Ex-Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) bei einer Pressekonferenz während ihrer Amtszeit.
Die ehemalige Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) soll als Auskunftsperson in den U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" geladen werden.
imago images / CHROMORANGE

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker konnte es im Vorjahr gar nicht schnell genug gehen: Ein neuer Untersuchungsausschuss solle "relativ bald im Herbst" beginnen, forderte er. Der rasche Start sei deshalb nötig, weil "sonst wird in der ÖVP wieder der große Schredder angeworfen", bevor man Akten bestellen könne.

Doch auch im Auftrag der Freiheitlichen dürfte die Schreddermaschine bereits bedient worden sein. Das geht aus Unterlagen hervor, die dem U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" übermittelt wurden und dem STANDARD vorliegen. Geschehen sein soll das nach dem Platzen der türkis-blauen Regierung im Jahr 2019 im damals FPÖ-geführten Gesundheitsministerium unter Beate Hartinger-Klein.

Aus einer Mail eines Beamten des Ministeriums vom 27. Mai 2019 an zwei seiner Ministeriumskollegen geht hervor, dass dieser eine Kabinettsmitarbeiterin Hartinger-Kleins kontaktiert habe, "um Papierunterlagen unter Verschluss in Archivschachteln ans Staatsarchiv zu verpacken". Und: "Dabei stellte sich heraus, dass sämtliches Papier der Büros im Kabinett der FBM (Frau Bundesminister, Anm.) im großen Stil vernichtet wurde. (Datenschutzcontainer entsorgt)", heißt es in der Mail. Ausnahme seien nur "ELAK-Datenbestände", also elektronische Akten, gewesen, die auch an das Staatsarchiv übergeben worden seien. Der Beamte habe außerdem "vernommen", dass der Büroleiter des Kabinetts eigens im Archiv angerufen habe, um diesem mitzuteilen, "dass keine physischen Unterlagen unseres Ressorts zu erwarten sind".

Kassenreform als "Privatakten"

Das birgt auch insofern Brisanz, als die Grünen im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" die Fusion der Sozialversicherungsträger unter Hartinger-Klein thematisieren wollen. Allerdings konnte der Rechnungshof viele Akten nicht einsehen, weil diese laut Ministerium am 22. Mai 2019 als "Privatakten" versiegelt dem Staatsarchiv übergeben worden sein sollen – und so für 25 Jahre gesperrt sind.

Hartinger-Klein habe "noch versucht, die Sache zu vertuschen", man werde aber "nicht zulassen, dass Gras über die Sache wächst", sagte Grünen-Fraktionsführerin Meri Disoski vor wenigen Tagen dem STANDARD. Auch einen Antrag auf Einsicht in die versiegelten Akten haben die Grünen bereits gestellt – wenngleich dieser wenig Erfolgschancen hat. Denn: Nur die Ex-Ministerin oder eine Person ihres Vertrauens könnte die Öffnung veranlassen. Fraglich ist außerdem, ob diese angesichts der Schredderaktion überhaupt vollständig dort vorhanden sind.

Die Reform habe einem Rechnungshofbericht zufolge 215 Millionen Euro an Mehrkosten verursacht. "Eine Patientenmilliarde wurde versprochen, ein Millionengrab ist daraus geworden", sagt Disoski. Sie will Hartinger-Klein als Auskunftsperson im U-Ausschuss sehen: "Es gibt eine Person in dieser Republik, die Licht ins Dunkel bringen kann, das ist Beate Hartinger-Klein." Diese müsse dem U-Ausschuss "Rede und Antwort stehen, wie man zu dieser Rechnung gekommen ist".

Keine Sanktionsmöglichkeiten

Dieser Anlassfall war es auch, weshalb sich zuletzt alle Parteien für eine Reform des Bundesarchivgesetzes offen gezeigt hatten. Denn derzeit habe das Staatsarchiv trotz der Lieferungspflicht keinerlei Sanktions- oder Zugriffsmöglichkeiten, wenn eine Ministerin oder ein Minister Akten als privat deklariert oder Akten gar nicht liefert.

Denn die Ministerien selbst entscheiden, was sie an das Staatsarchiv übergeben. Sind die Unterlagen einmal übermittelt, sind sie bestens geschützt. Denn 25 Jahre lang darf niemand Einblick nehmen, nicht einmal das Staatsarchiv selbst. Die Öffentlichkeit erhält überhaupt erst 30 Jahre nach Übergabe der Dokumente Einblick. (Sandra Schieder, 5.3.2024)