Mädchen hilft Buben beim Klettern auf einen Baum
Wer 2022 geboren wird, hat in Österreich eine Lebenserwartung von etwa 80 Jahren. Die Werte für Buben und Mädchen klettern nach oben und nähern sich dabei einander an.
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Weltweit steigt die Lebenserwartung. Das haben Studien der vergangenen Jahre mehrfach gezeigt und dies wird durch eine Neuauswertung bestätigt. Dabei schrumpfen die Unterschiede zwischen Frauen, die durchschnittlich länger leben, und Männern.

Wie ein spanisch-britisches Forschungsteam im Fachblatt "Plos One" schreibt, ist auf allen fünf Kontinenten eine höhere Lebenserwartung und eine geringere Geschlechterdifferenz zu erkennen. Dies ist nicht nur für Industrienationen zu sehen, sondern grundsätzlich auf der ganzen Welt. Ausnahmen kann man freilich für Kriegszeiten und verheerende Erkrankungen feststellen.

Altwerden in Österreich

Auf dem afrikanischen Kontinent falle die Entwicklung zu längerer Lebensdauer und geringeren Geschlechterunterschieden besonders deutlich aus. Die Forschungsgruppe um David Atance (Universidad de Alcalá, Madrid) erwartet, dass sich der Trend bis 2030 fortsetzen wird.

In Österreich liegt die Lebenserwartung für Männer nach den aktuellsten Daten der Statistik Austria von 2022 bei etwa 79 Jahren, für Frauen bei knapp 84 Jahren. Das heißt: Kinder, die 2022 zur Welt kamen, werden einmal durchschnittlich 79 bis 84 Jahre alt. In Vorarlberg leben die Menschen am längsten. Übersterblichkeit im Zuge der Coronapandemie sorgte dafür, dass sie im Vergleich zu 2019 um etwa ein halbes Jahr gesunken ist. Daten für 2023 dürften im Februar veröffentlicht werden.

Auf längerfristige Sicht zeigte der kürzlich publizierte Gesundheitsbericht 2022, dass Frauen und Männer in Österreich seit 2005 um durchschnittlich zwei bis drei Jahre länger leben. Im Vergleich zu 1991 haben sie sieben bis acht gesunde Lebensjahre mehr. In dieser Zeit reduzierte sich der Geschlechterunterschied in der Lebenserwartung auch von sieben auf 5,5 Jahre, wie das deutsche Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2023 berichtete. Das zeigten Daten aus sieben europäischen Ländern, darunter Österreich.

Biologische Einflüsse

Woher kommt aber diese Lücke zwischen Männern und Frauen? Das Forschungsteam geht darauf kaum ein, merkt aber an, dass biologische Unterschiede wohl dafür sorgen, dass dieser "Gender-Gap" kaum ganz verschwinden wird. Weil sie üblicherweise einen XY-Satz an Geschlechtschromosomen anstelle von XX haben, kann dies gewisse Erkrankungen begünstigen. Eine Studie lieferte 2022 den begründeten Verdacht, dass aber auch der Verlust von Y-Chromosomen in weißen Blutkörperchen das Sterberisiko von Männern erhöht.

Ein wesentlicher Aspekt ist aber auch der im Durchschnitt risikoreichere Lebensstil von Männern. Sind ihre Aktivitäten und ihr Konsumverhalten der Gesundheit abträglich, kostet das Männer statistisch mehr als 20 Jahre Lebenszeit. Der Trendwandel ließe sich damit erklären, dass vermutlich immer mehr Männer auf einen gesünderen Lebensstil achten.

Wenn Männer von Feminismus profitieren

Das könnte auch mit dem Aufbrechen von Geschlechternormen zusammenhängen. Traditionelle Rollenbilder sind für Männer eher mit ungesundem Verhalten verknüpft – oder mit Belastungen, die Alkohol- und Tabakkonsum fördern, wie auch Demografinnen und Demografen festhalten. Ist ein Mann allein dafür verantwortlich, seine Familie finanziell abzusichern, und ist noch dazu gehemmt, über Probleme zu sprechen, weil dies als "unmännlich" gilt, kann auch die Lebenserwartung sinken.

In Gegenden, wo sich Rollenbilder stärker annähern, ist auch die Lebenserwartung von Frau und Mann ähnlicher. Darauf deuten die regionalen Auswertungen des deutschen Instituts für Bevölkerungsforschung hin. In strukturschwachen Regionen sind die Unterschiede in der Lebenserwartung viel stärker ausgeprägt, dort ist auch die medizinische Versorgung schlechter.

Im Nordosten Deutschlands ist die Geschlechterlücke beim Lebensalter etwa doppelt so groß wie in Süddeutschland. Hauptstadtregionen ziehen laut dem beteiligten Mortalitätsforscher Markus Sauerberg "durch ihre guten Jobmöglichkeiten eher gesunde und qualifizierte Bevölkerungsgruppen an". In seiner Analyse machte die Erklärung über biologische Unterschiede – wie Todesfälle durch Tumore und Herz-Kreislauf-Krankheiten bei Männern – nur einen eher kleinen Anteil aus. Klar ist auch, dass sich Faktoren wie Bildung auf die Gesundheit auswirken.

Klimawandel kostet ein halbes Lebensjahr

Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass sich die Klimakrise negativ auf die Lebenserwartung auswirkt. Einer Studie im Fachjournal "Plos Climate" zufolge könnte der Klimawandel Menschen durchschnittlich etwa sechs Monate an Lebenszeit kosten. Zunächst sind die Ergebnisse aber mit Vorsicht zu genießen: Das Fachmagazin teilte mit, dass Vorbehalte gegenüber den Daten zur weltweiten Durchschnittstemperatur geäußert wurden, die man aktuell prüfe.

Studienautor Amit Roy forscht an der New School for Social Research in New York und an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Shahjalal University of Science and Technology in Sylhet in Bangladesch. Er schreibt, dass steigende Temperaturen und veränderte Regenfälle nicht nur direkte gesundheitliche Folgen wie Naturkatastrophen mit sich bringen, sondern auch indirekte, etwa Atemwegserkrankungen und Kreislaufprobleme. Ob seine Auswertung der Datensätze von 191 Ländern im Zeitraum von 1940 bis 2020 den Vorwürfen standhält oder nicht: Mit Gesundheitsrisiken, die sich in den kommenden Jahrzehnten verändern und sich auch auf die Lebenserwartung auswirken können, müssen wir rechnen. (sic, 19.1.2024)