Die Bundesregierung hat zusätzliche finanzielle Mittel für 100 neue Kassenarztstellen bereitgestellt. Insgesamt waren Ende des Jahres zusätzlich aber auch noch 333 weitere Kassenplanstellen in Österreich unbesetzt.
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Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich den Ausbau des Kassenarztsystems auf ihre Fahne geschrieben und dafür auch zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt. So wurden etwa im Vorjahr 100 neue Kassenarztstellen angekündigt, die teils Anspruch auf einen Starterbonus bis zu 100.000 Euro haben sollen. Am Donnerstag gab Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) zudem die Ausschreibung von gleich 100 weiteren Stellen bekannt. Doch die dringend notwendige Verbesserung der Versorgung im niedergelassenen Bereich wird nicht so schnell vonstattengehen, wie es der Bund versprochen hat. Das kristallisiert sich bei der laufenden Interessentensuche der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) heraus.

So sollten die 100 neuen Kassenarztstellen ursprünglich noch im Dezember 2023 ausgeschrieben werden, worauf auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) verwies. Bis dato hat diese Ausschreibung offiziell noch nicht begonnen. Laut ÖGK wird es nun im Februar so weit sein, wie es dem STANDARD gegenüber heißt. Allerdings wird die Ausschreibung in mehreren Wellen durchgeführt: Das bedeutet auch, dass die offizielle Bewerbung in einer ersten Tranche vorerst nur für rund zwei Drittel der 100 Stellen gestartet wird. In der ÖGK geht man davon aus, "diesen hohen Anteil auch besetzen zu können". Bis wann, ist offen. Realistisch gesehen sei eine Öffnung der ersten neuen Praxen aus diesem Kontingent frühestens wohl ab dem Start des dritten Quartals 2023, also ab Juli, möglich. Noch heuer sollen zudem weitere Ausschreibungswellen starten, in denen der Fokus laut ÖGK auf Primärversorgungseinheiten (PVE) gelegt wird.

Von den insgesamt 100 neuen Kassenstellen sind mindestens 50 für die Bereiche Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendheilkunde sowie Innere Medizin vorgesehen. Die weiteren 50 Stellen sind für Gynäkologie, Dermatologie, Augenheilkunde und (Kinder-)Psychiatrie gedacht. Die Verteilung auf die Bundesländer erfolgt nach einem Bevölkerungsschlüssel: Für Wien sind etwa 22 neue Kassenstellen reserviert, für Tirol neun, für das Burgenland drei. Insgesamt haben sich laut ÖGK rund 600 Ärztinnen und Ärzte bei der Online-Interessentensuche gemeldet, davon etwa 400 Ärztinnen und Ärzte aus den gesuchten Fachgruppen.

Die Verteilung der geplanten 100 neuen Kassenstellen für ganz Österreich.

Zusätzlich zu den 100 neuen Kassenarztstellen gibt es auch zahlreiche Planstellen, die schon bisher nicht besetzt werden konnten. Das betrifft vor allem die Mangelfächer Kinderheilkunde und Frauenheilkunde, aber auch regionale Hausarztstellen in entlegenen Gebieten. Es ist längst Realität, dass Betroffene teils lange auf Termine bei Fachärzten warten müssen oder auf der Suche nach wohnnahen Hausärztinnen und Hausärzten sind. Laut ÖGK waren Ende Dezember bereits 333 Planstellen unbesetzt: Das sind Stellen, die länger als ein Quartal offen und ausgeschrieben sind.

100.000-Euro-Startbonus nicht nur für neue Stellen

Die Regierung hat für die 100 neuen Kassenstellen auch einen Startbonus in Höhe von bis zu 100.000 Euro für Ärztinnen und Ärzte, die sich dafür finden, angekündigt. Dieser kommt für die Bereiche Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendheilkunde sowie Gynäkologie infrage. Neben Ärzten, die eine der neu geschaffenen Kassenstellen erhalten, können auch jene Anspruch anmelden, die eine bereits länger ausgeschriebene Stelle annehmen. Voraussetzung ist, dass die Kassenstelle zuvor mindestens zweimal erfolglos ausgeschrieben wurde und der Vertragsabschluss zwischen dem 1. August 2023 und dem 31. Dezember 2024 erfolgt. Erhält ein Arzt oder eine Ärztin den Startbonus, gilt ein Kündigungsverzicht für fünf Jahre ab Vertragsabschluss. Ansonsten ist laut ÖGK eine "aliquote Rückzahlung vorgesehen".

Die Ärztekammer forderte am Donnerstag erneut, dass der Startbonus für alle offenen Kassenstellen gelten soll. "Es kann nicht die Lösung sein, dass ich 100 dazu schaffe und fördere, und die anderen kriegen nichts", sagte Bundeskurienobmann Edgar Wutscher. Zudem kritisierte er die fehlende Einbindung der Kammer. "Allein die Ansage, dass man die Stellen schafft, bringt ja in keiner Weise irgendwoher eine Verbesserung in der Versorgung." Nach der Nehammer-Ankündigung vom Donnerstag, 100 weitere Kassenarztstellen auszuschreiben, blieb vorerst offen, ob auch diese Anspruch auf den Startbonus erhalten sollen. Das Gesundheitsministerium lehnte das zuletzt ab und verwies auf bereits bereitgestellte zusätzliche Mittel für die ÖGK.

Neben der Ausweitung des Startbonus verlangte Dietmar Bayer, der Vize-bmann der Kurie niedergelassene Ärzte, dass auch die 70-Jahr-Altersgrenze für Kassenärzte fallen soll – sofern kein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für die Stelle bereitstehe. Der Forderung von SPÖ-Chef Andreas Babler, Wahlärzte in Notfällen für Kassenleistungen zu verpflichten, erteilte er eine klare Absage. (David Krutzler, 31.1.2024)