Die Tochter des in Afghanistan inhaftierten Rechtsextremisten und der FPÖ-Abgeordnete Martin Graf am Freitag bei einer Pressekonferenz.
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Es ist ein Bild, das Ende September publik wurde und für Irritationen und Empörung sorgte: Auf der einen Seite ist eine freiheitliche Delegation um den ehemaligen EU-Abgeordneten Andreas Mölzer in Anzügen zu sehen, auf der anderen hochrangige langbärtige Vertreter der Taliban mit Turban, darunter "Außenminister" Mawlawi Amir Khan Muttaqi. Man traf einander in Afghanistan, das die Terrororganisation vor zwei Jahren zurückerobert hat.

Die Österreicher wollten aus Sicht der Taliban ein besseres Gefühl für das Land bekommen, in dem Frauen aus dem öffentlichen Leben verdrängt und Musikinstrumente aus Sorge um die Jugend verbrannt wurden. Ziel der Reise sei es, die Menschenrechtslage in Afghanistan zu erkunden, um ein "wahrheitsgetreues Bild nach Österreich zu bringen", sagte Moustafa Eltelby, ägyptischer Gynäkologe mit Ordination in Wien, der den Trip eingefädelt hatte.

Spekuliert wurde damals aber auch, ob sich die Delegation um die Freilassung des bekannten österreichischen Rechtsextremisten Herbert F. bemühte, den die Taliban seit Mai des Vorjahres gefangen halten. Der heute 84-Jährige wollte mit seiner Reise durch Afghanistan den Beweis erbringen, dass das Land unter der Herrschaft der Taliban sicher sei, wurde aber von den Islamisten wegen Spionageverdachts verhaftet.

Eine freiheitliche Delegation traf im September Vertreter der terroristischen Taliban.
Hafiz Zia Ahmad

Blaue Kritik an Außenministerium

Die Gefangenschaft des Österreichers öffentlich gemacht hatten im Vorjahr österreichische Neonazis auf ihren Telegram-Kanälen. Dort forderten sie auch vom Außenministerium, sich für die Freilassung des Mannes einzusetzen. Dass das zu wenig geschieht, kritisierte am Freitag die FPÖ. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Tochter des Inhaftierten sprach der Nationalratsabgeordnete Martin Graf von einem "staatlichen Versagen" und "Untätigkeit" des Außenministeriums. Als Grund dafür vermutet Graf den politischen Hintergrund des Mannes.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) habe auf ein vor zwei Monaten übermitteltes Schreiben der Taliban bisher nicht reagiert, kritisierte Graf. Darin sei eine Schließung der von den Taliban nicht anerkannten afghanischen Botschaft in Wien als Bedingung für die Freilassung von F. genannt worden. Graf will, dass das Ministerium dieser Forderung nachkommt.

Ihr Vater sei in einem kritischen gesundheitlichen Zustand und benötige Medikamente, sagte die Tochter des rechtsextremen Österreichers. Die Bedingungen in dem Gefängnis in Kabul seien katastrophal.

Das Außenministerium weist darauf hin, dass F. trotz der seit Jahrzehnten bestehenden Reisewarnung nach Afghanistan gereist sei und konsularische Hilfsleistungen in dem Land nur äußerst beschränkt möglich seien. Dennoch werde der Inhaftierte über die für Afghanistan zuständige österreichische Botschaft in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad sowie die EU-Vertretung in Kabul so gut wie möglich betreut und auf seine Freilassung hingearbeitet. Konkret sei es mittlerweile gelungen, ihm fünf Medikamentensendungen und ein Hörgerät zukommen zu lassen. Zudem habe es auf Ersuchen Österreichs zwei Haftbesuche durch die EU-Vertretung gegeben.

Reisen an gefährliche Orte

Der STANDARD-Watchblog nahm den Lebenslauf von F. nach dessen Verhaftung im Vorjahr genauer unter die Lupe. In einem Beitrag ist zu lesen, dass F. seit Jahrzehnten in der rechtsextremen Szene aktiv ist. Der Burschenschafter war ein Gründungsmitglied der im Jahr 1988 verbotenen Nationaldemokratischen Partei (NDP) und unterhielt enge Kontakte zu dem im Jahr 2018 verstorbenen Holocaust-Leugner Gerd Honsik. 2021 nahm er an einer Demonstration der Identitären in Wien teil.

Zu den Passionen des ehemaligen Lehrers zählen Reisen an gefährliche Orte. So bereiste er schon in den 1980er-Jahren Afghanistan, als dort islamistisch geprägte Guerillagruppen gegen die sowjetischen Truppen kämpften. Ungewöhnlich für einen Rechtsextremen war ein Besuch bei Abdullah Öcalan, dem Gründer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Vor wenigen Jahren besuchte er auch Kämpfer und Kämpferinnen der kurdischen YPG, die in Nordsyrien gegen den IS kämpfen. Zu seinen Reisezielen gehörte in den vergangenen Jahren auch der Osten der Ukraine.

F. berichtete regelmäßig von seinen Reiseaktivitäten – auch über seinen Trip nach Afghanistan. Er sei beeindruckt vom regen Leben in den Basaren, Verzweiflung will er in den Straßen nicht wahrgenommen haben, war in einem Artikel mit dem Titel "Urlaub bei den Taliban", den das rechtsextreme Medium "Info Direkt" veröffentlichte, zu lesen. Derartige Reiseberichte kommen der rechten Szene gelegen, denn in ein sicheres Land kann man Geflüchtete unbedenklich abschieben. Kurz nachdem der Artikel veröffentlicht worden war, wurde der Österreicher von den Taliban verschleppt.

Keine Reise mehr nach Kabul

Die FPÖ distanzierte sich im September übrigens von dem Besuch der früheren FPÖ-Politiker bei den Taliban. Parteichef Herbert Kickl zeigte sich erbost und nannte diesen "eine unglaubliche Dummheit". Die Angelegenheit zog auch interne Konsequenzen nach sich: Abgeordnete und Funktionäre in Bund und Ländern müssen nunmehr geplante Auslandsreisen vorab melden.

Neuerliche Versuche freiheitlicher Politiker, direkt Kontakt zu den Taliban aufzunehmen, sind jedenfalls nicht geplant, versicherte Graf. Auch er habe sich gefragt, was die Reise sollte. Im Vorfeld davon gewusst haben dürfte er jedenfalls: Auf Anfrage des STANDARD hieß es bereits im September aus dem Außenministerium, dass man über den FPÖ-Parlamentsklub "explizit davon abgeraten" habe, dass Mölzer und Co die Reise nach Kabul antreten. Konkret habe sich ein hochrangiger Beamter des Ministeriums per SMS an Graf, der Mitglied des außenpolitischen Ausschusses ist, gewandt. (Sandra Schieder, 2.2.2024)