Das Bild zeigt Lisa Thoma
Für Frauen sei der Job als Influencerin sicherlich noch einmal herausfordernder. Tatsächlich habe sich das Arbeitsumfeld in den letzten Jahren aber etwas verbessert, sagt Lisa Thoma.
Lisa Thoma

"Du kannst ja nicht einen Master haben, und dann verdienst du Geld damit, dass du aus Socken Plüschtiere bastelst!" – Doch, es geht. Die ehemalige PR-Beraterin Lisa Thoma hat bewiesen, dass es hervorragend funktioniert. Mit ihren "Cute Life Hacks" auf Youtube wurde sie sogar zu einer der erfolgreichsten Influencerinnen des Landes. Dass die Mischung aus Erfolg und Attraktivität mitunter auch misogyne Neider auf den Plan ruft, gehört für die 33-jährige Blondine ebenso zum Business wie der unermüdliche Einsatz.

Das Influencer-Dasein ist ein Geschäft, das sie aber nur noch als Managerin berührt. Mittlerweile steht sie nämlich lieber hinter als vor der Kamera, wofür sie sich kürzlich auch ein eigenes Filmstudio eingerichtet hat. Im Gespräch mit dem STANDARD gibt sie einen spannenden Einblick in das Leben von Influencern und verrät auch, warum man nicht jede öffentlich ausgetragene Kontroverse unter Kolleginnen und Kollegen ernst nehmen sollte.

Plötzlich berühmt

Als ein Mädchen im Drogeriemarkt vor ihr stand und zu heulen begann, wusste Lisa Thoma zunächst nicht, was sie tun sollte. Dabei war es nur falscher Alarm. Nach einer Umarmung und einem gestammelten "Oh mein Gott, du bist die Lisa" wusste sie, dass niemand die Mutter der Kleinen an die Kasse rufen muss. "Es fühlte sich so absurd an, weil ich auch nicht der Typ für so etwas bin", beschreibt die Wienerin jenes Schlüsselerlebnis, das ihr den Erfolg als Influencerin erstmals vor Augen führte.

Denn Thoma startete ihren Youtube-Kanal nicht, um berühmt zu werden, sondern um ihrer Leidenschaft fürs Basteln mehr Aufmerksamkeit zu schenken und quasi einen verbindlichen Rahmen zu geben, um den inneren Schweinehund zu besiegen. Kuscheltiere basteln, Slime und "Squishies" selber machen: Do it yourself mit einfachen Mitteln zog sich wie ein pinker Faden durch ein Programm, das vor allem Kinder und Jugendliche ansprach. Nach einigen Monaten regelmäßiger Videoveröffentlichungen nahm der Kanal Fahrt auf.

Das veranlasste Thoma, sich noch mehr auf die Videoproduktion zu konzentrieren und die Betreuung ihrer PR-Kunden nach und nach einzustellen. Erst als sie begann, mit ihren Inhalten etwas Geld zu verdienen, kam plötzlich der große Durchbruch. "Man kennt das aus dem Bilderbuch, dass ein Video dann über Nacht komplett durch die Decke geht. In meinem Fall war es ein Video mit zehn Bastelideen, für die man schon alles zu Hause hat." Zwölf Millionen Zuschauer pro Monat sollten es später dann noch werden.

5 MINUTEN DIYs gegen Langeweile!!! 😍 Zehn Ideen! EINFACH & SCHNELL & LUSTIG Basteln
Cute Life Hacks DE

Zwischen Zweifel und Missgunst

Zu Beginn war ihr nicht bewusst, welche Veränderungen "Cute Life Hacks" mit sich bringen würde – insbesondere in Bezug auf die öffentliche Wahrnehmung und die damit verbundenen psychischen Herausforderungen. In ihrem Familien- und Freundeskreis stieß sie anfangs auf große Skepsis. Dass man als 27-Jährige mit abgeschlossenem Studium noch eine Bastelecke im Internet eröffnet, sorgte eher für Belustigung und dumme Sprüche als für Anerkennung. Das legte sich erst, als sich der Erfolg einstellte – und es änderte sich sogar schlagartig, denn genau diese Skeptiker wurden dann auf einen Schlag zu Fans und hätten am liebsten gleich bei ihr zu arbeiten angefangen.

Angesprochen auf den Neid und die Missgunst im Netz, die die öffentliche Präsenz einer Influencerin heutzutage leider mit sich bringt, geht Thoma überraschend locker damit um: "Neid auf Influencer ist okay, solange es nicht ungut wird und eine gewisse Grenze überschreitet. Auch das habe ich leider oft genug erlebt, aber damit muss man umgehen lernen." Für Frauen sei der Job als Influencerin sicherlich noch einmal herausfordernder, aber das Arbeitsumfeld habe sich in den letzten Jahren tatsächlich etwas verbessert, so die 33-Jährige. Influencer sei als Beruf inzwischen besser etabliert, das sei zu ihrer Anfangszeit vor fünf Jahren noch nicht so gewesen.

Kein normales Leben

Dass das Berufsbild des Influencers bei Kindern und Jugendlichen zunehmend mit den Favoriten Astronaut und Feuerwehrmann konkurriert, kann Thoma durchaus nachvollziehen. Sie kritisiert an dieser Entwicklung jedoch, dass sie gerade bei einer minderjährigen Zielgruppe in eine Falle des erhöhten Onlinekonsums führen kann. Unter der falschen Annahme, man könne durch bloßes Zuschauen etwas lernen, steige nur die passive Zeit vor dem Bildschirm, nicht aber die aktive Produktion von Inhalten. "Viele glauben, dass es so einfach ist, Influencer zu sein, weil sie nur das fertige Produkt sehen, aber nicht produzieren", sagt Thoma – dabei würden die meisten der eigentlichen Herausforderungen erst dort beginnen.

