Junge Frau macht im Fitnessstudio Kniebeugen mit Kettlebell vor der Brust
Nur wenn der Muskel im Training mit intensiven Reizen gefordert wird, wächst er.
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Wer schon länger Krafttraining macht, weiß: In Sachen Muskelaufbau ist Geduld gefragt. Manchmal hat man das Gefühl, es geht wirklich gar nichts weiter. Umso wichtiger ist es, dennoch konsequent dranzubleiben. Schließlich ist Muskeltraining eine der wichtigsten Vorsorgemaßnahmen, die wir für unsere Gesundheit treffen können. DER STANDARD berichtete dazu etwa hier und hier.

Die gute Nachricht dabei ist: "Wenn man ein paar Dinge beachtet, kann grundsätzlich jede Person, unabhängig vom Alter, Muskulatur aufbauen", sagt Ulrich Steiner, Sportwissenschafter und Personal Trainer bei John Harris.

In erster Linie geht es um die Intensität des Reizes, der auf den Muskel einwirkt. Der ist deshalb wichtig, damit sich der Körper an diesen Reiz, also an diese schweren Gewichte, anpasst. "Der Körper muss merken 'Aha, da ist jetzt etwas passiert, das zu schwer für mich war. Ich baue also mehr Muskeln auf, damit ich das nächste Mal vorbereitet bin'", erklärt Steiner vereinfacht.

Als Faustregel gilt dabei: Der gesetzte Reiz sollte mindestens 30 Prozent des maximal Möglichen betragen. Das heißt, wenn jemand maximal hundert Kilo heben kann, ist es ab einem Training mit 30-Kilo-Hanteln ein wirksamer Reiz – und Muskulatur wird aufgebaut. Wenn ein Reiz weniger intensiv ist, findet keine Adaptierung im Muskel statt. Den effektivsten Muskelaufbau hat man bei Trainingsintensitäten von 80 Prozent jener Belastung, bei der man nur eine einzige Wiederholung schafft.

Proteinsupplemente kein Muss

Der zweite entscheidende Aspekt beim Krafttraining ist die Regeneration, also dass man Körper und Muskel nach dem Training die Zeit gibt, die sie brauchen, um den Reiz zu verarbeiten. "Damit ist auch eine gute Schlafhygiene gemeint", betont Steiner. Muskulatur entsteht nämlich nicht während des Trainings, sondern in der Ruhephase danach.

Und mindestens genauso wichtig wie das Training und die Regeneration ist die Nährstoffaufnahme, also die Ernährung. Denn ohne ausreichend Makronährstoffe wie Protein fehlt der Grundbaustoff der Zelle, diese kann also nicht wachsen. Empfohlen werden für gesunde, normal fitte Menschen von der WHO 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Wer gezielt Muskeln aufbauen will, könnte diese Menge etwas steigern, auf bis zu 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. "Das ist gar nicht so viel. Bei einer ausgewogenen Ernährung mit viel Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten oder vielleicht noch einem Ei zum Frühstück kommt man schon auf den Wert und braucht keine Supplemente", sagt Steiner.

Wenn, dann lieber Riegel statt Shakes

Für Menschen, die sich dennoch schwertun, den Bedarf zu decken, können Proteinpulver oder -riegel durchaus sinnvoll sein, findet der Fitnessexperte. Das darin enthaltene Eiweiß wird vom Körper gleich gut aufgenommen und verwertet wie jede andere Proteinquelle. Trotzdem empfiehlt Steiner eher Riegel statt Shakes: "Unser Körper reagiert auf das Kauen, damit wird der Verdauungsprozess schon im Mund gestartet." Mehr dazu lesen Sie hier.

Die Proteine muss man außerdem auch nicht direkt nach dem Training zu sich nehmen – obwohl sich dieser Fitnessmythos hartnäckig hält. Aber das anabole Fenster, also jener Zeitraum, in dem wir dem Körper Eiweiß zuführen sollten, damit er Muskeln aufbauen kann, ist nicht so kurz, wie viele glauben, sagt Steiner: "Es sind 16 Stunden. Wenn man also in den 16 Stunden nach einer Trainingseinheit ausreichend Proteine aufnimmt, wird das Muskelwachstum gefördert."

