Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zweier starker Kandidaten wäre am Donnerstag, wenn Pakistan ein neues Parlament und damit eine neue Regierung wählt, zu erwarten: wenn nicht einer der beiden starken Männer im Gefängnis säße und nach jetzigem Stand nicht mehr in die pakistanische Politik zurückkehren wird. Das wirklich Außergewöhnliche dabei ist jedoch, dass es 2018 genau umgekehrt war: Damals war Nawaz Sharif, der am Donnerstag höchstwahrscheinlich gewinnen wird, in Haft, und Imran Khan war der Wahlsieger. Heute sitzt wiederum Khan hinter Gittern.

Von außen analysiert gibt es dafür ein Kriterium: Wer in Pakistan gerade von der Armee favorisiert wird, darf Regierungschef werden. Und wenn er sich im Amt anders verhält, als es die Armee erwartet, verliert er es wieder.

Plakate mit Nawaz Sharif, dreifachem Ex-Premier und Parteichef der Pakistan Muslim League (PML-N), in einer Straße in Lahore. Er dürfte die Wahlen am Donnerstag gewinnen, sein Hauptkonkurrent Imran Khan sitzt im Gefängnis. Bei den Wahlen 2018 war es umgekehrt.
AFP/Arif Ali

Von den gewählten Regierungschefs Pakistans hat noch nie einer eine Amtsperiode zu Ende gebracht, auch nicht der jetzige Favorit, Nawaz Sharif (74), der bereits dreimal Premier war. Der Chef der Pakistan Muslim League (PML-N) trat 1993 zurück, wurde 1999 von General Pervez Musharraf weggeputscht und beendete 2017 seine dritte Amtszeit inmitten von Korruptionsvorwürfen.

Auf ihn folgte Imran Khan, ehemaliger Cricket-Star und Lebemann, der als Politiker jedoch stark die islamische Karte spielte und keine Berührungsängste mit den Taliban zeigte. Der Chef der Partei Pakistan Tehreek-e-Insaaf (PTI) verlor jedoch seinerseits nach den Wahlen 2018 bald die Gunst des Sicherheitsapparats, wurde 2022 vom Parlament abgesetzt und im August 2023 inhaftiert. Er hatte sich mit Asim Munir, dem mächtigen Chef des Geheimdienstes ISI (Inter-Services Intelligence) angelegt, der jetzt Armeechef ist. Darüber hinaus waren Wirtschaftsentwicklung und Terrorismuszahlen besorgniserregend.

Heimkehrer aus dem Exil

Lange Zeit gab es Zweifel, ob die Wahlen am 8. Februar überhaupt stattfinden würden. Nawaz Sharif, der 2019 aus dem Gefängnis ins luxuriöse Exil in London – um die dort erworbene Wohnung ging es in seinem Korruptionsfall – ziehen konnte, kehrte erst 2023 nach Pakistan zurück. Und erst Anfang Jänner dieses Jahres revidierte der Oberste Gerichtshof günstigerweise das Urteil, das verurteilte Politiker von öffentlichen Ämtern ausschloss.

Imran Khan erging es indes gerade umgekehrt: Vor kurzem fasste er, zusätzlich zu einem bereits bestehenden Urteil, weitere zehn Jahre Haft wegen Verrats von Staatsgeheimnissen und 14 wegen Korruption aus. Daneben gibt es auch noch ein neues Hafturteil von sieben Jahren gegen ihn und seine Frau Bushra Bibi, das besonders absurd anmutet: Sie soll 2018 bei der Eheschließung mit Khan die islamische Mindestzeit von drei Monaten zwischen Scheidung und Wiederverheiratung nicht eingehalten haben. Bushra Bibi, die in der Öffentlichkeit einen Nikab, einen Gesichtsschleier, trägt, ist die dritte Frau des mittlerweile 71-Jährigen. Insgesamt steht Imran Khan derzeit alle Urteile zusammengenommen bei 34 Jahren Haft.

Der Bhutto-Erbe

Neben Nawaz Sharif – dessen Bruder Shehbaz Sharif nach der Absetzung Imran Khans 2022 stellvertretend eine Zeitlang Partei- und Regierungschef war – tritt noch ein weiterer Vertreter einer berühmten pakistanischen "politischen Familie" an: der erst 35-jährige Bilawal Bhutto Zardari, Sohn der 2007 ermordeten zweifachen Premierministerin Benazir Bhutto und des Ex-Präsidenten Asif Ali Zardari. Bei Umfragen liegen er und seine PPP (Pakistan People's Party) an dritter Stelle.

Wahlen in Pakistan gelten als "teilweise frei", aber die Einschätzung, wie demokratisch und fair die aktuellen Wahlen sein werden, fällt besonders negativ auf. Die Justiz ging nicht nur gegen Imran Khan persönlich vor, der noch immer sehr populär ist und Proteste gegen seine Absetzung mobilisieren konnte, sondern gegen die gesamte PTI. Ihre Vertreter wurden nach eigenen Aussagen teilweise mit Gewalt, auch gegen Angehörige, unter Druck gesetzt, sich von Khan zu distanzieren.

Der schlimmste Schlag erfolgte erst vor kurzem, als der PTI der Gebrauch ihres Parteisymbols, des Cricketschlägers – ein Anklang an Imran Khans Sportlerruhm –, verboten wurde. Das wäre in jedem Wahlkampf eine PR-Katastrophe, aber in einem Land mit so hohen Analphabetismuszahlen wie Pakistan kommt es der Vernichtung gleich. Die verbliebenen Vertreter der Partei müssen als Unabhängige kandidieren.

Multiple Krisen

Pakistan hat eine Einwohnerzahl von 240 Millionen, ist ein Atomwaffenstaat – und leidet unter multiplen Krisen. Seit 2015 haben sich die externen Schulden verdoppelt, der Schuldendienst beträgt mehr als die jährlichen Steuereinnahmen des Staates. Die Wirtschaft wird vom Internationalen Währungsfonds über Wasser gehalten. Neben den hausgemachten Problemen leidet Pakistan auch massiv unter dem Klimawandel, wie an den Überschwemmungskatastrophen der letzten Jahre abzulesen ist.

Dazu kommt ein massives internes Terrorismusproblem mit jährlich hunderten Toten, an dem die Taliban-freundliche Politik Khans nicht unbeteiligt war. Die Beziehungen zu Indien, aber auch zu den USA sind derzeit schwierig, aus Sicht Washingtons ist die starke Hinwendung zu China ärgerlich. Nawaz Sharif gilt im Gegensatz zu Imran Khan als US-freundlich. (Gudrun Harrer, 5.2.2024)