Ein sowjetischer Panzer, der als Monument gedient hatte, wanderte im August 2022 in ein Militärmuseum der estnischen Hauptstadt Tallinn.
Ein sowjetischer Panzer, der als Monument gedient hatte, wanderte im August 2022 in ein Militärmuseum der estnischen Hauptstadt Tallinn.
AP

Zugegeben: Das Schleifen von Denkmälern ist eine heikle Angelegenheit. Wenn Erinnerungen an Vergangene und Vergangenes aus dem öffentlichen Raum entfernt werden sollen, ist es angebracht, Fragen zu stellen: Wird man mit dem Verschwindenlassen im Einzelfall allen historischen Bedeutungsebenen gerecht? Reißt man möglicherweise leichtfertig neue Wunden ins Stadtbild und in die Gedächtniskultur einer Gesellschaft? Und wäre es vielleicht besser, ein Denkmal, das seinen positiven Grundgestus verloren hat, klar zu kontextualisieren, um dadurch Entwicklungen sichtbar zu machen?

Wie auch immer man dazu stehen mag: Wenn Russland nun ausländische Politikerinnen und Politiker, darunter die estnische Premierministerin Kaja Kallas, auf Fahndungslisten setzt, weil sie sich für die Entfernung von Sowjetdenkmälern in ihrer Heimat starkgemacht haben, dann ist der Hintergrund nicht historisches Fingerspitzengefühl, sondern die Illustration des eigenen Herrschaftsanspruchs. Kreml-Chef Wladimir Putin hat den Zerfall der Sowjetunion einmal als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Mit dem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine möchte er diesen vermeintlichen Fehler korrigieren. Dass da vor allem in anderen Staaten, die einst der Sowjetunion einverleibt waren, die Alarmglocken schrillen, ist gut verständlich.

Erinnerung an die Befreier

"Verbrechen gegen die Erinnerung an die Befreier von Nazismus und Faschismus müssen geahndet werden", erklärte Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, zu den aktuellen "Fahndungen". Klar, die Erinnerung an den Kampf gegen den Faschismus soll hochgehalten werden. Doch abgesehen davon, dass Moskau mit seinem Schritt einmal mehr die Souveränität von Nachbarländern infrage stellt, blendet diese Argumentation aus, dass auch viele Ukrainer an jener Befreiung Europas vom Faschismus beteiligt waren. Russland zerstört gerade nicht nur ihre Denkmäler, sondern ihre Städte – und das Leben ihrer Söhne, Töchter und Enkelkinder. (Gerald Schubert, 13.2.2024)