Es ist eine feine Linie zwischen Vergeltung und Eskalation: Präsident Joe Biden konnte den Angriff mit Toten und Verletzten auf eine US-Militärbasis in Jordanien, einem militärischen Verbündeten, nicht reaktionslos hinnehmen. Gleichzeitig würde es den US-Interessen entgegenlaufen, wenn die Demonstration der Stärke zu einer unkontrollierten Ausweitung des Kriegs im Nahen Osten führt. Genau diese versuchen die USA seit dem 7. Oktober, seit dem Hamas-Überfall auf Israel und der israelischen Offensive im Gazastreifen, zu verhindern.

US-Präsident Biden bei der Landung einer Militärmaschine mit den Särgen von US-Soldaten, die bei dem Angriff in Jordanien ums Leben kamen.
US-Präsident Biden bei der Landung einer Militärmaschine mit den Särgen von US-Soldaten, die bei dem Angriff in Jordanien ums Leben kamen.
AFP/ROBERTO SCHMIDT

Durch militärische Drohgebärden und indirekte Diplomatie sollte Teheran der hohe Preis klargemacht werden, den das Mullah-Regime zahlen würde, wenn die über die Region verstreuten Mitglieder seiner "Achse des Widerstands" auf der Seite der Hamas voll in den Krieg einsteigen. Die aktuelle Botschaft an Teheran, seine diversen regionalen Stellvertretermilizen besser im Zaum zu halten, ist mit der US-Angriffsserie in Syrien und im Irak überdeutlich ausgefallen. Aber eine Eskalationsstufe nach oben wurde gelassen: Es gab keine Angriffe direkt auf den Iran. Man kann davon ausgehen, dass die US-Militärs ihre Dutzenden Ziele sorgfältig auswählte. Indirekt wurde der Iran wohl auch ungefähr darüber informiert, was bevorsteht, wie gewisse Sicherungsmaßnahmen – Personalabzug – im Vorfeld zeigten.

Die Gefahr, dass sich in Teheran die Eskalationswilligen früher oder später durchsetzen, besteht. Es gibt sie auch an anderen Seiten. Und es ist nicht zu leugnen, dass die Konfliktausbreitung bereits im Gang ist und die USA aktive Kriegspartei sind, ein Blick auf den Jemen genügt. In Syrien besteht auch noch die besondere Gefahr, dass sich USA und Russland – und Russland und Israel, das ebenfalls regelmäßig dort angreift – direkt in die Quere kommen. Es wird Zeit, dass es zum eigentlichen Schauplatz, dem Gazastreifen, Konzepte zur Beendigung des Kriegs und für die Zeit danach gibt. (Gudrun Harrer, 3.2.2024)