In seiner Rede deutete Viktor Orbán eine baldige Ratifizierung von Schweden Nato-Beitritt an.
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Budapest – Der ungarische rechtsnationale Premier Viktor Orbán hat am Samstag in Budapest seine 25. Rede zur Lage der Nation gehalten. Der Auftritt fand inmitten eines Skandals um die Begnadigung eines Pädophilen-Mittäters statt, der eine Welle der Empörung im Land auslöste und Orbán und seine Regierungspartei Fidesz belastet. Orbán äußerte sich erstmals seit dem Rücktritt von Präsidentin Katalin Novák vor einer Woche. Er bezeichnete diesen als "Alptraum, der uns alle getroffen hat".

Novák hatte im vergangenen April den wegen Mittäterschaft verurteilten Unterstützter eines pädophilen Kinderheimdirektors begnadigt. Die Entscheidung wurde Anfang Februar aufgrund eines Medienberichts öffentlich bekannt. Novák und die die Begnadigung gegenzeichnende damalige Justizministerin Judit Varga mussten sich vergangenen Samstag aus der Politik zurückziehen. Die Empörung der Gesellschaft zeigte sich am gestrigen Freitag bei einer Massendemonstration auf dem Budapester Heldenplatz. An dem von Youtubern und Influencern organisierten Veranstaltung für den Schutz der Kinder nahmen mehr als 50.000 Menschen teil.

"Auch gute Menschen können schlechte Entscheidungen treffen"

Das Jahr 2024 habe nicht schlechter anfangen können, begann Orbán seine Rede. Orbán lobte die scheidende Staatspräsidentin Novák, die für Ungarn gearbeitet und gekämpft hätte. Ihr Rücktritt sei zwar richtig, doch zugleich ein großer Verlust für Ungarn. Ihre Entscheidung für die Begnadigung eines wegen Vertuschung pädophilen Straftaten verurteilten Täters sei von der überwiegenden Mehrheit der Ungarn abgelehnt worden. Dabei sei die Aufrechterhaltung der nationalen Einheit die schönste und schwerste Aufgabe des Staatsoberhauptes. Komme diese Einheit aus dem Gleichgewicht, müsse Abhilfe geschaffen werden, betonte Orbán. Dabei habe Novák diese Einheit nicht mehr wiederherstellen können, was ihre Rücktrittserklärung belegt habe. Das könnte nur mit der Wahl eines neuen Staatsoberhauptes geschehen. Über dessen Person machte der Regierungschef in seiner Rede keine Angaben. Orbán kündigte die Stärkung des Kinderschutzes, strengere Regelungen und die Vorbereitung eines neuen Gesetzespakets für Kinderschutz an.

Im Zusammenhang mit der Ex-Justizministerin Varga, die eigentlich als Spitzenkandidatin der Regierungspartei Fidesz bei der kommenden EU-Wahl vorgesehen war, erinnerte der Premier daran, dass sie die Amnestie-Entscheidung gegengezeichnet habe. "Auch gute Menschen können schlechte Entscheidungen treffen." Hinsichtlich der Debatten nach den Rücktritten betonte Orbán mit einem Seitenhieb auf die Opposition: Im kleinen Finger der beiden Frauen sei "mehr Würde als in allen Anführern der Linken".

EU-Mitgliedschaft der Ukraine sei "politischer Fehlgriff"

Doch nun gehe das Leben weiter, betonte der Premier und gestand ein, dass es nicht gelungen sei, das Budgetdefizit niedrig und das Wirtschaftswachstum zu erhalten. Ungarn sei gleichzeitig "nur wenige Jahre von der Energieunabhängigkeit entfernt", verwies er sowohl auf die Errichtung des Kernkraftwerks Paks II. als auch auf das Ausbauprogramm für Solarenergie, "das wie ein durchgegangenes Pferd galoppiert". Im Zusammenhang mit dem Bau der umstrittenen Akkumulatoren-Fabriken in Ungarn versprach Orbán, dass nur solche Betriebe errichtet werden dürften, die den europäischen Normen entsprächen.

Orbán forderte erneut Veränderungen in Brüssel, die erzwungen werden müssten. Er bezeichnete es als "politischen Fehlgriff", dass der Prozess der EU-Mitgliedschaft der Ukraine - wenn auch nur langsam - doch angestoßen worden ist. Dagegen sei die Erweiterung der Europäischen Union durch die Balkanstaaten ins Stocken geraten.

2024 werde in Ungarn erneut ein erfolgreiches Jahr, dabei werde Brüssel immer mehr Probleme verursachen und sich in den "Konflikt der beiden slawischen Völker" hineinstürzen. Mit diesem Ausdruck bezeichnete Orbán die Tatsache, dass Russland die Ukraine überfallen hat und der Krieg bereits zwei Jahre andauert.

Ratifizierung von Schwedens Nato-Beitritt möglich

Im Zusammenhang mit der Ratifizierung der schwedischen Nato-Mitgliedschaft betonte der Premier, das Parlament werde dieser zum Anfang der Frühjahrsperiode zustimmen. Diese nächste Sitzungsperiode beginnt am 26. Februar. Seit der Absegnung der Nato-Mitgliedschaft des skandinavischen Landes durch die Türkei ist Ungarn das einzige Nato-Land, das die Ratifizierung noch nicht durchgeführt hat.

Orbán hinterfragte, ob es in 20 Jahren noch ein Europa geben werde. Dabei stelle die Migration einen Risikofaktor dar, sie sei eine Brutstätte des Antisemitismus. Zuletzt brachte der Premier seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der frühere US-Präsident Donald Trump die kommenden US-Wahlen gewinnt. Trump werde in der östlichen Hälfte Europas für Frieden sorgen, behauptete Orbán. (APA, 17.02.2024)