René Benko war rund um seine Signa-Gruppe lange höchst aktiv. Aber war er auch faktischer Geschäftsführer? Diese Frage beschäftigt derzeit Insolvenzverwalter.
APA/HELMUT FOHRINGER

In seinen Aussagen war Signa-Investor Hans Peter Haselsteiner vor rund einem Monat ziemlich eindeutig: Obwohl René Benko schon lange keine offizielle Funktion mehr im Immobilienkonzern innehatte, habe er "die Zügel in der Hand gehabt", erklärte Haselsteiner in einem Interview mit dem ORF. Er habe "seine Mitarbeiter und Geschäftsführer angewiesen" und sei "verantwortlich wie ein Geschäftsführer".

Haselsteiners Aussagen kommen nicht von ungefähr. Wer faktischer Geschäftsführer eines Unternehmens ist, haftet auch wie ein Geschäftsführer – selbst wenn er keine offizielle Funktion ausübt. In den zahlreichen Signa-Insolvenzverfahren wird Benkos Rolle deshalb intensiv geprüft werden. Aber wann spricht man überhaupt von faktischer Geschäftsführung? Und welche Folgen hat das?

Frage: Wann wird eine Person zum faktischen Geschäftsführer?

Antwort: Wenn sie wie ein Geschäftsführer auftritt und den offiziellen Geschäftsführer weitgehend verdrängt bzw. zum bloßen Strohmann degradiert. "Es muss ein nachhaltiger und dauerhafter Einfluss auf die Geschäftsführung gegeben sein", sagt Magdalena Nitsche, Rechtsanwältin bei Dorda. "Wenn der Gesellschafter einer GmbH seinen Geschäftsführern regelmäßig Weisungen erteilt, würde das noch nicht reichen. Voraussetzungen wäre, dass der formal bestellte Geschäftsführer de facto entscheidungsunfähig wird."

Frage: Wie beweist man die "faktische Geschäftsführung"?

Antwort: Entscheidend ist zum einen der Außenauftritt des faktischen Geschäftsführers – also ob er öffentlich für das Unternehmen Stellung nimmt oder Verträge verhandelt. Zum anderen geht es um die Geschäftsgebarung im Inneren. "Hier würde sich das Gericht Unterlagen ansehen und Zeugen befragen", erklärt Nitsche.

Frage: In welchen Fällen ist die faktische Geschäftsführung relevant?

Antwort: Vor allem in Haftungsfällen – also wenn Geschädigte Schadenersatz einklagen. Im Fall einer Insolvenz können zum Beispiel Ansprüche entstehen, wenn das Verfahren zu spät eingeleitet wird. "Wenn ich als – faktischer – Geschäftsführer eine Insolvenz verschleppe, hafte ich für den Schaden, der meinen Gläubigern dadurch entsteht", sagt Nitsche. Der Schaden könne zum Beispiel darin liegen, dass die Gläubiger aufgrund der Verzögerung statt einer Quote von 50 Prozent nur noch 20 Prozent ihres verborgten Geldes zurückbekommen. "Für die Differenz haften Geschäftsführer und faktische Geschäftsführer, und zwar unbeschränkt. Das kann in der Praxis in die Millionenhöhe gehen", erklärt Nitsche. Auch gängige Versicherungen seien dafür kein Allheilmittel, weil diese bei wissentlicher Pflichtverletzung oder Vorsatz jedenfalls aussteigen.

Frage: Wo hat die faktische Geschäftsführung sonst noch Auswirkungen?

Antwort: Geschäftsführer haften persönlich etwa auch dafür, dass Steuern und Abgaben rechtzeitig und vollständig abgeführt werden, erklärt Nitsche. "Hier kann die Haftung auf faktische Geschäftsführer ausgedehnt werden." Dazu kommt die strafrechtliche Komponente. Relevant ist diese vor allem bei Delikten, die mit Insolvenzen im Zusammenhang stehen, zum Beispiel die grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen. Hier kann sich nicht nur der formell bestellte, sondern auch der faktische Geschäftsführer strafbar machen.

Frage: Wer entscheidet, ob eine faktische Geschäftsführung vorliegt?

Antwort: Im Fall einer Insolvenzverschleppung werden die Schäden der Gläubiger gesammelt vom Insolvenzverwalter geltend gemacht. Der Verwalter kann sich überlegen, ob er die formal bestellte Geschäftsleitung in Anspruch nimmt oder/und jene Person, hinsichtlich derer eine faktische Geschäftsführung naheliegt. Klagt er den faktischen Geschäftsführer, würde vor Gericht zunächst geklärt werden, ob die faktische Geschäftsführung tatsächlich vorliegt. In einem zweiten Schritt ginge es dann um die Ansprüche selbst. Im Strafrecht wäre das ähnlich, erklärt Nitsche. Zunächst würde die Staatsanwaltschaft darüber entscheiden, gegen wen ermittelt wird. In weiterer Folge wäre die Frage vor Gericht zu klären. (Jakob Pflügl, 11.3.2024)