Wir leben in der Heimat des größten Ruinenbaumeisters der Gegenwart. Das kann kein Zufall sein. Sein Wirken entpuppt sich immer deutlicher als das realwirtschaftliche Abbild eines realpolitischen Systems, das unter Vorspiegelung grandioser Behauptungen die Baufälligkeit seiner Gedankengebäude bis zur intellektuellen Insolvenz als Erfolg zu kaschieren versucht. Ein schärferer Kontrast ist nicht denkbar als ein Bundeskanzler, der mit erhobener linker Faust seinen Anspruch auf weitere Kanzlerschaft einfordert, nur weil er einen Österreich-Plan gemacht hat, der ihn zwar nicht als ein großes Licht, aber unzweifelhaft als einen Kickl in homöopathischer Dosis erscheinen lässt.

Karl Nehammer (ÖVP)
Kanzler Karl Nehammer hofft, Wähler hinter dem blauen Ofen hervorzulocken. Umfragen zeigen ein anderes Bild.
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Was ihn beziehungsweise seine Messagekontrollore geritten hat, seinen Wahlkampf nicht mit klaren Positionierungen für die Zeit nachher zu eröffnen, an denen sich die Wählerinnen und Wähler orientieren können, bleibt unverständlich. Dafür ruft er ohne Not, aber umso masochistischer ein Kanzlerduell aus, bei dem er sich von vornherein in einer deutlich schlechteren Ausgangslage befindet. Das Wesen des Duells besteht, wenn es sich nicht um eine Scheinveranstaltung zur vermeintlichen Ehrenrettung handelt, üblicherweise darin, eine Entscheidung herbeizuführen, bei der einer der beiden Duellanten das Bummerl hat. Dass er es sei, muss der freiheitliche Führer in diesem Fall nicht befürchten. Als Versager, Rechtsextremist und Systementwurmer wurde er schon so oft durchschaut, dass er in der Bierzeltszene damit prahlen kann und dafür begeisterten Applaus erntet. Wenn er etwas fürchten müsste, dann, dass er – mit seinen völkischen Reinheitsfantasien – die nächste Legislaturperiode nicht als Volkskanzler, sondern als Badewaschl im Swingerklub der Machtlüsternen verbringt. Gewiss eine angemessene Beschäftigung, aber keine, zu der ihm der ÖVP-Obmann als selbsternannter Retter der Nation im Alleingang verhelfen kann.

Dem Versuch, den Wahlkampf als eine Zuspitzung auf "Er oder Ich" zu betreiben, muss ein Erfolg schon deshalb versagt bleiben, weil er unredlich wirkt, solange das Duell nur auf Bundesebene geschlagen werden soll, während auf Länderebenen im Verhältnis zu Herbert Kickls Gesinnungsgenossen eitel Wonne herrscht. Wie will Nehammer eine Richtungsentscheidung herbeiführen, wenn in der Partei, die er führt, in verschiedene Richtungen gezogen wird? Zwar hat die Vergangenheit gezeigt, dass die FPÖ nicht ganz die gleiche Partei ist, egal, ob Kickl oder ein anderer sie führt. Aber für die Wahlen, um die es diesmal geht, ist das ohne jede Bedeutung. Die Hoffnung, die von Nehammer propagierten Leitkulturvorstellungen würden Wähler hinter dem blauen Ofen hervor- und vor den schwarzen locken, lässt sich aus keiner Meinungsumfrage herauslesen.

Das Einzige, was sich in aller Klarheit aus dem Pallawatsch dieses Österreich-Plans herauslesen lässt, ist die Absicht, vor allem die Sozialdemokraten von der politischen Ausgestaltung der Republik fernzuhalten. Das Land geht schweren Zeiten entgegen. In dieser Situation ist Karl Nehammers Selbstüberschätzung, er allein könnte den Kampf gegen jene aufnehmen, die offen erklären, das politische System der Demokratie nach Vorbild eines Viktor Orbán zerschlagen wollen, nicht nur peinlich unrealistisch, sie ist brandgefährlich. (Günter Traxler, 2.2.2024)