Im für U-Ausschüsse errichteten Lokal 1 im Parlament wird in den nächsten Wochen und Monaten einiges los sein.
APA/HANS KLAUS TECHT

Es ist ein denkbar kurzes Zeitfenster für ausführliche Befragungen und tiefgehende Untersuchungen: Jeweils sechs Tage und ein Reservetag zwischen Anfang März und Ende Mai stehen den beiden diese Woche startenden Untersuchungsausschüssen zur Verfügung.

Kein Wunder also, dass ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger bereits einräumte, dass es sich zeitlich wohl nicht ausgehen werde, alle Auskunftspersonen, die er gerne im U-Ausschuss befragen würde, auch tatsächlich zu laden. Noch im Jänner hatte Hanger eine prominent besetzte Wunschliste mit 35 Namen vorgelegt. Realistisch ist, dass an sechs Befragungstagen maximal 18 Personen aussagen – und die wiederum darf nicht allesamt die ÖVP allein bestimmen, schließlich haben auch die anderen Fraktionen das Recht, Auskunftspersonen zu laden.

Die Volkspartei will bekanntlich in dem von ihr initiierten U-Ausschuss einen möglichen "Machtmissbrauch" in einst von SPÖ und FPÖ geführten Ministerien untersuchen. Konkret will sie der Frage nachgehen, ob von Sozialdemokraten oder Freiheitlichen "öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes zweckwidrig verwendet wurden".

Der von SPÖ und FPÖ einberufene U-Ausschuss wiederum widmet sich der Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag). Konkret wollen Rote und Blaue untersuchen, ob der ÖVP nahestehende Unternehmer bei der Auszahlung von Hilfsgeldern, aber auch in Steuerangelegenheiten bevorzugt wurden. Im Kern geht es um die Frage, ob hierzulande eine Art "Zweiklassenverwaltung" existiert, in der etwa Milliardäre mit den richtigen politischen Verbindungen besser behandelt werden.

Angesichts des zeitlich engen Korsetts gilt nicht nur, die wirklich wesentlichen Auskunftspersonen zu laden, sondern auch thematische Fokussierung ist oberste Prämisse. Welche konkreten Themen wollen die Parteien in den beiden U-Ausschüssen unter die Lupe nehmen? Der STANDARD hörte sich unter den Fraktionsführern um.

ÖVP: Blaue Finanzaffäre und Gusenbauers Signa-Job

Vom "größten Parteifinanzskandal der Zweiten Republik" spricht ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger, wenn es um die steirische FPÖ-Finanzaffäre geht. In Graz sollen fast zwei Millionen Euro an Klubgeldern in die Taschen blauer Politiker geflossen sein. Im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" will die ÖVP diese Causa eingehend untersuchen.

Allein: Die Volkspartei ist bislang daran gescheitert, die Akten dazu anzufordern. Weil die Causa nicht in die Vollziehung des Bundes fällt – was Voraussetzung für Untersuchungen in U-Ausschüssen ist –, verweigert das Justizressort die Lieferung. Aufgeben will Hanger aber nicht, der noch einen anderen Hebel sieht: Laut ihm gibt es nämlich aufklärungswürdige "Ermittlungspannen", die sehr wohl im U-Ausschuss thematisiert werden können. Klappt das nicht, will er sich ganz auf das "System Kickl" im Innenressort – der FPÖ-Parteichef war dort einst Minister – konzentrieren und Beschaffungen, Personalentscheidungen und dergleichen mehr beleuchten.

Im Cofag-U-Ausschuss will die ÖVP hingegen die Verbindungen von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) zu René Benko, für dessen in die Pleite gerutschte Signa er direkt nach seiner Zeit in der Politik viele Jahre tätig war, untersuchen.

SPÖ: Verbotene Steuerdeals und Auftragsvergaben

René Benko, der der Finanz zwölf Millionen Euro an Umsatzsteuer schuldet, und Siegfried Wolf, der in einem Ermittlungsverfahren als Beschuldigter geführt wird, weil ihm durch einen verbotenen Deal mit einer Finanzbeamtin ein Steuernachlass gewährt worden sein soll: Die SPÖ will ihren Fokus im Cofag-U-Ausschuss auf Steuerangelegenheiten von Milliardären und den Umgang damit im ÖVP-geführten Finanzministerium beleuchten.

"Wir werden uns anschauen, ob es eine Zweiklassenverwaltung gab und der ÖVP nahestehende Milliardäre besser behandelt wurden als alle anderen", sagt Fraktionsführer Kai Jan Krainer. Im U-Ausschuss zu Wort kommen lassen will dieser auch jene Finanzbeamte, "die sich geweigert haben, bei diesem System mitzuspielen und deshalb politischem Druck ausgesetzt waren".

