Ein Kiebitz in der Wiese
Ein Kiebitz in der Wiese. Manchmal sieht die Federlocke auf dem Kopf aus wie ein widerborstiges Giftschipperl. (Belichtungszeit 1/1.000 Sek., Blende f6.3, Lichtempfindlichkeit ISO 800, Brennweite 550 mm am APS-C-Sensor entspricht einer Bildwirkung von 825 mm umgerechnet aufs Kleinbildformat, Crop)
Michael Simoner

Sind Sie auch mit Kartenspielen groß geworden? Mit Jolly (und der Auslegung der Regeln) haben wir ganze Familiennachmittage verbracht. Uno war auch nicht schlecht. Und natürlich Schnapsen, das hat uns die Oma beigebracht. Mit Schnapsen hab ich addieren gelernt. Als ich in die Schule kam, konnte ich schon bis 66 zählen. Das ist, für Unkundige, die Summe der Augenzahl, mit der man "genug" ruft und gewonnen hat. Wo gekartelt wird, sind Kiebitze nicht weit. Sie beobachten das Spiel als Unbeteiligte, schauen einem ungeniert ins Blatt und verdrehen manchmal die Augen. Kiebitze, manchmal auch Kiebitzer genannt, sind Besserwisser.

So, und was haben diese Kiebitzer jetzt mit Kiebitzen, also den Vögeln mit der lustigen Federlocke, gemein? Nichts. Das Verb kiebitzen kommt aus dem Rotwelsch (Gaunersprache) und bedeutete früher so viel wie durchsuchen oder abtasten. Der Vogel hingegen ist nach seinem Warnruf – Kiewit! (oder so ähnlich) – benannt. Nachdem diese sprachliche Zufälligkeit nun geklärt ist, können wir uns dem Tierischen zuwenden.

Oft größere Trupps

Kiebitze gehören zu den Vögeln, die in den kommenden Wochen aus ihren Winterquartieren im Mittelmeergebiet zurückkehren werden. Oft sind sie in größeren Trupps unterwegs. Es lohnt sich, nach den hübschen Watvögeln Ausschau zu halten. Allerdings muss man dafür Gegenden besuchen, in denen es noch Marschwiesen oder offene Landschaften in der Nähe von Gewässern gibt. Kiebitze bevölkern mittlerweile auch Äcker, aber deren Bewirtschaftung verträgt sich oft nicht mit dem Lebensrhythmus der Bodenbrüter. Wir haben Kiebitze bisher nur im Nationalpark Neusiedler See / Seewinkel zu Gesicht bekommen. Und waren begeistert.

Der Kiebitz (Vanellus vanellus) gehört zur Familie der Regenpfeifer. Er ist ungefähr so groß wie eine Taube. Mit seinen längeren Beinen kann er gut durch seichtes Wasser und kurzes Gras spazieren, wo er nach Insekten, Larven und Würmern sucht. Die auffällige Holle (Federhaube) ist zur Brutzeit besonders lang und weht dann oft lässig im Wind. Auch das Prachtkleid mit seinem metallisch grün-grau schimmernden Mantel und den blau-violetten Schulterflecken ist ein echter Hingucker. Im Flug fallen die breiten, abgerundeten Flügel des Kiebitzes auf, sie sehen fast wie Paddel aus.

Gefährdete Spezies

In Deutschland hat der Naturschutzbund den Kiebitz zum Vogel des Jahres 2024 gewählt (in Österreich ist es heuer die Grauammer). Diese Kür ist in der Regel kein gutes Zeichen, denn sie soll auf die Gefährdung der Tiere und ihrer Lebensräume aufmerksam machen. Die Bestände von Kiebitzen sind in den vergangenen Jahrzehnten in ganz Europa erheblich zurückgegangen, weil ihre Habitate verschwinden. Es gibt aber inzwischen auch Landwirtinnen und Landwirte, die unbewirtschaftete Kiebitz-Inseln in Feldern stehen lassen. Manchmal wird sogar die Saat von Mais verzögert, damit sich die erste Generation der Vögel entwickeln kann.

Scheinangriffe und Shitstorm

Feig sind Kiebitze jedenfalls nicht. Wer ihren Nestern während der Brutzeit zu nahe kommt, kann sich auf lautes Geschimpfe gefasst machen. Sie fliegen auch Ablenkungsmanöver, um potenzielle Feinde zu verwirren. Krähen oder Greifvögel werden sogar mit Scheinangriffen attackiert. "Hassen" lautet der zoologische Fachbegriff für diese Verhalten, das auch bei vielen anderen Vögeln zu beobachten ist. Im Englischen spricht man von "mobbing". Sogar einen "Shitstorm" kennen Vögel: Wacholderdrosseln versuchen im Flug, Widersacher mit dem Verspritzen von Vogelkacke zu vertreiben. Kommen Sie jetzt bloß nicht auf dumme Gedanken! (Michael Simoner, 7.2.2024)

Hinweis: Es folgt eine Urlaubspause, Anfang März wird es hier wieder tierisch.

Ein Kiebitz am Wasser
Im burgenländischen Seewinkel watete dieser Kiebitz im Prachtkleid durch den Gatsch. (1/1.000 Sek., f7.1, ISO 800, 600 mm APS-C)
Michael Simoner
Ein Kiebitz im Flug
Ein bissl unscharf der Kiebitz, aber hier sind die breiten Flügel ganz gut zu erkennen. (1/200 Sek., f8, ISO 800, 600 mm APS-C)
Michael Simoner
Ein Kiebitz in der Wiese
Ein Kiebitz mit edel erhobener Holle. (1/1.000 Sek., f6, ISO 800, 400 mm APS-C)
Michael Simoner