Als Influencer müsse man sich auch bewusst sein, dass man keinen Nine-to-five-Job mehr habe und jede Entscheidung bis ins kleinste Detail von anderen kommentiert werde. Die Routine, in der das Privatleben immer mehr mit dem Berufsleben verschwimmt, sei – wenn auch in kleinerem Maßstab – durchaus mit dem Leben von Prominenten vergleichbar. "Das Auftreten des Influencers muss immer den ethischen Grundlinien entsprechen, die er auf seinen Kanälen vertritt, und er darf sich keine Fauxpas erlauben", sagt Thoma.

Generell müsse man mit voller Überzeugung und Hingabe am Ball bleiben, um seine Ziele als Influencer zu erreichen. Interessanterweise glaubt Thoma nicht, dass Glück ein entscheidender Erfolgsfaktor ist. "Glück hat man vielleicht in dem Sinne, dass man eine Idee früher hat als andere. Letztlich liegt es aber oft daran, dass man sich einfach mehr mit der Materie beschäftigt hat", sagt sie. Das Hauptproblem der Content-Creators sei nach wie vor das belastende Gefühl, immer und überall erreichbar sein zu müssen. Das führe dazu, dass man gar nicht mehr abschalten könne. Dennoch dürfe man nicht vergessen, dass niemand gezwungen werde, Influencer zu werden, sondern dass man sich bewusst für diesen Weg entscheide.

Hass als Klickbringer

Auch öffentlich ausgetragene Kontroversen unter Influencerinnen und Influencern nimmt Thoma gelassen und rät Außenstehenden grundsätzlich, mehr Distanz einzunehmen. "Ich glaube nicht, dass alle Online-Beefs echt sind. Das kann schon auch ein tolles Marketinginstrument sein, um einfach noch einmal die eigene Community zu stärken oder sie gegen jemanden anderen aufzuhetzen", sagt sie – und fügt hinzu: "Das kann ja auch komplett abgesprochen sein, wie bei Celebritys. Im Extremfall haben die vermeintlichen Gegner nicht nur Absprachen, sondern sogar dasselbe Management, das koordiniert für mehr Klicks sorgen will."

Während sie solche Clickbait-Praktiken eher als Teil des Geschäfts sieht und diese nicht grundsätzlich kritisiert, verurteilt Thoma sehr wohl ethisch fragwürdige Handlungen von Influencern, die das Ansehen des Berufsstands nachhaltig schädigen können, wie es zuletzt bei der italienischen Influencerin Chiara Ferragni der Fall war.

Gesunde Community in Österreich

Auf die österreichische Influencer-Landschaft lassen sich solche Taktiken ohnedies kaum übertragen. Auch wenn der Markt mitunter hart umkämpft sein mag, handelt es sich um eine überwiegend herzliche und familiäre Community, die sehr rücksichtsvoll und freundlich miteinander umgeht. "Jeder ist irgendwo einzigartig und hat seine eigene Brand, daher gibt es in Österreich keine Ellenbogenmentalität, wie sie in den USA durchaus üblich ist", so Thoma.

Das Bild zeigt Lisa Thoma
"Viele glauben, dass es so einfach ist, Influencer zu sein, weil sie nur das fertige Produkt sehen", sagt Thoma. Die Produktion zählt aber zu den eigentlichen Herausforderungen.
Lisa Thoma

Positiv sei auch, dass es hierzulande einen regen Austausch unter den Influencern gebe. Wie viel Reichweite jemand habe, sei dabei zweitrangig: Es gehe eher darum, Erfahrungen auszutauschen, als sich gegenseitig zu bewerten – oder gar zu messen. Auch kleinere Influencerinnen und Influencer würden immer wieder mit Fragen auf sie zukommen. "Die beantworte ich gerne, weil der Beruf des Influencers eben noch nicht professionalisiert ist und keine Interessenvertretung hat. Der Zusammenhalt und der regelmäßige Austausch sind uns daher besonders wichtig", sagt Thoma.

Mehr leben, weniger Dauerkonsum

Doch anders als bei vielen langjährigen Youtubern in letzter Zeit hat sich die Wienerin nicht deshalb vom reinen Influencer-Dasein verabschiedet, weil sie ausgebrannt war. Und auch nicht, weil sie keinen Erfolg mehr hatte. Nach fünf Jahren hauptberuflichem Basteln sei sie einfach aus ihrer Rolle herausgewachsen. "Ich hätte mich und mein Publikum belogen, wenn ich in Pink weitergebastelt hätte", sagt sie und betont: "Selbst wenn es richtig erfolgreich gewesen wäre und ich weiterhin viel Geld damit verdient hätte – so bin ich als Person einfach nicht."

Stattdessen ist sie seit knapp drei Jahren beratend tätig, unterrichtet an mehreren österreichischen Hochschulen und produziert mit ihrem eigenen Filmstudio für namhafte Kunden wie Google oder Tiktok. Als "multi-passionate person", wie sich Thoma selbst bezeichnet, wird noch viel kommen, ist sie sich sicher. Nur ihren eigenen Konsum von Social Media will sie in diesem Jahr auf ein paar Minuten am Tag weiter reduzieren: "Wir wollen schließlich auch leben und erleben – wir können ja nicht dauerkonsumieren". (Benjamin Brandtner, 3.2.2024)