Am Wochenende hat eine neue Phase des erweiterten Gazakriegs begonnen: Durch ihre massiven Luftschläge in Syrien und im Irak versuchen die USA die militärischen Einsatzregeln im Umgang mit dem Iran zu klären. Die USA reagierten auf einen tödlichen Angriff Iran-freundlicher irakischer Milizen auf US-Soldaten in Jordanien. Aber beides – der Angriff auf die USA und die folgende US-Vergeltung mit dutzenden Toten – ist eine Grenzüberschreitung im gefährlichen Schaufechten, das sich seit dem 7. Oktober zwischen Hamas- und Israel-Unterstützern aufschaukelt.

US-Präsident Joe Biden vor einem der Särge von US-Soldaten, die bei dem Angriff in Jordanien ums Leben kamen.
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Das US-Ziel bleibt, die Erweiterung des Gazakriegs zu stoppen, indem man die Iran-Stellvertreter, die im Namen der Hamas agieren, abschreckt und eindämmt. Auch die Kampagne gegen die jemenitischen Huthis – auch sie Iran-Verbündete –, die mit ihren Raketen auf Schiffe im Roten Meer der Weltwirtschaft schaden, wurde fortgesetzt. Sogar die träge EU plant eine Marinemission: ein Beweis, dass es da keineswegs nur um US-Interessen geht.

Zwischen Stärke und Eskalation

Der Grat zwischen Eindämmung durch Stärke und selbstbetriebener Eskalation ist jedoch diesmal besonders schmal: Einen Angriff auf eine US-Militärbasis in Jordanien, einem militärischen Verbündeten, konnten die USA nicht reaktionslos hinnehmen. US-intern, zumal in einem Wahljahr, wird längst kritisiert, dass Drohgebärden und indirekte Diplomatie mit Teheran nicht den gewünschten Zweck erfüllen. Der Iran hält die über die Region verstreuten Mitglieder seiner "Achse des Widerstands" nicht genügend unter Kontrolle. Ob Teheran immer alles im Griff hat, ist dabei alles andere als klar.

Hardliner in den USA verlangen bereits jetzt von Präsident Joe Biden, dass er noch einen Schritt weiter geht: Militärschläge direkt auf den Iran. Das wäre jedoch gerade wieder ein Geschenk an jene ideologiegesteuerten Kräfte in Teheran, die sich – nicht zuletzt ermutigt durch das Versagen des israelischen Sicherheitsapparats am 7. Oktober – eine Entscheidungsschlacht im Nahen Osten wünschen.

Kein Interesse an Kriegsausbruch

Die ersten Reaktionen aus Teheran auf die US-Luftschläge lassen vermuten, dass die Führung weiter kein Interesse an einem vollen, offenen Kriegsausbruch hat. Die Israel-Feinde mögen noch so sehr über den 7. Oktober jubeln: Die Folge sind zerstörte Militärstrukturen von Hamas und Islamischem Jihad, denen das iranische Regime nicht auch noch seine stärkste Stellvertretertruppe, die libanesische Hisbollah, nachwerfen will. Bei einem Krieg würde deren stärkste Karte, die Raketenbewaffnung, zumindest stark degradiert werden.

Auch politisch hat der Iran etwas zu verlieren: die verbesserten Beziehungen zu Saudi-Arabien. Sie werden von China gemanagt, das wiederum wirtschaftlich schwere Verluste durch den Raketenkrieg der Huthis im Roten Meer erleidet. Noch immer stehen pragmatische Interessen gegen eine Ausweitung des Kriegs. Aber beendet werden kann er nur durch eine Friedenslösung für den Gazastreifen und einen politischen Zukunftsentwurf für die Palästinenser. (Gudrun Harrer, 4.2.2024)