Kreatin für intensiveres Training

Und dann gibt es noch das Kreatin, das vor dem Training eingenommen wird. "Das wird leider oft mit Doping gleichgesetzt, vor allem weil es meist in Pulver- oder Kapselform eingenommen wird. Dabei ist Kreatin ein natürlicher Stoff, der in den Muskeln vorkommt und den man auch über die Ernährung aufnimmt", stellt Steiner klar. Kreatin versorgt, vereinfacht gesagt, die Zellen mit Energie und wird grundsätzlich im Körperinneren selbst aus mehreren Aminosäuren gebildet – aber eben nur in gewissem Maße. "Deswegen ist es im Kraftsport üblich geworden, dass man Kreatin zusätzlich einnimmt. Es ist das bedeutendste Supplement für Leistungssteigerung im legalen Bereich."

Um zu verstehen, wie Kreatin wirkt, hilft ein kurzer Ausflug auf die Zellebene: Die sogenannten ATP-Speicher sind die unmittelbar verfügbaren Energieträger in den Zellen. ATP steht für Adenosintriphosphat, weil der Speicher aus drei Phosphatgruppen besteht. Belastet man nun beispielsweise eine Muskelzelle, wird von diesem Speicher ein Phosphat abgespalten, dadurch wird Energie freigesetzt. Aber diese Energie reicht nur für zwei bis drei Sekunden maximale Belastung, das entspricht etwa einer Kniebeuge mit maximalem Gewicht.

"Das Kreatin springt dann quasi ein, um diesen Phosphatspeicher wieder aufzufüllen. Das heißt, ich kann dadurch eine hohe Belastung deutlich länger aufrechterhalten", erklärt Steiner. Durch die längere Maximalbelastung ist der gesetzte Reiz für die Muskulatur größer, der Körper muss sich noch mehr anpassen, und das Muskelwachstum wird dementsprechend größer. Kreatin wirkt also nicht direkt auf das Muskelwachstum, sondern es unterstützt in der Trainingsintensität. Und die führt wiederum zu einer größeren Anpassungsleistung, die sich im besseren Muskelaufbau zeigt.

Gewichtszunahme durch Kreatin

In der Regel ist Kreatin gut verträglich, berichtet Steiner: "Es ist das am besten untersuchte Supplement im Kraftsport. Gesunde Menschen können es im Grunde ohne Bedenken einnehmen." Doch Personen mit Nierenproblemen sollten vorsichtig sein und eine Einnahme mit dem Arzt oder der Ärztin absprechen. Und noch ein wichtiger Hinweis: Kreatin speichert vereinfacht gesagt Flüssigkeit in der Muskulatur, deshalb sollte man bei Einnahme noch mehr trinken als normalerweise. Wenn man zu wenig trinkt oder Probleme mit den Nieren hat, kann es sonst nämlich zu Krämpfen kommen.

In vereinzelten Fällen kann es zu Übelkeit oder Durchfall kommen, wenn der Magen-Darm-Trakt das Kreatin nicht gut verträgt. "Das ist aber wirklich selten und kommt eher bei einer zu hohen Dosierung vor", sagt Steiner. Die empfohlene Dosis liegt für einen 80 Kilo schweren Mann bei drei bis sechs Gramm pro Tag.

Der Körper kann zwar auch selbst in Leber und Niere Kreatin herstellen, aber nur bis zu einem gewissen Grad. "Fleisch ist ein guter Kreatinlieferant, weil man ja die Muskulatur eines Tieres isst", erklärt Steiner. In 200 Gramm Rindfleisch ist circa ein Gramm Kreatin enthalten, in Hühnerfleisch ein bisschen weniger. "Aber nicht alle können oder wollen täglich Fleisch essen. Dann kann die Zufuhr von künstlich hergestelltem Kreatin begleitend zum Krafttraining Sinn machen", findet Steiner.

Wichtig ist dabei zu beachten: Ausreichend trinken! Das Kreatin bewirkt, dass dem Körper Wasser entzogen und im Muskel gespeichert wird, dadurch nimmt der Muskel an Volumen zu. "Und aus diesem Grund kann es bei Kreatineinnahme in einem kurzen Zeitraum von wenigen Wochen zu einer Gewichtszunahme von ein bis drei Kilo kommen. Das ist zum großen Teil das zusätzlich gebundene Wasser im Muskel", sagt Steiner. (Magdalena Pötsch, 8.2.2024)