Qualmender Auspuff eines Autos
Noch stieg in den Diesel-Sammelverfahren kein weißer Rauch auf.
Christian Ohde, via www.imago-im

Im Jahr neun nach Auffliegen des Dieselskandals und fast sechs Jahre nach Klagseinbringung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) könnte in das Sammelverfahren vor dem Handelsgericht Wien Bewegung kommen. Am Donnerstag findet wieder ein Verhandlungstermin statt, und da sollte es im Wesentlichen nur mehr um die Bemessung der Schadenshöhe für die 1491 betroffenen VW-, Audi-, Škoda- und Seat-Besitzer gehen.

Diverse technische Fragen der Abgasmanipulationen wurden in hunderten Einzelverfahren längst geklärt – vom Europäischen Gerichtshof, der von Höchstgerichten wie dem Obersten Gerichtshof in Wien zwecks Klärung von Rechtsfragen angerufen war. So wurde die Abgasmanipulation klar als arglistige Täuschung klassifiziert, das ist sozusagen die zivilrechtliche Form des Betrugs.

Der Streitwert des Verfahrens vor dem Handelsgericht Wien ist mit einer Größenordnung von neun Millionen Euro doch erheblich – auch wenn ein Teil der Fahrzeuge von den Fahrzeughaltern bereits weiterverkauft wurde. Genau genommen geht es im VKI-Verfahren nicht um Schadenersatz, denn eingeklagt wurde im Spätsommer 2018 nicht die Rückabwicklung des Kaufs der Schummeldieselfahrzeuge, sondern ein Minderwert von 20 Prozent. Das war damals ein Novum und juristisch nicht ohne Risiko. Auch diese Frage wurde zwischenzeitlich geklärt.

Nicht weniger als fünf Prozent

Bleibt die entscheidende Frage, wie hoch dieser Minderwert nun tatsächlich bemessen wird. Auch diesbezüglich gaben der OGH und diverse Oberlandesgerichte Richtwerte vor, die eine klare Tendenz erkennen lassen: Es dürfen nicht weniger als fünf Prozent sein, denn so viel bekam selbst ein sogenannter Spätkäufer zugesprochen, also ein Kunde, der einen Schummeldiesel gekauft hatte, obwohl er ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass im Motor eine sogenannte Umschaltlogik eingebaut war, also eine verbotene Automatik, mit der die Abgasrückführung bei bestimmten Temperaturen automatisch ausgeschaltet wird.

Als Obergrenze in Sachen Wertminderung darf ein OGH-Spruch (8 Ob 109/23x) aus dem Jahr 2023 angesehen werden, in dem für einen Fiat 20 bis 30 Prozent Minderung nicht beanstandet wurden.

Ein weiterer Richtwert soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Im Urteil 4 Ob 119/23p wurden einem Fahrzeughalter für seinen Fiat zehn Prozent zugesprochen – obwohl der Schaden durch ein Softwareupdate sanierbar war. Das Höchstgericht stellte lapidar fest, dass ein Kfz mit oder ohne Update um zehn Prozent weniger wert ist. Inzwischen ist auch klar, dass die Updates beim VW-Motor der Baureihe EA189 de facto wirkungslos blieben, weil eine verbotene Abschalteinrichtung durch eine andere ersetzt wurde.

Schadensbemessung

Ob das Handelsgericht trotz dieser Klarheit einen Sachverständigen mit der Schadensbemessung beauftragt, ist offen. Die Richter können laut OGH über die Höhe entscheiden. "Gebrauchtwagenwert oder Wertverlust sind de facto irrelevant", sagt der mit Dieselklagen vertraute VKI-Anwalt Michael Poduschka unter Verweis auf den OGH (10 Ob 46/23x). Jedenfalls zum Minderwert hinzu kommen die Zinsen von vier Prozent pro Jahr, die seit Klagseinbringung 2018 angefallen sind.

Bleibt die No-na-Frage, an der laut OGH kein Weg vorbeiführt: Jeder einzelne Kfz-Käufer muss erklären, ob er das Kfz im Wissen um den drohenden Zulassungsentzug seinerzeit zum selben Preis gekauft hätte. Das würde Massenvorladungen verursachen und die Gerichte monatelang lahmlegen. (Luise Ungerboeck, 21.2.2024)