Es ist das zweite Mal, dass in der US-Präsidentschaft von Joe Biden eine extralegale Tötung von Milizkommandeuren im Irak befohlen und ausgeführt wird. Das erste Mal war Anfang Jänner. In Bagdad gingen am Mittwochabend die Wogen hoch – eine Gruppe von Demonstranten setzte sich in Richtung US-Botschaft in Bewegung –, nachdem in einer belebten Gegend im Osten der Stadt ein Auto aus der Luft abgeschossen worden war. Darin starben zwei hochrangige Mitglieder der Iran-treuen schiitischen Miliz Kataeb Hisbollah, die die USA für den Angriff Ende Jänner auf ihren Militärstützpunkt Tower 22 in Jordanien verantwortlich machten. Dabei wurden drei US-Armeemitglieder (zwei Frauen) getötet und 40 verletzt.

Kurz nach dem Angriff auf das Auto eines schiitischen Milizionärs versammelte sich in Bagdad eine aufgebrachte Menschenmenge.
Kurz nach dem Angriff auf das Auto eines schiitischen Milizionärs versammelte sich in Bagdad eine aufgebrachte Menschenmenge.
AP/Hadi Mizban

Die USA hatten ihre Vergeltungsschläge am vergangenen Wochenende begonnen, dabei sollen laut Pentagon-Angaben 80 Milizenstellungen im Irak und in Syrien getroffen worden sein. Ihrerseits waren die USA seit dem Beginn des Gazakriegs im Oktober selbst mehr als 160-mal angegriffen worden. Am Montag wurden bei einer solchen Milizattacke in Syrien mehrere kurdische Kämpfer der von den USA aufgestellten Syrian Democratic Forces (SDF) getötet.

Die etwa 2.500 US-Truppen sind mit Billigung der Regierung in Bagdad im Irak. Der anhaltende Schlagabtausch bringt Premier Mohammed Shia al-Sudani, der mit den Stimmen des politischen Arms der Milizen Regierungschef wurde, immer mehr in die Bredouille. Die offiziellen Proteste gegen die "Verletzung der irakischen Souveränität" fielen lautstark aus. Der Führer der – auf der US-Terrorliste stehenden – irakischen Miliz Asaib Ahl al-Haq verlangte auf X eine Uno-Sicherheitsratssitzung, um den Abzug der USA aus dem Irak zu diskutieren.

Türkische, iranische Luftschläge

Die irakische Regierung protestierte allerdings ebenso gegen eine Verletzung der Souveränität des Landes, nachdem am 15. Jänner der Iran Luftschläge gegen Ziele in der kurdischen Regionalhauptstadt Erbil durchgeführt hatte. In anderem Zusammenhang – mit der türkisch-kurdischen PKK, die Rückzugsgebiete im Nordirak hat – schlägt auch die Türkei immer wieder zu.

Keine ausländische Präsenz regt jedoch mehr auf als die US-amerikanische. Die Abzugsforderungen wurden erstmals in eine Resolution des Parlaments in Bagdad gefasst, nachdem unter US-Präsident Donald Trump Anfang Jänner 2020 der iranische Revolutionsgardengeneral Ghassem Soleimani und der irakische Milizenführer Abu Mahdi al-Mohandes aus der Luft getötet worden waren. Premier Sudani, der im Oktober 2022 nach einer extrem schwierigen Regierungsbildung das Amt antrat, gelang es ganz gut, die Forderungen zu managen: Er vereinbarte einen strukturierten Dialog mit den USA über deren graduellen Rückzug. Mit dem 7. Oktober, an dem die regionalen Stellvertreter des Iran – wie auch die Hisbollah im Libanon und die Huthi im Jemen – aus Solidarität mit der Hamas ihre Aktionen verstärkten, verschärften sich die Spannungen eklatant.

Nach den USA kam der IS

Die US-Kampftruppen, die 2003 in den Irak kamen, um Saddam Hussein zu stürzen, zogen Ende 2011 wieder ab. US-Präsident Barack Obama, der sich auf die Fahnen heftete, die US-Armee nach Hause geholt zu haben, wurde später von den Republikanern dafür kritisiert: Es ist richtig, dass das Fehlen der US-Truppen den Aufstieg der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) ab 2013 begünstigte. Der IS kontrollierte zu seiner stärksten Zeit 40 Prozent des irakischen Territoriums (und 30 des syrischen).

Aber der Zeitpunkt des Abzugs 2011 war in Wahrheit bereits von Präsident George W. Bush im Jahr 2008 mit den Irakern ausgehandelt worden: Für Obama war es 2011 nicht opportun, das zu erwähnen, und für die Republikaner später nicht, als der IS da war. 2014 stellten die USA ihre internationale Koalition gegen den IS auf und kehrten in den Irak zurück. Das wiederum befeuerte die vom Iran betriebene Verschwörungstheorie, dass der IS von den USA geschaffen oder zumindest genützt wurde, um wieder Truppen in den Irak zu schicken.

Die Befreiung von Mossul aus den Händen des IS – mit US-Luftbombardements, die viele Opfer forderten und die Stadt teilweise in Schutt und Asche legten – jährt sich heuer zum 8. Mal. Dennoch meinen viele Iraker und Irakerinnen, dass die USA weiter bleiben sollten. Erstens ist der IS noch immer aktiv. Und zweitens fürchten die Iran-kritischen Kräfte im Land den US-Abzug, weil sie meinen, dass sich dann der Iran vollends durchgesetzt haben wird. Noch immer sind viele sunnitische oder säkulare Araber der Meinung, dass die USA 2003 den Irak dem Iran "auf einem Silbertablett servierten" (ein Zitat vom früheren Außenminister Saddam Husseins, Tariq Aziz). (Gudrun Harrer, 8.2.2024)