The Last of Us 2 Remastered
Töten als Fokus in Videospielen bleibt eine ewige Debatte.
Naughty Dog/Sony

Mit dem Satz "Das Scheitern von 'The Last of Us 2' auf den Punkt gebracht" hatte der von mir hochgeschätzte Games-Psychologe und Autor Benjamin Strobl auf X (vormals Twitter) meine Aufmerksamkeit. Passend zum Release der überarbeiteten "Remastered"-Version am Freitag, war das Action-Spiel aus dem Jahre 2020 auf Social Media wieder in aller Munde.

Mit seinem Kommentar bezog sich Strobl auf einen Artikel bei "Digitaltrends", welcher der Neuauflage vorwarf, mit einem neuen Modus die Idee des Originals in eine "bittere Pointe" zu verwandeln.

Was ist passiert?

Spulen wir kurz zurück. Im Juni 2020 erscheint mit "The Last of Us 2" ein intensiver und brutaler Ritt, wie man ihn selten zuvor in einem Videospiel erlebt hat. Zunächst steht vor allem eine Storyentscheidung der Entwickler im Rampenlicht, die zu einem sogenannten Review-Bombing auf Bewertungsplattformen führt und bis zu erschreckenden Morddrohungen gegen die Entwickler reicht. Erst nachdem sich dieser Staub ein wenig gelegt hat, fängt eine Diskussion über die gezeigte Brutalität im Spiel an.

Während diese Gewalt in Serien wie "Walking Dead" nicht stört, ist diese Thematik bei Videospielen seit jeher ein Thema. Debatten über Killerspiele scheinen zwar längst vergangenen Tagen anzugehören, geforscht wird sicherheitshalber aber weiterhin – auch in Wien. Erst am Donnerstag wurde eine Studie veröffentlicht, in der die Fakultät für Psychologie der Universität Wien zu dem Entschluss kam, dass "gewalttätige Videospiele keine negativen Auswirkungen auf menschliches Mitgefühl gegenüber Schmerz und emotionale Reaktionen auf Gewalt haben".

Viele Thesen behaupteten bisher, dass Videospiele ebendieses Mitgefühl der Spielenden abstumpfen lassen würden. Der konkrete Vorwurf: Die Hemmschwelle für echte Gewalt würde durch solche Spiele herabgesetzt werden. In einem mehrwöchigen Experiment mussten Versuchspersonen "gewalttätige Videospiele" konsumieren, etwa "GTA 5", das in diesem Zusammenhang auch oft genannt wird. Vor und nach dem Spielen wurden die empathischen Reaktionen auf den Schmerz einer anderen Person gemessen.

Einer der leitenden Forscher, Lukas Lengersdorff, schreibt: "Ein paar Stunden Videospielgewalt haben keinen nennenswerten Einfluss auf die Empathie von psychisch gesunden, erwachsenen Versuchspersonen." Die Einschränkungen des Gesundheitszustands der Betroffenen sowie die Dauer sind nennenswerte Faktoren, die immer im Zusammenhang mit solchen Beobachtungen erwähnt werden müssen und sollten.

The Last of Us 2 Remastered
Die Grafik wurde in der "Remastered"-Version noch einmal aufgepeppt.
Sony

Zurück zu den Spielen

Bei "The Last of Us 2" war Gewalt integraler Bestandteil der Geschichte, aber sie schien angemessen für eine Welt, in der es ums nackte Überleben geht und es beim Gros der Widersacher gar keine Alternative gibt, als diese zu erlegen, bevor sie den Spieler erlegen. Das Fachmagazin "Gamepro" schreibt damals in einem Kommentar: "'The Last of Us 2' hält mir Schlag auf Schlag Ellies brutales Handeln – und damit mein eigenes brutales Handeln – wie einen Spiegel vor Augen."

Auch der Storybogen, dass man zwei Seiten in der Geschichte einnimmt, ist ein geschickter Dreh, um auch die Motivation, die hinter der Gewalt steht, zu diskutieren. Aber genau diese Prämisse provoziert den eingangs erwähnten Kritikpunkt. In zwei Modi, dem bekannten "New Game+"- sowie dem neu eingeführten "No Return"-Modus, geht es nicht mehr um die Story, sondern allein um das effektive Töten.

Der Games-Psychologe wirft den Herstellern "Widersprüche" vor. Auf der einen Seite gäbe es eine starke inhaltliche und kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt. Auf der anderen Seite machen die Spielmechanismen es zu einer trivialen Wiederholung und Spaßparty von Gewalt. Was er im Gespräch mit dem STANDARD okay findet, sich "aber ebenso widerspricht". Er stellt weiters die Frage in den Raum, ob es eine "kapitalistische Notwendigkeit der Spieleindustrie" sei, selbst die "besten Versuche, Kunst zu sein, mit der Trivialität eines New Game Plus zu torpedieren."

