10.000 Schritte lautet die berühmte Faustregel für das angeblich ideale tägliche Bewegungspensum. 10.000 Schritte entsprechen etwa acht Kilometern und sind vom durchschnittlichen Büromenschen oft nur schwer zu schaffen. Zum Glück haben einige Studien gezeigt, dass man ohne schlechtes Gewissen die Vorgaben des digitalen Schrittzählers herabsetzen kann: Für eine gesundheitlich relevanten Effekt reichen schon deutlich weniger Schritte.

Japanischer Marketingerfolg

Überraschenderweise hält sich die 10.000-Schritte-Mär bereits seit 60 Jahren. Anlässlich der Olympischen Spiele 1964 in Tokio nutzte ein japanischer Unternehmer den allgemeinen Sportenthusiasmus und brachte ein Gerät auf den Markt, das die Schritte einer Person zählen sollte. Es war zwar bei weitem nicht der erste Schrittzähler, aber er hieß "Manpo-Kei", was übersetzt buchstäblich "10.000-Schritte-Zähler" heißt. Der Marketingerfolg aufgrund der schönen runden Zahl blieb nicht aus und wirkt bis heute nach, auch wenn dieser sportliche Imperativ schon längst widerlegt wurde.

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Wer sich über einen Hund als Familienmitglied freuen kann, kommt bewegungsmäßig automatisch jeden Tag auf viele Tausend Schritte.
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Tatsächlich beginnt der gesundheitliche Nutzen bereits bei einem Viertel dieser Schrittanzahl, wie zuletzt eine Metastudie im "Journal of the American College of Cardiology" ergab. Die Analyse unter der Leitung von Niels Stens vom Universitätsklinikum in Nijmegen (Niederlande) basiert auf Gesundheitsdaten von 111.309 Personen und kommt zu dem Ergebnis, dass schon 2.500 bis 2.700 Schritte pro Tag dem Körper guttun: Das Sterberisiko sinkt um durchschnittlich acht Prozent, die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen geht um elf Prozent zurück.

6.000 bis 8.000 Schritte pro Tag

Dennoch sollte man sich damit nicht unbedingt zufriedengeben, meinen die Forschenden. Denn bei einer höheren Schrittanzahl nehmen auch die positiven Auswirkungen zu: Bei 7.000 Schritten pro Tag reduziert sich das Erkrankungsrisiko für das Herz-Kreislauf-System um 51 Prozent. Natürlich handelt es sich hier um Durchschnittswerte, betont Thijs Eijsvogels, Seniorautor der Studie, die man dem Alter und der Mobilität der jeweiligen Personen anpassen müsse.

Weniger tut's auch, aber mehr ist besser? Wo genau der ideale Wert für das gesundheitliche Wohlbefinden liegt, konnte letztlich eine andere Untersuchung eingrenzen: Wie die Epidemiologin Amanda Paluch von der University of Massachusetts Amherst und ihr Team festgestellt haben, liegt das Optimum für gesunde, einigermaßen fitte Menschen zwischen 6.000 und 8.000 Schritten pro Tag. Alles, was darüber hinausgeht, würde demnach das Risiko, vorzeitig ins Grab zu stolpern, wahrscheinlich nicht weiter verringern.

"Was man also beobachten kann, ist eine schrittweise Verringerung des Risikos bei steigender Schittanzahl, bis es sich bei einem bestimmten Wert einpendelt", sagt Paluch. "Die Abflachung der Kurve trat allerdings bei älteren Erwachsenen bei anderen Schrittzahlen auf als bei jüngeren."

Ältersabhängig

Grundlage der im Fachjournal "The Lancet: Public Health" erschienenen Überblicksstudie waren Gesundheits- und Bewegungsdaten von 47.471 Erwachsenen aus Asien, Australien, Europa und Nordamerika. Grundsätzlich ergab die Auswertung, dass die 25 fleißigsten Geher ein um 40 bis 53 Prozent geringeres Sterberisiko hatten als die 25 Prozent mit den wenigsten täglichen Schritten.

Rentner laufen
Man muss es im Alter nicht mehr übertreiben. Ab 60 reichen schon weniger Schritte pro Tag für das gesundheitliche Wohlbefinden.
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Spannend wurde es, als die Forschenden die Zahlen mit dem Alter der Personen in Beziehung setzten: Bei Erwachsenen ab 60 erreichte die Risikominderung ihren Höhepunkt bei täglich 6.000 bis 8.000 Schritten. Gingen diese Personen mehr, fand sich in den Daten kein messbarerer Vorteil für das Sterberisiko.

Jüngere Menschen dagegen könnten durchaus mehr Schritte vertragen, aber auch bei ihnen erreichte das vorzeitige Sterberisiko ab einer gewissen Schrittzahl ein Plateau, über das hinaus kein Effekt mehr nachweisbar war. Der entsprechende Wert lag bei über 8.000 Schritten. "Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, dass selbst ein wenig mehr Bewegung vorteilhaft ist, insbesondere für diejenigen, die sich ansonsten kaum bewegen", so Paluch.

Gut für Körper und Geist

Das bisschen Mehr an Sport dürfte sich letztlich auch auf unsere kleinen grauen Zellen positiv auswirken: Gehirnscans bei über 10.000 Personen haben unlängst einen Zusammenhang zwischen körperlicher Betätigung und der Größe von bestimmten Gehirnarealen beobachtet, die für das Gedächtnis und die Lernfähigkeit zuständig sind. Auch da zeigte sich, dass ein positive Wirkung auf unseren Denkapparat schon mit ein bisschen mehr Bewegung einhergeht. Vielleicht wären diese Daten also eine willkommene Motivationshilfe, um sich die keine drei Wochen alten Neujahrsvorsätze in Erinnerung zu rufen. (Thomas Bergmayr, 18.1.2024)