Junge Frau liegt mit Laptop auf dem Bett
Studierende müssen im Schnitt 43 Prozent ihres Einkommens für ihre Wohnkosten aufwenden.
Getty Images

Eigentlich schäme sie sich nur selten, "aber das ist mir ehrlich gesagt richtig peinlich", sagt Katharina. Sie ist 25, studiert im Master Umwelt- und Bioressourcenmanagement und wohnt seit einem Jahr wieder bei ihren Eltern. Neben dem Studium arbeitet sie 13 Stunden – trotzdem kann sie sich keine eigene Wohnung leisten.

Eine Studie der Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) und der Arbeiterkammer (AK) Wien zeigt: Studierende müssen im Schnitt 43 Prozent ihres Einkommens für ihre Wohnkosten aufwenden. Das ist mehr als doppelt so viel wie bei der restlichen Bevölkerung, die durchschnittlich 21 Prozent ihres monatlichen Budgets zum Wohnen ausgibt. In Studentenheimen geben Studierende sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen aus. Das liegt daran, dass Studierende in Wohnheimen meist weniger Einkommen zur Verfügung haben. "Wir haben gesehen, dass viele Studierende durch die Teuerung umziehen oder sich eine Mitbewohnerin suchen mussten", meint Dora Jandl, Referentin für Hochschulpolitik bei der Arbeiterkammer Wien. Genaue Zahlen, wie viele Studierende zurück zu ihren Eltern ziehen mussten, gebe es nicht.

Robin Kohrs

Für Katharina und ihre Eltern war das anfangs nur als Übergangslösung gedacht. Davor wohnte sie in einer Wohngemeinschaft, wegen Problemen mit dem Vermieter beschloss sie auszuziehen. Sich eine andere WG zu suchen kam für sie nicht infrage: "Ich glaube, ich tue mir in der Hinsicht relativ schwer, mich auf fremde Leute einzulassen. Mir ist es auch schnell zu laut in WGs." Eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung würde sich mit ihrem Gehalt schon irgendwie ausgehen, meint sie, aber sie hätte dann kaum Geld übrig. Auch weil ihre Eltern sie nicht finanziell unterstützen könnten.

Wohnkosten als Barriere

In einer ähnlichen Situation befindet sich Emilio. Er ist 22 Jahre alt, studiert im Master Philosophie und arbeitet geringfügig. Sein Erspartes hat er während seines Bachelorstudiums in Amsterdam aufgebraucht. Als er vor sechs Monaten zurück nach Wien kam, musste er deshalb wieder zu seinen Eltern ziehen. Sein Vater verlor kürzlich einen von zwei Jobs, für seine Eltern habe es gerade nicht Priorität, ihn beim Studium finanziell zu unterstützen. Da seine Eltern in Niederösterreich wohnen, muss er zum Studieren und Arbeiten jeden Tag nach Wien pendeln. Hohe Wohnkosten würden Menschen den Zugang zu höherer Bildung versperren, findet er: "Ich glaub', da denken sich viele, ich arbeite lieber Vollzeit, als zu studieren."

Auch Jandl sieht die Bildungschancen von jungen Menschen durch die Teuerung beeinträchtigt: "Wenn ich es mir nicht leisten kann, aus der Steiermark nach Wien zu ziehen, weil die Wohnungen dort zu teuer sind, dann fällt damit halt auch das Studium." Entscheidet man sich für das Studium in einer anderen Stadt, braucht man oft schnell eine Wohnung und unterschreibt unvorbereitet den ersten Mietvertrag. Mitunter zahlen Studierende dadurch mehr Miete, als sie müssten. 25 Prozent der befragten Studierenden wussten etwa nicht, dass bei befristeten Verträgen im Altbau Abschläge abgezogen werden müssen – und das, obwohl Studierende überdurchschnittlich oft in befristeten Mietverhältnissen leben. Jandl empfiehlt, Mietverträge unbedingt prüfen zu lassen, etwa von der Arbeiterkammer oder der Mietervereinigung.

"Wenn man die ganze Zeit müde ist und Geldsorgen hat, kann man sich nicht ganz auf die Bildung konzentrieren." – Katharina

Abhängigkeit von den Eltern

Emilio und Katharina erzählen beide, vielen ihrer Freundinnen und Freunden würden die Eltern während des Studiums die Miete zahlen. Die finanzielle Abhängigkeit von den Eltern, von der 59 Prozent der Studierenden betroffen sind, kann auch psychisch belastend sein. Der Leistungsdruck, das Studium schnell abzuschließen, um auf eigenen Beinen stehen zu können, ist oft groß. Gleichzeitig sind fast zwei Drittel neben dem Studium erwerbstätig, eine Doppelbelastung, die überfordern kann. "Wenn man die ganze Zeit müde ist vom Arbeiten und Geldsorgen hat, kann man sich nicht ganz auf die Bildung konzentrieren", kritisiert Katharina. "Ich finde, so sollte Studieren nicht sein."

Robin Kohrs

Ihre Beziehung zu ihren Eltern würde vom Zusammenleben jedenfalls nicht profitieren, meint Katharina: "Ich bin wenig zu Hause, auch weil ich nicht in alte Rollen hineinfallen möchte." Auch für Emilio ist es eine "funktionale Lösung", er sieht aber auch positive Seiten: "Ich muss mich um vieles nicht kümmern, zum Beispiel den Einkauf." Katharina hingegen ist es wichtig zu betonen, dass sie von ihren Eltern nicht "bewirtschaftet" wird. Um ihr Essen kümmert sie sich selbst, wenn sie kocht, dann für alle.

Wohnungsnot bekämpfen

Um die Situation der Studierenden zu verbessern, fordern AK und ÖH die Wiedereinführung der Studierendenheimförderung des Bundes, die 2010 abgeschafft wurde. Dadurch sollen günstige Heimplätze ausgebaut werden können. Außerdem wünschen sie sich Mietzinsbegrenzungen, eine Offensive im geförderten Wohnbau und ein Ende von befristeten Mietverträgen. Auch Katharina und Emilio würden diese Entwicklungen begrüßen. "Ich denke nur nicht, dass das besonders realistisch ist", gibt Emilio zu. Er kann auch nicht nachvollziehen, wieso er keinen Anspruch auf Studienbeihilfe hat. Katharina hat diese verloren, weil sie im Bachelor ein Semester zu lang brauchte.

Sie wünschte sich, es wäre gesellschaftlich weniger stigmatisiert, lange bei seinen Eltern zu wohnen: "Es ist ja nichts Verwerfliches." Das Thema sei mit vielen Vorurteilen behaftet, man werde schnell als unselbstständig oder faul abgestempelt. Dabei stecke oft finanzielle Not hinter der Entscheidung. (Clara Wutti, 19.3.2024)