Viktor Orbán
Mit einem Gesetz wollte die Regierung von Viktor Orbán "ausländische Einmischung" in Ungarn verhindern.
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Brüssel/Budapest – Wegen des Verdachts auf massive Grundrechtsverstöße leitet die EU-Kommission ein neues Verfahren gegen Ungarn ein. Nach Kommissionsangaben vom Mittwoch geht es um ein Gesetz, mit dem die Regierung von Viktor Orbán "ausländische Einmischung" verhindern will. In der damit geschaffenen Regierungsbehörde zur Überwachung der staatlichen Souveränität sieht Brüssel ein Mittel zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und anderer europäischer Grundrechte in Ungarn.

Ungarn will an Gesetz festhalten

Ungarn werde dennoch an diesem Gesetz festhalten, schrieb daraufhin der für internationale Kommunikation zuständige Staatssekretär der ungarischen Regierung, Zoltán Kovács, in sozialen Medien. "Brüssel und die Dollar-Linke greifen das Souveränitätsschutzgesetz eben deshalb an, weil es sein Ziel ist, die Einflussnahme aus dem Ausland über die von (US-Philanthrop George) Soros rollenden Dollars zu verhindern", schrieb Staatssekretär Kovács bei Facebook. 98 Prozent der Ungarn hätten diesem Vorhaben bei einer "nationalen Konsultation" zugestimmt, "deswegen hält die ungarische Regierung am Souveränitätsschutzgesetz fest". Die "Konsultation", auf die sich Kovács bezog, ist keine professionelle Umfrage, sondern eine der vielen Fragebogenaktionen der Regierung, bei denen in der Regel Regierungsanhänger die Regierungspolitik gutheißen.

Video: EU-Verfahren gegen Ungarn wegen Grundrechtsverstößen.
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Die in der Verfassung verankerte Behörde hat zur Aufgabe, "Organisationen ausfindig zu machen und zu untersuchen, die Finanzmittel aus dem Ausland erhalten und darauf abzielen, den Wählerwillen zu beeinflussen". Das "Gesetz zum Schutz der Souveränität" und die Ende Jänner eingesetzte Behörde schränken nach Ansicht der Kommission unter anderem "das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten, die Meinungs- und Informationsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit und das Wahlrecht der EU-Bürger" ein, wie es in einer Brüsseler Erklärung heißt.

Die Regierung in Budapest hat nun zunächst zwei Monate Zeit, um auf die Vorwürfe zu reagieren und diese zu entkräften. Im äußersten Fall drohen Ungarn eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und mögliche Zwangsgelder. Im Fall einer Verurteilung würde dem Land dann bei einem weiteren Festhalten an dem Gesetz eine Geldstrafe drohen. Wegen verschiedener Grundrechtsverstöße etwa beim Asylrecht sind derzeit rund 20 Milliarden Euro an EU-Hilfen für Ungarn eingefroren.

Für Vana kommt das Verfahren "sehr spät", für Vilimsky ist es "absurd"

Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, begrüßte das sogenannte Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn, kritisierte aber, dass dies "sehr spät" komme. "Seit Jahren wird durch Viktor Orbán die systematische Aushöhlung des Rechtsstaates weiter fortgesetzt, Zivilgesellschaft und Oppositionelle durch jüngste Gesetzesänderungen mundtot gemacht und Minderheitenrechte ausgehebelt", so Vana in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Orbán müsse die Ratspräsidentschaft (Ungarn übernimmt diese mit 1. Juli, Anm.) entzogen werden, "alle zur Verfügung stehenden Mittel müssen ausgeschöpft werden, um die Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen", forderte sie.

Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europaparlament, bezeichnete das Verfahren als "absurd". Die EU selbst habe ein Gesetz in Planung, mit dem ausländischer Einfluss in der Union bekämpft werden solle. "Warum dasselbe in Ungarn jetzt gegen die Meinungsfreiheit verstoßen soll, erschließt sich wirklich niemandem mehr. Oder man kann es auch umgekehrt sehen: Wenn das in Ungarn gegen die Meinungsfreiheit verstößt, dann gilt dasselbe natürlich auch für die EU", so Vilimsky in einer Aussendung. Die EU-Kommission führe einen "richtiggehenden Feldzug" gegen Ungarn. (APA, 7.2.2024)