Fotos der entführten Israelis prägen auch in Tel Aviv das Stadtbild.
AP/Ariel Schalit

Wenn man den Aussagen mehrerer US-amerikanischen Vertreter glaubt, steht ein neues Übereinkommen über eine Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas in Gaza kurz vor dem Durchbruch. Doch in Israel winkt man wieder ab: Es gebe noch "tiefe Klüfte" zu überwinden, sagt ein mit den Verhandlungsergebnissen vertrauter Offizieller.

Immer noch befinden sich 134 Menschen, die am 7. Oktober von Terroristen aus Gaza aus Israel verschleppt wurden, im von schweren Kämpfen überschatteten Gazastreifen in der Gewalt der Hamas. Laut aktuellen Schätzungen der Armee sind 33 von ihnen nicht mehr am Leben. Über den Gesundheitszustand der noch lebenden Geiseln ist nichts bekannt.

Neuer Geiseldeal

Meldungen über einen bevorstehenden neuen Geiseldeal sorgten daher für leise Hoffnung unter den Angehörigen der Verschleppten. Laut den von US-Vertretern geleakten Eckdaten eines Rahmenübereinkommens haben sich die Verhandler auf rund sechs Wochen Waffenpause geeinigt. Das sei "der Preis, den wir zu bezahlen bereit sind, um Geiseln zurückzuholen", bestätigt der frühere Militärgeheimdienstler Yossi Kupperwasser.

In einer ersten Etappe sollen alle Frauen, Kinder und Verletzten oder Kranken nach Israel überstellt werden, in einer zweiten Tranche dann männliche Zivilisten, Soldaten sowie die Leichname der verstorbenen Geiseln. Wie viele palästinensische Gefangene im Gegenzug freigelassen werden sollen, ist nicht bekannt – laut Meldungen soll die Hamas in diesem Punkt aber zu Zugeständnissen bereit sein. Dem Vernehmen nach besteht die Terrorgruppe nun nicht mehr darauf, dass auch zu lebenslangen Haftstrafen verurteilte Terroristen freigelassen werden. Der Deal soll aber jedenfalls auch Häftlinge umfassen, die an Terroranschlägen beteiligt waren.

Neue Forderungen

Eine Delegation des israelischen Geheimdienstes Mossad befindet sich derzeit in Katar, um finale Punkte des Deals zu klären. Sie wurden nun mit neuen Forderungen seitens des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu überrumpelt. Dieser erklärte am Sonntag, dass er zu einer Freilassung von Terrorverurteilten nur dann bereit sei, wenn diese nach Katar abgeschoben würden. In Verhandlerkreisen soll diese neue Last Minute-Bedingung für einigen Ärger sorgen, da sie mühsam erkämpfte Erfolge zu gefährden drohe.

Zu jenen Punkten, die in israelischen Kreisen als "tiefe Klüfte" zwischen den Verhandlungspartnern wahrgenommen werden, zählt wohl auch die Frage, wie man die humanitäre Krise im Gazastreifen entspannen könnte. Die USA fordern von Israel, dass mehr Hilfslieferungen nach Gaza zugelassen werden, und zwar auch in die nördlichen Gebiete des Gazastreifens, die derzeit von Hilfe so gut wie abgeschnitten sind. Zudem drängt Washington darauf, dass Binnenflüchtlinge in den Norden Gazas zurückkehren können, um die angespannte Lage im Süden zu entspannen. Bisher hat Israel das verweigert.

Differenzen mit den USA

Während die Differenzen zwischen der Biden-Regierung und Netanjahus Kabinett auch in der Frage der Zukunftslösung im Gazastreifen immer offensichtlicher werden, scheint Washington langsam die Geduld zu verlieren. Auf Druck der USA vollzieht sich im palästinensisch regierten Westjordanland nun ein schleichender Machtwechsel.

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammad Shtayyeh trat am Montag zurück, zugleich sollen auch die übrigen Regierungsmitglieder ihren Amtsverzicht erklärt haben. Laut offiziellen Erklärungen hat Shtayyeh den Schritt ergriffen, um einen breiten Konsens in der Bevölkerung über die politische Entwicklung in Gaza nach dem Krieg zu ermöglichen.

Technokratenkabinett

Wahrscheinlicher ist, dass es Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dem Druck der USA nachgegeben hat. Washington drängt darauf, dass die von der Fatah-Bewegung kontrollierte Palästinensische Autonomiebehörde von Grund auf umgestaltet wird. Ein Technokratenkabinett soll demnach künftig im Westjordanland und in Gaza regieren – als eine Art Vorläuferregierung für einen künftigen palästinensischen Staat. Israel lehnt das ab.

Unbeirrt von einer möglichen Waffenpause im Gazastreifen liefern sich die Terrorgruppen im Libanon und das israelische Militär weiter intensive Kämpfe. Erstmals seit Beginn des Kriegs hat das israelische Militär auch im Osten des Libanon Ziele der Hisbollah-Miliz angegriffen. Bei einem Raketeneinschlag seitens libanesischer Terrorgruppen im Norden Israels wurde am Montag eine Person verletzt. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 26.2.2024)

Israels Kriegskabinett gibt grünes Licht für weitere Verhandlungen
Das israelische Kriegskabinett hat grünes Licht für eine Fortsetzung der Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen und eine Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas gegeben. Wie israelische Medien berichteten, soll eine israelische Delegation dazu in den kommenden Tagen nach Katar reisen
AFP