Eine weiße Schale mit rosaförmiger Reis-Rindfleisch-Hybridnahrung
So haben Sie Reisfleisch sicher noch nie gegessen.
Yonsei University

Reisfleisch mal anders – das stand auf dem Programm einer südkoreanischen Forschungsgruppe. Ihr ist es gelungen, im Labor Stammzellen einer Kuh in Reiskörner einzupflanzen und darin heranzuzüchten. Das klingt nach einer ungewöhnlichen Idee, das kombinierte Lebensmittel hätte den Fachleuten zufolge aber interessante Vorteile: Es könnte nicht nur eine nachhaltige Alternative zu konventionellem Fleisch werden, sondern auch eine kostengünstige Proteinquelle.

Das Ganze erinnert entfernt an das Projekt Golden Rice: Vor rund 30 Jahren entwickelten Wissenschafter mit gentechnischen Methoden die Idee einer Reisvariante, die viel Provitamin A enthält, um Mangelernährung weltweit zu bekämpfen. Aufgrund der Vorbehalte gegenüber Gentechnik war das Projekt umstritten. Erst vor gut einem Jahr wurde der leuchtend gelbe Reis erstmals angebaut, auf den Philippinen. Auch beim "Reisfleisch" geht es dem Forschungsteam um nahrhaftere Lebensmittel. Im Gegensatz zum Goldenen Reis wird bei diesem speziellen Laborfleisch aber nichts gentechnisch verändert: In den Reis werden Stammzellen von Muskel- und Fettzellen eines Rinds eingepflanzt. Sein Projekt beschreibt das Team um Bioingenieur Jinkee Hong von der Yonsei University in Seoul nun im Fachjournal "Matter".

Praktisch ist daran: Der Reis stellt ein dreidimensionales Gerüst für die Stammzellen dar. Ein Reiskorn ist porös und liefert gleichzeitig eine Nährbasis für die Stammzellen. In der Petrischale wurde der Reis erst mit Fischgelatine beschichtet, damit die Zellen am Reis haften können. Die Stammzellen wurden anschließend "ausgesät" und wuchsen neun bis elf Tage lang heran. Anschließend wurde der Rindfleischreis gedünstet, um ihn genauer zu untersuchen.

Wie schmeckt's?

Einige Mitglieder des Forschungsteams wagten sich auch an den Geschmackstest des Reisfleischs aus dem Labor, darunter Forschungsleiter Jinkee Hong. Der erste Eindruck war positiv, gar "einzigartig" im Geschmack, sagt der Bioingenieur und beschreibt das Reisfleisch aus dem Labor und dessen Geschmack so: "Es bietet eine Mischung aus der vertrauten Nussigkeit von Reis und einem subtilen Umami-Geschmack." Die deftige Note, aber auch die Textur könne "eine breite Palette an Gaumen ansprechen".

Das Reisfleisch war weniger klebrig und weich als üblicher Reis, sondern eher fest und bröckelig. Auch der Geruch wurde untersucht: Reis mit mehr Muskelzellen erinnerte olfaktorisch stärker an Rindfleisch und Mandeln. Basierte die Probe auf mehr Fettzellen, roch das Ganze eher buttrig und nach Kokosöl. Das hybride Nahrungsmittel habe die Anforderungen der Lebensmittelsicherheit erfüllt und ein geringes Risiko für Lebensmittelallergien, hält das Forschungsteam fest. Hong betont aber, dass der Fokus nicht auf der Kulinarik lag, sondern auf Wissenschaft und Nährwert.

Die Petrischale mit den rosa Fleischreiskörnern steht in einem Labor neben Pipetten.
Wissenschaftliche Aspekte standen bei dem Fleischreis aus der Petrischale im Vordergrund.
Yonsei University

Die Probe im Experiment enthielt um acht Prozent mehr Eiweiß und um sieben Prozent mehr Fett als üblicher Reis. Dieser habe bereits einen hohen Nährwert, sagt Erstautorin Sohyeon Park, aber noch besser sei es, alle Nährstoffe, die man braucht, aus dem Proteinreis zu bekommen. "Er könnte eines Tages als Hilfe bei Hungersnöten dienen, als Militärration oder sogar als Weltraumnahrung."

Günstige Proteine

Dass die Rinderzellen auf dem Reis so gut wachsen würden, hatte Park ursprünglich nicht erwartet. Ein weiterer Vorteil ergebe sich daraus, dass das Laborfleisch weniger Treibhausgase erzeugen würde als die Viehzucht, die viele Ressourcen verschlingt. Pro 100 Gramm an Protein aus Hybridreis werden schätzungsweise weniger als 6,3 Kilogramm CO2 freigesetzt. Bei Rindfleisch liegt dieser Wert bei fast 50 Kilogramm.

Auch der Preis spricht den Fachleuten zufolge für das Reisfleisch aus dem Labor. Sie rechnen vor: Sollte der Hybridreis auf den Markt kommen, könnte er schon für etwa 2,23 US-Dollar pro Kilogramm zu haben sein. Rindfleisch koste hingegen beinahe 14,88 Dollar.

Tatsächlich sieht das Team gute Chancen für die Kommerzialisierung, will die Bedingungen zuvor aber noch optimieren. "Wir glauben, dass diese Forschung faszinierende Diskussionen über die Zukunft der Lebensmittel eröffnet, indem sie tier- und pflanzenbasierte Ernährung auf neuartige Weise zusammenführt", sagt Studienautor Hong. Das Produkt könne "erhebliche Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und die ökologische Nachhaltigkeit haben". Vielleicht klingt es heute noch ähnlich eigenartig wie Nahrung auf Basis von Insekten. Aber in Zukunft ist womöglich auch diese ungewöhnliche Variante von Reisfleisch aus dem Labor eine Überlegung wert. (Julia Sica, 15.2.2024)