalen Verdichtung, denn die gewaltige Masse eines Schwarzen Loches, extrem komprimiert, und ihre Gravitation schlucken alles.

Relative Dunkelheit herrscht in Black, einer Performance, die der Wiener Choreograf Georg Blaschke und der Schweizer Künstler Daniel Zimmermann im Brut Nordwest erstmals vorstellen. Zusammen mit den Tänzerinnen Alina Bertha, Masoumeh Jalalieh und Rotraud Kern machen sie darauf aufmerksam, dass die punktuellen Erhellungen der Schwärzen des Alls ein Luxus sind: Baryonische Materie macht nur rund vier Prozent des Universums aus, der Rest gilt als Dunkle Materie und Dunkle Energie.

De facto dokumentiert Black nicht Wissenschaft. Aber dieses Stück nutzt vage Anspielungen auf die Astronomie als Metaphern für die Dunkelheit der Kulturräume auf unserem Planeten, in denen Licht und "Enlightenment" meist ebenfalls Luxus sind – aktuell steht etwa das Prinzip Aufklärung unter Druck.

Dunkle Leere

Von der Bühnendecke hängt eine große schwarze Plane so herab, dass ihre Ränder hochgezogen sind, ihre Mitte aber den Boden berührt. Treffend, denn so wird allgemein die Raumzeitkrümmung durch ein schweres Objekt dargestellt. Im Stück werden vier Performende von diesem – unsichtbaren – Objekt angezogen. Die Mitte der Plane hebt sich langsam an, weil sie beginnen, sich in die dunklen Vorgänge einzubringen. Einer genauen Choreografie folgend, ziehen die Gestalten an dünnen Schnüren und beeinflussen so die Plane. Auf die Schwärzen in unseren Kulturräumen bezogen, wird damit angedeutet, dass wir selbst es sind, die dort alles beeinflussen: die Ausmaße dunkler Leere und Schwerkraft ebenso wie das Aufscheinen von Lichtblicken.

Folgerichtig rotieren die Performenden auch eine Zeitlang im Mittelpunkt als "supermassereiches" Zentrum menschlicher Aktivität. Auch so lässt sich das Anthropozän darstellen. Was hier am Ende dabei herauskommt, soll nicht gespoilert werden. In Black wird nicht mit perfekter Illusion und Hightech gearbeitet, sodass das "Handwerk" des Aufführens samt Marionettenhaftigkeit der gesellschaftlichen Raumzeit als kulturelle Dynamik immer erkennbar bleibt.

Und noch eine Uraufführung hat das Brut gerade zu bieten: Ab Samstag ist im Studio Zieglergasse Jasmin Hoffers Solo She Does Dough, Dough Does Her zu sehen. Teig wird zu Hoffers zweiter Haut, Backen zeigt sich als Element der Zivilisationsgeschichte und als Triebmittel patriarchaler Herrschaft. (Helmut Ploebst, 12.1.2024)