Heinz-Christian Strache ist zwar schon längst nicht mehr FPÖ-Chef, seine einst verfassten Chats sind aber nach wie vor von großem Interesse.
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Möglichen Machtmissbrauch in einst von SPÖ und FPÖ geführten Ministerien – den will die ÖVP in dem von ihr im Alleingang initiierten Untersuchungsausschuss unter die Lupe nehmen. Während der Verfassungsgerichtshof (VfGH) dieser Tage auf Verlangen von SPÖ und FPÖ prüft, ob denn der Untersuchungsgegenstand überhaupt verfassungskonform ist, wurden bereits erste Auskunftspersonen geladen und Akten geliefert.

Ein fast 200 Seiten starkes Papier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erreichte am Mittwoch die Fraktionen im U-Ausschuss und liegt dem STANDARD vor. Darin finden sich auch über weite Strecken geschwärzte Chatnachrichten des früheren FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache mit seinen damaligen engsten Mitstreitern. Straches Handy wurde im Zuge der durch das im Mai 2019 publik gewordene Ibiza-Video eingeleiteten Ermittlungen gegen ihn einkassiert. Zahlreiche Nachrichten daraus wurden bereits in den vergangenen Jahren publik und sorgten teils für helle Aufregung.

Nun erreichte den U-Ausschuss neues, wenngleich strafrechtlich nicht relevantes Material. Die Chatnachrichten geben einen weiteren tiefen Einblick in Korrespondenzen aktueller und ehemaliger Parteigranden während der türkis-blauen Koalition. Darin geht es etwa um Unmut über Identitären-freundliche Berichterstattung in der FPÖ nahestehenden Medien, Inseratenboykotts, die Abschaffung der GIS-Gebühr und ein geplantes Treffen mit russischen Beamten.

Info-Direkt "dunsten lassen"

Längst vergangen sind die Zeiten, in denen die FPÖ um Abgrenzung von der Identitären Bewegung bemüht war. Als man noch in einer aufrechten Koalition mit der ÖVP auf Bundesebene war, war die blaue Parteispitze darauf bedacht, den Kuschelkurs mit Rechtsextremen hintanzuhalten. Für Unmut beim damaligen Regierungskoordinator, späteren Strache-Nachfolger an der Parteispitze und nunmehrigen Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer sorgte deshalb im April 2019 etwa ein Jubelbericht auf "Unzensuriert", einem Medium, das der FPÖ nahesteht. "Das ist so ärgerlich!!!! Die beschimpfen uns und werden dann noch hofiert", schreibt Hofer in einer Chatgruppe unter anderem mit Strache. "Absurd!!!!", erwiderte dieser.

"Zur allgemeinen Beruhigung" schreibt schließlich Generalsekretär Christian Hafenecker, dass der Bericht ohnehin nur fünf Minuten online gewesen und "sofort rausgenommen" worden sei.

Von einer "weiteren Front", die "aufbricht", berichtet Hafenecker einen Tag später. "Angeblich kommunizieren Ministerien zum Beispiel dem 'Wochenblick', dass es bis auf weiteres keine Inserate mehr gibt", berichtet dieser. "Das halte ich für kontraproduktiv, weil wir sie damit auch stigmatisieren." Und: "Auch ein wenig journalistische Freiheit werden wir aushalten. Ich bitte wirklich darum, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten und es uns nicht mit den wenigen patriotischen Medien zu verscherzen."

Strache reagiert darauf und erteilt die Anweisung, "die freien Medien" – er meint damit "Wochenblick", "Unzensuriert" und "Alles Roger", nimmt aber "Info-Direkt" davon aus – "bitte nach wie vor mit Inseraten betreuen", "aber auch die Inhalte dort müssen sich rasch im Sinne der FPÖ wieder finden". "Die jetzt vor der EU-Wahl zu verprellen wäre ein Schuss ins Knie", schreibt Hafenecker. Info-Direkt "lassen wir jetzt einmal dunsten". Strache scheint das zu gefallen: "Genau!"

Hofer informiert daraufhin: "Soviel ich weiß, inserieren nicht alle unsere Regierungsmitglieder dort." Hafenecker bekräftigte schließlich: "Ich werde das kommunizieren." Und man dürfte sich nicht von "Kurz (Sebastian, damaliger Kanzler, ÖVP, Anm.) ausrichten lassen, wo wir inserieren können und wo nicht". Hofer appelliert daraufhin einmal mehr, dass Medien, die für die Identitäre Bewegung schreiben, nicht unterstützt werden dürfen – von Strache erhält er dafür Zustimmung. "Medien, welche gegen die FPÖ schreiben und für IB (Identitäre Bewegung, Anm.), bekommen jedenfalls keine Inserate!"