Auch an den Untersuchungen im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" will sich die SPÖ laut Fraktionsführerin Eva-Maria Holzleitner "konstruktiv beteiligen". Beleuchten wolle sie etwa Auftragsvergaben in einst FPÖ-geführten Ministerien. Dass Parteichef Herbert Kickl als Innenminister etwa in vier Kugelschreiber für 803 Euro investiert habe, sei da "nur eine Kleinigkeit – sinnbildlich für etwaige weitere Vergaben".

FPÖ: Cofag-Entscheidung und ÖVP-Machtmissbrauch

Der FPÖ wird es im Cofag-U-Ausschuss vor allem um die Klärung der politischen Verantwortung gehen – und zwar für die Entscheidung, die milliardenschweren Entschädigungszahlungen über die Cofag abzuwickeln. Fraktionsführer Christian Hafenecker spricht von "fatalen Folgen", die diese gehabt habe, und meint damit etwa "fehlenden Rechtsanspruch für die betroffenen Betriebe, eine Insolvenzwelle aufgrund nach wie vor unerledigter Auszahlungen und die im Rahmen dieses Willkürkonstrukts mühelos mögliche Bevorzugung politischer Freunde".

Harsche Kritik am Konstrukt kam auch von SPÖ, Neos, Rechnungshof, EU-Kommission und schließlich vom Verfassungsgerichtshof, der dieses als verfassungswidrig aufgehoben hatte.

Im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" wird es den Freiheitlichen darum gehen, den Machtmissbrauch jener Partei offenzulegen, die während des gesamten Untersuchungszeitraums die Konstante in der Regierung war: der ÖVP. "Dort muss man nach Machtmissbrauch nicht lange suchen und nicht – so wie es die ÖVP macht – durch seltsame Verrenkungen und Verbiegungen der Geschäftsordnung Dinge in den U-Ausschuss ziehen, die dort nichts zu suchen haben", sagt Hafenecker.

Grüne: Benkos Steuercausa und ÖVP/FPÖ-Kassenreform

Die Grünen wollen im Cofag-U-Ausschuss den Fokus auf René Benko und seine in die Pleite gerutschte Signa legen. "Was wir bereits wissen, ist, dass Benko sich mit Glanz und Glamour über Gesetze erhoben hat, insbesondere Steuergesetze", sagt Fraktionsführerin Nina Tomaselli. Im ÖVP-geführten Finanzministerium habe er hierfür "willfährige Unterstützer gefunden". Der aktuelle Wissensstand sei laut Tomaselli "nur die Spitze des Eisbergs".

Im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" wollen die Grünen die Fusion der Sozialversicherungsträger unter Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) thematisieren. Die Reform habe einem Rechnungshofbericht zufolge 215 Millionen Euro an Mehrkosten verursacht. "Eine Patientenmilliarde wurde versprochen, ein Millionengrab ist daraus geworden", sagt Fraktionsführerin Meri Disoski.

Allerdings konnte der Rechnungshof viele Akten nicht einsehen, weil diese als "Privatakten" versiegelt dem Staatsarchiv übergeben wurden. Hartinger-Klein habe "noch versucht, die Sache zu vertuschen", man werde aber "nicht zulassen, dass Gras über die Sache wächst". Ein Antrag auf Einsicht in die versiegelten Akten haben die Grünen bereits gestellt.

Neos: Sonderbehandlungen und Korruptionsaffären

Auch die Neos haben ihre Themen bereits gefunden: Inhaltlich wollen die Pinken im Cofag-U-Ausschuss das Finanzamt Innsbruck und den Umgang der Finanzverwaltung mit Unternehmer René Benko unter die Lupe nehmen. Dies deshalb, weil die in die Pleite gerutschte Signa 2018 ihren Firmensitz während einer Steuerprüfung von Wien nach Innsbruck verlegt hatte. Das hatte zur Folge, dass das Finanzamt Innsbruck die Steuerprüfung von Wien übernommen hatte, obwohl die Zentrale der Signa weiterhin in Wien war.

Hierzu gebe es "haarsträubende" Berichte aus dem Finanzamt Innsbruck, deutete Fraktionsführer Yannick Shetty an. Er spricht von einer möglichen "Sonderbehandlung", denn "dort steht der Verdacht im Raum, dass besonders krass galt: Es zählt, wen du kennst, und nicht, was du kannst."

Im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" will Shetty, dass "insbesondere die FPÖ, die besonders laut ,Haltet den Dieb‘ brüllt", sich einer "kritischen Aufarbeitung der diversen Korruptionsverfahren stellt". Im Zusammenhang mit dem steirischen Finanzskandal wolle er sich "genau ansehen, inwiefern Parteichef Herbert Kickl selbst in die mutmaßliche Selbstbereicherung auf Kosten der Steuerzahler involviert war". (Sandra Schieder, 5.3.2024)