Soldaten in Reih und Glied
Mitglieder der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC).
AFP/ATTA KENARE

Teheran/Damaskus – Die iranischen Revolutionswächter (IRGC) haben in der Nacht auf Dienstag Ziele in Syrien und dem Nordirak mit Raketen angegriffen. Es handle sich um eine Vergeltung für die jüngsten Terroranschläge im Iran, hieß es von den Revolutionsgarden. In Syrien sei ein Ziel der Terrormiliz "Islamischer Staat" zerstört worden, in den irakischen Kurdengebieten eine Spionagezentrale des israelischen Geheimdiensts Mossad. Aus Erbil hieß es, dass vier Zivilisten ums Leben gekommen seien.

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sei "in den besetzten Gebieten Syriens ausfindig gemacht und durch den Abschuss einer Reihe von ballistischen Raketen zerstört" worden, hieß es in der Mitteilung der IRGC. Welche Ziele der Iran genau attackierte, war zunächst unklar. Fast zeitgleich erschütterten mehrere laute Explosionen kurz vor Mitternacht die nordirakische Stadt Erbil. In der Nähe eines neuen, im Bau befindlichen US-Konsulats schlugen Augenzeugen zufolge mehrere Raketen ein. Auch der internationale Flughafen in der kurdischen Stadt wurde getroffen, während sich Panik in der Metropole ausbreitete. Raketen seien auf Farmen nördlich von Erbil gefallen und hätten Häuser getroffen. Die Revolutionswächter bekannten sich kurze Zeit später auch zu den Raketenangriffen auf Erbil.

Signal an Israel

Bei dem Angriff auf Nordsyrien handelte es sich laut der iranischen Nachrichtenagentur Irna mit einer Strecke von mehr als 1.200 Kilometern um die bisher weitreichendste Raketenoperation des Landes. Dies dürfte auch ein klares Signal an den Erzfeind Israel sein. Es wäre in etwa die gleiche Entfernung, die Raketen vom Westen des Landes aus benötigen, um Tel Aviv oder Jerusalem zu erreichen.

Die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw hatte zuvor auf X über einen Raketenangriff von einer IRGC-Raketenbasis im Westen des Iran berichtet. Dieser habe der Stadt Erbil gegolten, schrieb die in Norwegen ansässige Organisation.

Der Sicherheitsrat der kurdischen Autonomiegebiete bezeichnete die Rechtfertigungen der Iranischen Revolutionsgarde für den Angriff in Erbil unterdessen als bloße Vorwände. Der Angriff sei eine Verletzung der Souveränität der Region und des Irak, hieß es in einer ersten Stellungnahme in der Nacht zum Dienstag. Erbil sei "keine Quelle der Bedrohung" und werde dies auch in Zukunft nicht sein, "aber die Streitkräfte der Garde benutzen falsche Vorwände, um die Stabilität des Landes zu untergraben".

USA kritisieren Angriff

Der irakische Kurdenführer Massud Barzani verurteilte auf der Plattform X den "feigen Angriff auf die Menschen in der Region Kurdistan aufs Schärfste" und forderte die Regierung in Bagdad auf, sich klar gegen die Souveränitätsverletzung zu positionieren.

Scharfe Kritik am iranischen Raketenangriff auf Erbil kam auch von den USA. "Die Vereinigten Staaten verurteilen die Angriffe auf Erbil auf das Schärfste und sprechen den Familien der Getöteten ihr Beileid aus", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Montag (Ortszeit). "Wir wenden uns gegen die rücksichtslosen Raketenangriffe des Iran, die die Stabilität im Irak untergraben. Wir unterstützen die irakische Regierung und die kurdische Regionalregierung in ihren Bemühungen, den Zukunftszielen des irakischen Volkes gerecht zu werden."

Die Lage in der Region ist seit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor mehr als drei Monaten äußerst angespannt. Raketenangriffe durch die IRGC hat es seitdem nicht gegeben. Mit dem Iran verbündete militante Gruppen haben in den vergangenen Monaten jedoch oft Ziele in Syrien und im Irak angegriffen. Israel und die USA gelten seit der Islamischen Revolution von 1979 als Irans Erzfeinde.

Ein verheerender Terroranschlag Anfang Jänner hatte im Iran mehr als 90 Menschen das Leben gekostet. Der IS bekannte sich wenig später zu dem Anschlag. Am 25. Dezember wurde ein hochrangiger IRGC-Offizier in Syrien bei einem mutmaßlich israelischen Luftangriff getötet. Teheran schwor daraufhin Rache. (APA, 16.1.2024)