"Zur FPÖ-Beschimpfung" bei Fellner

Einige Tage später zeigt sich Strache verärgert – diesmal über Medienmanager Wolfgang Fellner. Dieser würde trotz gegenteiliger Zusagen weiterhin den 2007 von der FPÖ zum BZÖ gewechselten Ewald Stadler zu TV-Diskussionen "zur FPÖ-Beschimpfung" auf oe24 einladen. "Und wenn er (Fellner, Anm.) dann wieder vorstellig werden sollte, sollten wir ihm klarmachen, dass wir ihn nicht mit Inseraten füttern, damit er permanent vorbestrafte FPÖ-Hasser einlädt und gegen uns anschreibt."

"Sehr gut!", antwortet der damalige Generalsekretär Harald Vilimsky. Schon wenige Tage später dürften sich die Wogen wieder geglättet haben. "Bitte weiter bei Fellner schalten. Wir haben es geklärt! Er kommt uns entgegen!", schreibt Strache.

Strache selbst hat sich am Donnerstag im Ö1-"Mittagsjournal" zu den neu angelieferten Chats folgendermaßen geäußert: Der FPÖ stehe es frei, dort zu inserieren, wo sie es für sinnvoll halte. Es habe sich auch nicht um Regierungsinserate, sondern um welche der Partei gehandelt.

Im ORF "muss wer rausgeschmissen werden"

Auch über ein blaues Lieblingsthema – den ORF und die mittlerweile durch eine Haushaltabgabe ersetzte GIS-Gebühr – findet im Jänner 2019 reger Austausch statt. Thema zwischen Strache, Hofer und Vilimsky ist die von ÖVP und FPÖ in Sidelettern zum Koalitionspakt vereinbarte Abschaffung der Gebühr. Auch der nunmehrige Parteichef Herbert Kickl ist Mitglied in der Gruppe, beteiligt sich aber nicht an der Unterhaltung.

Strache pocht mehrfach darauf, dass die GIS-Gebühr "ohne Hintertür" abgeschafft werden muss. Vilimsky verweist darauf, dass unter anderem die schwarzen Landeshauptleute "sehr stark" in der Sache blockieren würden, weil sie im Falle einer Abschaffung der Gebühr "um ihre Landeskulturabgaben umfallen würden". "Das kann niemand blockieren", erwidert Hofer und erinnert an den Sideletter. Schließlich einigt man sich darauf, Druck aufzubauen zu wollen. "Und unsere Wähler erwarten da von uns eine Durchsetzung", das sei "ein FP-Kernthemenversprechen", schreibt Strache.

Auch bereits bekannte Chats finden sich in den Unterlagen wieder – etwa über blaue Personalvorstellungen im ORF. "Ohne Personelles (ORF-Reform) wird trotzdem kein einziger FP-Beitrag objektiver oder freundlicher werden! Dazu muss wer rausgeschmissen werden!!!!", schreibt Strache. Und: "Wrabetz (Alexander, damaliger Generaldirektor, Anm.) muss gehen". Hofer sekundiert und schreibt: "Wrabetz kann nicht bleiben."

Treffen mit russischen Beamten "wird vorbereitet"

Strache hat außerdem offenbar ein österreichisch-russisches Beamtentreffen geplant. Aus Nachrichten zwischen ihm und seinem einstigen Generalsekretär Roland Weinert geht hervor, dass es aus Russland den Wunsch nach einem solchen Treffen gab.

"Russland" würde um einen "Gedankenaustausch mit jungen Beamten in Österreich" ersuchen, "über die Verwaltungsakademie muss hier ja etwas möglich sein", schrieb Strache im April 2019. Weinert antwortete daraufhin, einen Anruf getätigt zu haben und: "Wird vorbereitet. Wir werden uns treffen."

Die FPÖ hatte am 19. Dezember 2016 bekanntlich einen "Freundschaftsvertrag" mit Wladimir Putins Partei "Einiges Russland" unterschrieben. Darauf angesprochen beteuerten Vertreter der Partei in den vergangenen Jahren immer wieder, dass dieser mittlerweile gekündigt worden sei. Tatsächlich ist es aber so, dass die FPÖ im Juni 2021 eine Kündigungsfrist hat verstreichen lassen, weshalb die auf fünf Jahre geschlossene Vereinbarung zumindest formal bis Ende 2026 verlängert wurde.

Sollte der VfGH den Untersuchungsgegenstand des U-Ausschusses für verfassungskonform erklären, könnten dort schon bald weitere Chats, nicht nur von Strache, einlangen. Der Entscheid des Höchstgerichts wird für kommende Woche erwartet. (Sandra Schieder, 29.2.2024)