Meine Antwort an dieser Stelle wäre: Ja, es ist eine kapitalistische Notwendigkeit, auch in Story-Games als Entwickler mittlerweile das Gefühl zu haben, man müsse einen Multiplayer-Modus oder irgendwelche Extra-Modi einfügen, um die Feature-Liste länger zu machen. Der Druck steigt natürlich, wenn man Spiele nach so kurzer Zeit neu auflegt, was im Falle von "The Last of Us 2" sicher zu hinterfragen ist, auch weil sich die technischen Neuerungen sehr im Rahmen halten. Ich schweife ab.

Spiele sind keine Filme

Videospiele werden oft mit Filmen oder Büchern verglichen. Sehr passiven Medien, die keinerlei Einflussnahme des Rezipienten zulassen. Bei Videospielen schreibt man die Story mit, mal mehr und mal weniger. Vielleicht ist die Diskussion auch deshalb immer so emotional aufgeladen, eben weil ich selbst Teil der Erfahrung sein kann. Und wenn sich diese Erfahrung nicht mit der anderer deckt, fühlt man sich leicht angegriffen.

Ich habe beispielsweise einmal geschrieben, dass es auch gute Storys in Videospielen gibt, und wurde dafür kritisiert. Unter anderem mit dem Argument, dass keine dieser Storys auch nur annähernd gut genug für Film und TV wäre. Das lasse ich nach den letzten Jahren voller Marvel-, "Star Wars"- und weiteren filmischen Tiefschlägen jetzt einfach einmal unkommentiert und freue mich lieber, wie viele Spiele mittlerweile ihren Auftritt in genau diesen Medien haben.

Aber Spiele auf ihre Story zu reduzieren oder sie von der Spielmechanik zu entkoppeln geht einfach nicht. "The Last of Us 2" hat kein revolutionäres Gameplay, aber es bietet in vielen Situationen zahlreiche Möglichkeiten, wie ich Auseinandersetzungen bestreiten kann. Diese sind dann mehr oder noch mehr mit Gewalt verbunden, aber das ist nun einmal das Spiel. Das muss nicht jeder mögen und auch nicht konsumieren. Genau wie meiner Wenigkeit das Zelebrieren von Töten in den hochgelobten "John Wick"-Filmen viel mehr auf den Magen schlägt.

Hier sehe ich zu, wie jemand Leute exekutiert – schneller, als ich mitzählen kann. Bei Videospielen nehme ich das Töten natürlich wahr, aber es ist auch immer Teil eines strategischen Prozesses. Es geht nicht – und das zeigt ja zum Teil auch die Studie – ums Töten, sondern um die Spielerfahrung, die viel mehr Aspekte hat. Wie oft standen "Doom" oder ähnliche Shooter in der Kritik, weil man dort angeblich zum Töten ausgebildet wurde? Wer selbst einmal eines dieser Spiele gespielt hat, weiß, dass es speziell im Multiplayer viel mehr einen sportlichen Charakter hat als irgendeinen anderen Schwerpunkt. Taktisches Denken und vor allem Reaktionsschnelligkeit, um am Ende als Sieger dazustehen. Menschliche Silhouetten mögen augenscheinlich als Ziele mehr Reiz haben als pummelige Drachen, im Spiel selbst verschwimmt dann aber alles – wenn man im Flow ist und die Umgebung viel mehr als Matrix gesehen wird, um einen weiteren Keanu-Reeves-Film zu erwähnen.

The Last of Us Part II Remastered - Launch Trailer | PS5 Games
PlayStation

Offener Diskurs

Was ich damit sagen will: Natürlich kann man einem Spiel vorwerfen, dass es Gewalt zeigt. Natürlich kann man einem Spiel vorwerfen, dass es die eigene Message mit zusätzlichen Modi torpediert. Große Videospiele wie "The Last of Us 2", die sich Millionen Mal verkaufen, werden da natürlich gerne als plakative Beispiele genommen. Schon zum ersten Release 2020 meinten viele, die Anti-Gewalt-These der Entwickler sei nur ein Marketinginstrument. Ich habe das Spiel verschlungen und mich, wie viele andere auch, über das gut funktionierende Gameplay und eine emotional aufwühlende Geschichte gefreut.

Den "Remastered" von "The Last of Us 2", der am Freitag erschienen ist, habe ich ebenfalls angespielt. Schnell war ich wieder in der Geschichte gefangen, allein wegen des hervorragenden Soundtracks und der für mich überzeugenden Charaktere. Den neuen "Tötungsmodus" habe ich nicht ausprobiert. Muss ich auch nicht. Ich kann das Spiel einfach zum mittlerweile dritten Mal durchspielen und wählen, was ich persönlich mit der Erfahrung anfangen will. Kritik darf natürlich trotzdem geäußert werden, aber ich bin sicher, das werden sowohl "The Last of Us 2" als auch viele andere Spiele aushalten, die ins Rampenlicht geraten. Es zeigt, dass Videospiele ein, wenn nicht sogar das wichtigste Medium geworden sind und ein offener Diskurs darüber immer geführt werden sollte.

Ich bin fast sicher, dass wir spätestens bei "GTA 6" im kommenden Jahr eine ähnliche Diskussion führen werden. Ich freue mich drauf. (Alexander Amon, 20.1.2024)