Der Verfassungsgerichtshof befasst sich demnächst wieder mit Anträgen zum Thema Untersuchungsausschuss.
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Zu Ende, noch bevor er richtig begonnen hat: Geht es nach SPÖ und FPÖ, soll dieses Schicksal den Untersuchungsausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" ereilen. Der von der ÖVP initiierte U-Ausschuss ist bekanntlich eine Art Gegenveranstaltung zum von Rot und Blau ins Leben gerufenen Cofag-U-Ausschuss. Während nämlich Sozialdemokraten und Freiheitliche untersuchen wollen, ob der ÖVP nahestehende Unternehmer bei der Vergabe von Corona-Geldern bevorzugt wurden, will die Volkspartei der Frage nachgehen, ob in einst von SPÖ und FPÖ geführten Ministerien Machtmissbrauch begangen wurde.

Allein: Rote und Blaue halten den im Verlangen der ÖVP formulierten Untersuchungsgegenstand für verfassungswidrig. Nicht zuletzt deshalb, weil der Untersuchungszeitraum enorm weit gefasst ist – er erstreckt sich von 11. Jänner 2007 bis 7. Jänner 2020. Was untersucht werden darf, ist jedoch gesetzlich begrenzt. Es muss sich um "einen bestimmten, abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes handeln".

Gang zum Höchstgericht

SPÖ und FPÖ zogen deshalb noch vor Start der Befragungen Mitte März mit zwei Anträgen gegen den Untersuchungsgegenstand vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Konkret fechten die beiden Oppositionsparteien in ihren Anträgen sogenannte "Bestreitungsbeschlüsse" an: ÖVP und Grüne hatten in einer Ausschusssitzung nämlich ergänzende Beweisanforderungen zu verschiedenen Akten, unter anderem von ÖVP- und Grünen-Regierungsmitgliedern, abgelehnt, im Fachjargon "bestritten". Rote und Blaue halten diese Bestreitungsbeschlüsse für rechtswidrig, und zwar deshalb, weil der gesamte Untersuchungsgegenstand ebenfalls rechtswidrig sei. Nun hat der VfGH nicht nur über die Zulässigkeit der ergänzenden Beweisanforderungen zu befinden, sondern eben auch über die Verfassungskonformität des Untersuchungsgegenstandes.

Die beiden Anträge langten Mitte Jänner beim Höchstgericht ein und stehen auf der Tagesordnung der am Montag startenden Session. Auf Anfrage des STANDARD lässt ein Sprecher wissen, dass geplant sei, dass in der ersten Märzwoche eine Entscheidung in dieser Sache fallen werde.

Warten auf Entscheidungen

Wasser auf ihre Mühlen hatten SPÖ und FPÖ unlängst vom Justizministerium erhalten. Dieses erklärte in einer Mitteilung an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), warum man einer von der ÖVP begehrten Aktenlieferung nicht nachkomme – und zwar auch deshalb, weil man diese Aktenlieferung, die sich auf den fünften Punkt des Untersuchungsgegenstands bezieht, als "verfassungsrechtlich problematisch" sehe.

Mehrere Fraktionen im U-Ausschuss interpretierten das Schreiben so, dass das Justizministerium ebenfalls eine Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsgegenstands erkennt. Im Justizressort will man allerdings lediglich die Aktenlieferung und nicht den fünften Punkt als solchen gemeint haben.

So oder so: Weil sich die beiden beim VfGH anhängigen Anträge unter anderem auch mit dieser Frage befassen würden, sieht sich das Justizressort im Hinblick auf die angeforderten Akten veranlasst, "die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs abzuwarten", wie es in dem Schreiben an Sobotka heißt.

Befangenheit einiger Richter

Im Vorfeld der höchstgerichtlichen Entscheide geistert außerdem die Erzählung herum, wonach sich für einige der Verfassungsrichterinnen und -richter die Befangenheitsfrage in dieser Sache stellen und das Thema aktuell das Höchstgericht beschäftigen würde. Zum einen, weil einige von ihnen durch ihre berufliche Vergangenheit oder durch ihre berufliche Tätigkeit neben ihrer Funktion am Höchstgericht Berührungspunkte zum Untersuchungsgegenstand haben dürften. Zum anderen, weil der U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" unter anderem auch Postenbesetzungen von Regierungsparteien unter die Lupe nehmen will. Vier der 14 Mitglieder und zwei der sechs Ersatzmitglieder wurden nämlich im Untersuchungszeitraum auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt.

Im STANDARD-Gespräch erläutert Verfassungsjurist Heinz Mayer, dass U-Ausschüsse "die Bundesvollziehung durch die Bundesregierung und Bundesminister" kontrollieren und "die Erstellung des Vorschlags zur Ernennung eines Verfassungsrichters ein Akt der Bundesregierung" sei. Deshalb sei die Bestellung von Höchstrichtern ebenso wie andere Postenbesetzungen von U-Ausschüssen, die solche unter die Lupe nehmen, davon umfasst.

Bei genauerem Blick auf den von der ÖVP formulierten Untersuchungsgegenstand zeigt sich allerdings, dass lediglich Postenbesetzungen in der Bundesverwaltung samt Staatsanwaltschaften und ausgegliederten Rechtsträgern untersucht werden sollen. "Da würde ich den Verfassungsgerichtshof nicht umfasst sehen", sagt der Verfassungsexperte Peter Bußjäger zum STANDARD. Andernfalls hätten sich jene, die davon betroffen sind, nach Ansicht Bußjägers aber "für befangen erklären müssen".

Ähnlich sieht man das auch beim Verfassungsgerichtshof: Bestellungen von Höchstrichtern seien "nicht Untersuchungsgegenstand, deshalb kann es in dieser Hinsicht keine Befangenheit geben", lässt man dort wissen. Laut Verfassungsgerichtshofgesetz braucht es für die „Beratung von Anträgen (...) betreffend die Einsetzung und die Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen" jedenfalls den Präsidenten (der außerhalb des Untersuchungszeitraums ernannt wurde) und vier unbefangene Verfassungsrichter, um beschlussfähig zu sein. (Sandra Schieder, 23.2.2024)