"Fragments of Desire" im Off-Theater: verstörend, aber gut.
Maximilian Pramatarov

Das klingt einigermaßen beruhigend: "Die Bilder sind überbordend, aber nachvollziehbar." Aber im nächsten Atemzug bekommt die Sedierung Sprünge: "Die Worte haben nichts mehr zu sagen, aber das geht vorbei." Und so kann ein Witz über die beliebte Schönrednerei nicht ausbleiben: "Der Atompilz steigt auf, aber voll Zuversicht."

Harmlos ist Fragments of Desire, die neue Arbeit der Wiener Choreografin Saskia Hölbling, also nicht. Im Off-Theater erlebt sie jetzt ihre Uraufführung – und hält, was ein Preview im Dezember versprochen hat: Da wird mit präzisen künstlerischen Instrumentarien gemessen, wie es derzeit um das Gleichgewicht zwischen gesellschaftlichen Wünschen und Enttäuschungen steht.

Am Kipppunkt

Weil diese Messung in einer Gegenwart stattfindet, auf deren Komplexität keine Kunst mehr hinweisen muss, legen Hölbling und Leonie Wahl als Tänzerinnen und der Tänzer Ardan Hussain in dem Stück eine vereinfachend fragmentarische Struktur an. Zwischen Tanz und Musik, Texten und digitalen Videoanimationen entstehen so Umrisse einer emotionalen und rationalen Überforderung. Nicht als Abgesang, sondern als Bewältigungsversuch und Bestreben, das Kippen in die Abgründe der Enttäuschung doch noch abzuwenden.

Fragments of Desire führt eine grundsätzliche Verstörung vor, aber das Trio konzentriert sich, diese nicht in Panik münden zu lassen. Mit Erfolg. Das Stück bricht weder auseinander noch driftet es in Zynismus ab. Hölbling beweist, dass es nicht nötig ist, aus dem Tanz zu flüchten, um brisante Inhalte performativ aufzubereiten. Und ihr gelingt ein Hinweis darauf, dass es nicht exklusiv die Sprache ist, die unsere Wirklichkeit formt, sondern soziales Verhalten und Handeln die Sprache gestaltet. (Helmut Ploebst, 18.1.2024)