Notarity
Das Team von Notarity fokussiert die Entwicklungsressourcen derzeit auf die internationalen Dienste. Über die Hälfte des Umsatzes kommt aus dem Ausland – mithilfe schwedischer statt österreichischer Notare.
(c) Alexander Schindler

Am Donnerstag, 1. Februar 2024, war der erste Prozesstag rund um die medial intensiv beobachtete Klage der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK) gegen das Wiener Start-up Notarity. Neben kleineren Formalitäten geht es im Kern des Prozesses darum, dass Notarity nicht nur die Online-Abwicklung des Notartermins ermöglicht, sondern auf Wunsch auch den Kontakt zum Notar herstellt. In dieser Vermittlung sieht die Kammer eine Verletzung des Standesrechts.

Die beiden Parteien schieben sich gegenseitig die Schuld zu, dass außergerichtliche Gespräche gescheitert sind, schließlich ergriff die ÖNK im Herbst 2023 den Rechtsweg und klagte das Start-up. An außergerichtliche Einigung ist seitdem nicht mehr wirklich zu denken. In einer Aussendung beklagt das Start-up, dass die Kammer weiter "auf Konfrontationskurs" sei.

"Dass eine Organisation, die 'Recht ohne Streit' als Ziel in ihrem Leitbild ausruft, sich Gesprächen verweigert, hat uns als junges Unternehmen erschüttert“, sagt Jakobus Schuster, Geschäftsführer von Notarity. Man könne nicht nachvollziehen, dass die Kammer kein Interesse an einer außergerichtlichen Einigung zeige. "Wir haben zudem zuletzt einige der beanstandeten Punkte umgesetzt, die etwa den Marktauftritt betreffen. Auch die neuen Standesrichtlinien der ÖNK, die unter anderem Neuerungen bei der Durchführung von digitalen Notariatsterminen enthalten, haben wir seit dem Inkrafttreten am 1. 1. 2024 technisch vollständig implementiert", führt Schuster weiter aus: "Wir sind davon ausgegangen, dass wir allen Bedenken der Kammer in den kritischen Punkten Rechnung getragen haben.“

Eindrücke aus dem Gerichtssaal

Ein Beobachter, der am ersten Prozesstag vor Ort war, schildert, dass eine von der Richterin vorgeschlagene Möglichkeit zum Vergleich nicht angenommen wurde. Wohlgemerkt: Dabei geht es nicht um einen monetären Schadenersatz, sondern um die Frage, in welchem Ausmaß Notarity seine bisherigen Geschäftspraktiken unterlässt. Andere Start-ups, wie das Grazer Unternehmen Iurio, bieten ebenfalls eine Möglichkeit einer digitalen Abwicklung von Notarterminen, aber ohne die kritisierte Vermittlungsleistung. Und wurden somit von der Kammer verschont.

Befragt wurden am ersten Verhandlungstag weder Schuster noch ÖNK-Präsident Michael Umfahrer. Stattdessen wurde der nächste Termin ausgemacht, der voraussichtlich im Juni stattfinden wird. Nach etwa einer halben Stunde war der erste Verhandlungstag ohne nennenswerte Weiterentwicklungen abgeschlossen.

Die Welt ruft

Dem Start-up bleibt nun nur die Option, gespannt auf das Urteil zu warten. "Ein gerichtliches Urteil verspricht zusätzliche Rechtssicherheit für uns und unsere Investoren, um unsere Mission weiter zu verfolgen", sagt Schuster. Ähnliches hört man übrigens auch aus dem Umfeld der Kammer: Die Klage habe das Ziel, Rechtssicherheit zu schaffen – für die Notare und ihre Klienten, aber auch für die Anbieter derartiger Lösungen.

In der Zwischenzeit ist von Notarity auch zu hören, dass man zunehmend den internationalen Markt erschließt: Nach Österreich kooperiert Notarity nun auch mit schwedischen Notariaten und bewirbt die Plattform weltweit. So haben bisher Menschen aus über 100 Ländern auf sechs Kontinenten notarielle Beurkundungen über die Plattform abgewickelt, heißt es aus dem Start-up. Das internationale Geschäft machte zuletzt bereits mehr als die Hälfte (52 Prozent) des Umsatzes aus. Dieser Anteil soll weiter steigen, das Jungunternehmen fokussiert die Entwicklungsressourcen derzeit auf die internationalen Dienste.

"Anders als für Österreich, wo wir ausschließlich mit österreichischen Notarinnen und Notaren zusammenarbeiten, kooperieren wir für den internationalen Markt vorerst vor allem mit schwedischen Notariaten, da die dortigen rechtlichen Rahmenbedingungen sehr digitalisierungsfreundlich sind und sich zudem ideal für grenzüberschreitende Sachverhalte eignen", wurde Schuster dazu zuletzt in einer Aussendung zitiert. Auf diese Weise könne man ein weltweites Publikum bedienen. Aus Schweden, anstatt aus Österreich. (Stefan Mey, 2.2.2024)