Muskulöser Athlet
Für immer jung, agil und muskulös: Diesem Traum hängen nicht nur unzählige Menschen an, auch die Wissenschaft versucht, Alterungsprozesse zu stoppen und teils sogar umzukehren.
IMAGO/Norbert Schmidt

Die Anti-Aging-Forschung hat schon einige Jahre auf dem Buckel und eine Reihe interessanter Theorien geliefert. Bei einfachen Modellorganismen, Hefekulturen, Fruchtfliegen und Fischen konnte bereits eindrucksvoll gezeigt werden, dass sich Alterungsprozesse stoppen lassen und sich die Lebensdauer der Organismen mit verschiedensten Methoden bis auf das Doppelte verlängern lässt. Eine auch für den Menschen funktionierende Anti-Aging-Therapie hat sich daraus allerdings bisher noch nicht zwingend ableiten lassen.

Entmutigen lassen sich die Forschungsteams dadurch allerdings nicht. Weltweit forschen unterschiedlichste Gruppen mit verschiedensten Ansätzen, um das Rätsel des Jungbrunnens zu lüften. An der FH Technikum Wien, wo schon seit zwei Jahrzehnten an der Entwicklung künstlicher Gewebe geforscht wird, wird nun ein weiterer interessanter Ansatz verfolgt. Im Kompetenzzentrum Aging Tissue haben Forscher unter der Leitung des Molekularbiologen Gordon Zupkovitz Zellregenerationsmodelle entwickelt, in denen sie zum einen die Zellalterung simulieren und zum anderen den Einfluss von Therapien und Wirkstoffen auf den Alterungsprozess testen können.

Beeinflussbare Alterungsprozesse

Entwickelt wurde dazu ein In-vitro-Zellmodell, in dem Muskelzellen von Mäusen künstlich gealtert werden. Dabei stellte sich heraus, dass die gealterten Zellen ihre Fähigkeit zur Regeneration, das heißt Zellneubildung, so gut wie vollständig verlieren und Stoffe zu produzieren beginnen, die zu chronischen Entzündungen der Gewebe führen. Zwar können die Ergebnisse nicht eins zu eins auf menschliche Gewebe übertragen werden, sagt Zupkovits. "Aber es sind starke Hinweise, dass Prozesse beim Menschen ähnlich ablaufen könnten."

Die gute Nachricht der Aging-Tissue-Forschung: Die Alterungsprozesse in den Muskelzellen sind auch beeinflussbar. So ist etwa Sarkopenie, also Muskelschwund, eine im Alter häufig auftretende Krankheit. Sie betrifft mehr als 50 Prozent aller über 80-Jährigen und kann bis hin zur Immobilität der Patienten und Patientinnen führen. Bisher zeigten Studien nur, dass Sarkopenie durch Muskeltraining beeinflussbar ist.

Gebrechliche Dame mit Pflegerin
Erkrankungen wie Sarkopenie, also Muskelschwund, kann man in jüngeren Jahren durch Muskeltraining bis zu einem gewissen Grad vorbeugen. Im höheren Alter ist dieser Effekt schwer zu erzielen, was mit der Regenerationsfähigkeit der Zellen zusammenhängen könnte.
APA/dpa/Sebastian Gollnow

Menschen, die Zeit ihres Lebens Muskelkraft trainierten, sind etwa in geringerem Ausmaß von Sarkopenie betroffen. Muskelaufbau im hohen Alter funktioniere zwar auch noch, so Zupkovits, aber nicht mehr so gut. Das könnte eben damit zusammenhängen, dass die Regenerationsfähigkeit der Muskelzellen nachlässt und neu gebildete Muskelfasern dünner und kürzer sind sowie mehr Bindegewebe anstatt Muskelzellen produziert wird.

Muskelgewebe verjüngen

Im In-vitro-Modell konnte aber gezeigt werden, dass sich Muskelzellen durch gepulste und energiereiche Stoßwellen sozusagen auf mechanische Weise wieder dazu anregen lassen, mehr neues Muskelgewebe und nicht nur Bindegewebe zu produzieren. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich Alterungsprozesse auch im menschlichen Muskelgewebe durch Stoßwellentherapie nicht nur stoppen, sondern zum Teil auch rückgängig machen lassen, meint Zupkovits.

Ob und wie sich Stoßwellen nun für die Anti-Aging-Behandlung von Muskeln als unterstützende Ganzkörpertherapie einsetzen lassen, sind Fragen, die zukünftige Forschungen klären sollen. "Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg." Dass Stoßwellen positive Auswirkungen auf Gewebe haben können, etwa sogar auf den Herzmuskel nach Infarkten oder die Wundheilung bei Diabetes, wurde bereits in vielen unabhängigen Beobachtungsstudien festgestellt.

Das In-vitro-Zellmodell mit künstlich gealterten Geweben erscheint jedenfalls als eine neue und vielseitig anwendbare Methode, mit der sich auch die Auswirkungen von vielversprechenden Inhaltsstoffen auf die Zellalterung beziehungsweise Zellverjüngung testen lässt, sagt Zupkovits. In den nächsten Monaten stehen im Aging-Tissue-Projekt jedenfalls Testungen von vielversprechenden sekundären Pflanzeninhaltsstoffen auf dem Programm. Allen voran Resveratrol, ein Stoff, der höher konzentriert in roten Beeren oder den Schalen von Weintrauben vorkommt.

Rote Weintrauben
Rote Beeren und auch die Schale von Weintrauben enthalten den Stoff Resveratrol.Dieser wurde und wird immer wieder als Wunderwaffe gegen die Zellalterung gehandelt.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Angebliches Superfood im Test

In den Anfängen der Resveratrol-Forschung waren Forscher noch der Meinung, dass Resveratrol im Rotwein besonders günstig für die Gesundheit sei und negative Auswirkungen von fettem Essen, etwa Cholesterinablagerungen in Gefäßen, kompensieren könnte. Das habe sich allerdings als Trugschluss herausgestellt, sagt Zupkovits. "Um wirksame Resveratrol-Mengen mittels Rotwein zu sich zu nehmen, würden einen die Alkoholmengen schon vergiften."

In Tierversuchen mit Mäusen oder Fischen zeigte Resveratrol aber lebensverlängernde Wirkungen, die unter anderem mit seiner entzündungshemmenden Wirkung zusammenhängen sollen. Ähnlich positive Gesundheitseffekte werden auch dem Curcumin im Kurkuma-Gewürz nachgesagt oder dem Quercetin, das in Kapern oder Zwiebeln vorkommt. "Die Testergebnisse im In-vitro-Zellmodell werden in den nächsten Monaten vorliegen", schließt Zupkovits. (Norbert Regitnig-Tillian, 1.4.2024)