Ein Posten der international nicht anerkannten Republik Transnistrien an der Grenze zur Ukraine.
Ein Posten der international nicht anerkannten Republik Transnistrien an der Grenze zur Ukraine.
AFP/SERGEI GAPON

Mit Verwirrspielen im großen Stil tut sich Kreml-Chef Wladimir Putin nicht mehr ganz so leicht wie früher: Als russische Truppen vor mittlerweile zwei Jahren die Ukraine überfielen, war es im Westen vorbei mit den Tüfteleien zur Frage, welche Absichten Moskau im ostukrainischen Donbass wirklich hegt. Dort hatten zuvor längst Vertreter der prorussischen "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk das Sagen, die allerdings kurz vor dem Einmarsch im Februar 2022 nicht einmal von Russland anerkannt worden waren.

Die Parallelen zu den aktuellen russischen Drohgebärden gegen die Republik Moldau drängen sich förmlich auf. Auch dort gibt es im Osten mit Transnistrien ein abtrünniges Gebiet, das sich lieber Moskau zuwendet als der prowestlichen Zentralregierung in der Hauptstadt Chişinău. Und auch dort kann Putin zündeln, indem er den "Schutz" der Bewohner Transnistriens zur Priorität erklärt und damit gleich zwei Seiten unter Druck setzt: Moldau selbst und die Ukraine, die er im Fall von verstärkter Truppenpräsenz in Transnistrien auch aus westlicher Richtung bedrohen könnte.

Nachdem der Kreml-Chef sich vor zwei Jahren mit der offenen Aggression gegen die Ukraine selbst demaskiert hatte, gab es für ihn nicht mehr viele Gelegenheiten, die Welt so genüsslich rätseln zu lassen. Wieder fragen sich viele: Wird Russland Transnistrien anerkennen? Steht gar so etwas wie eine "Annexion" auf der Agenda des Kreml? Und wie wahrscheinlich ist es, dass Russland das Separatistengebiet als Basis für Angriffe gegen die Republik Moldau im Westen und eben die Ukraine im Osten nutzt?

Hinkender Donbass-Vergleich

Klar lassen sich der Donbass und Transnistrien nur bedingt miteinander vergleichen. Der wichtigste Unterschied: Transnistrien grenzt nicht an Russland. Putin kann also nicht einfach Truppen und Militärfahrzeuge in die völkerrechtlich zu Moldau gehörende Region fahren lassen, um die nur etwa 1500 russischen Soldaten zu unterstützen, die dort schon heute stationiert sind.

Dennoch ist die Lage für Moldau heikel: Als ehemalige Sowjetrepublik, die – anders als die baltischen Staaten – nicht Mitglied der Nato und der EU ist, erscheint das kleine Land mit seinen 2,5 Millionen Einwohnern besonders gefährdet. Die jüngsten Muskelspiele, konkret der "Hilferuf" aus Transnistrien und das Beistandsversprechen Russlands, haben daran zunächst nicht viel geändert. Genau deshalb ist es richtig, dass Moldau vorerst ruhig bleibt und die Bedrohung nicht hochspielt. Ein Regierungssprecher warnte davor, Moskau in die "Falle" zu gehen.

Seit Juni 2022 ist das militärisch neutrale Land EU-Beitrittskandidat. Als solcher erhält es auch Unterstützung aus Europa – bei der Stärkung der Wirtschaft etwa, bei der Versorgung der vielen Flüchtlinge aus der benachbarten Ukraine und nicht zuletzt bei der Abwehr russischer Destabilisierungsversuche, Cyberattacken und Desinformationskampagnen. Es ist in erster Linie die Hilfe bei der Festigung der demokratischen Gesellschaft Moldaus, zu der sich der Westen weiterhin bekennen sollte. Also: kühlen Kopf bewahren. Sich von Putin nicht provozieren zu lassen heißt nicht, ihn zu verharmlosen. Eher im Gegenteil. (Gerald Schubert, 29.2.2024)