Es ist bemerkenswert, was sich da seit Wochen rund um die Einführung des Digital Markets Act (DMA) der EU abspielt. Ausgerechnet Apple, also jenes Unternehmen, das ansonsten wie kein zweites auf das eigene Image bedacht ist, agiert derzeit geradezu verblüffend unprofessionell. Nicht wie ein mehrere Billionen schwerer Konzern, sondern wie ein trotziges Kind, das nicht so recht akzeptieren will, dass es Spielregeln gibt, die man nicht allein bestimmt.

Irritierende Stellungnahmen

Begonnen hat alles mit der ersten Information des Konzerns zur eigenen Umsetzung des DMA. Schon diese war von passiv-aggressiven Seitenhieben auf die EU-Regulierung geradezu durchsetzt. Vom Bestreben allen, aber wirklich allen klarzumachen, dass man auf die Umsetzung so gar keine Lust hat. Es gehe darum, die Nutzerinnen und Nutzer vor den Auswirkungen des DMA auf ihre Sicherheit und Privatsphäre zu schützen, hieß es darin etwa. Anders gesagt: Bitte bei der EU beschweren, die euch das eingebrockt hat, liebe Userinnen und User.

Symbolbild: Apple, im Hintergrund eine verwunderte EU.
IMAGO/Anastasiya Amraeva

Dazu passt dann die Art der Umsetzung. Apple hat sich eine Fülle von Auflagen und Gebühren einfallen lassen, die sehr offensichtlich nur ein Ziel verfolgen: zu verhindern, dass diese neuen Möglichkeiten auch irgendwer nutzt.

Hindernisse aufstellen

Nun war natürlich nicht zu erwarten, dass Apple plötzlich die neue Offenheit zelebriert. Was aber wirklich irritiert, ist, dass sich bei Apple in der offensichtlichen Begeisterung über die eigenen Tricksereien offenbar niemand die Frage stellt, wie das eigentlich bei der Gegenseite ankommt. Dass so ein unverhohlener Versuch, den Gedanken der Regulierung zu unterlaufen, sowohl bei anderen Unternehmen als auch vor allem bei der EU ziemlich viel Ärger auslöst, den man eigentlich so ganz und gar nicht brauchen kann.

Das zeigt sich auch gut an einem anderen Beispiel, der Episode mit den Progressive Web Apps (PWAs). Ohne das irgendwie vorab bekanntzugeben, wollte Apple parallel zur "Öffnung" für alternative App-Stores die Unterstützung für PWAs streichen. Öffentlich wurde das erst, nachdem Nutzer der Betaversion diese Änderung bemerkt hatten und Apple das auf Nachfragen irgendwann eingestanden hatte. Leider ginge das nicht anders, da durch die Zulassung anderer Browser-Engines – auch das eine Konsequenz des DMA – neue Sicherheitsrisiken entstehen würden.

Von Kehrtwenden und Retourkutschen

Eine öffentliche Aufregung sowie eine umgehend eingeleitete Untersuchung der EU später ging es dann plötzlich doch. Apple machte also einen Rückzieher, PWAs wurden einfach auf die eigene Rendering Engine Webkit beschränkt, womit sich an der Sicherheitslage exakt gar nichts ändert. Jetzt mal ganz abgesehen von der mehr als zweifelhaften Behauptung, dass Webkit die sicherste Browser-Engine der Welt ist, stellt sich vor allem eine Frage: Wozu das alles?

Es ist unwahrscheinlich, dass bei Apple nicht vorher schon jemand auf die Idee gekommen ist, das genau so zu lösen, wie es jetzt erst nach dem öffentlichen Aufschrei passiert ist. So wirkt die ursprüngliche Streichung der PWAs eher als Retourkutsche für die aufgezwungene App-Store-Öffnung denn als technische Entscheidung.

Verständlicher wird das Ganze, wenn man den Hintergrund kennt: Apple hat PWAs immer nur äußerst widerwillig und mit großen Verzögerungen zu anderen Browserherstellen unterstützt. Öffentliche Erwähnung fanden sie durch Apple ohnehin nur, wenn es galt, sie in der politischen Debatte zu instrumentalisieren. Kam mal wieder Apples iPhone-App-Store-Monopol in die Kritik, konnte man darauf verweisen, dass es über PWAs doch ohnehin möglich sei, Apps aus anderen Quellen zu installieren.

Aus dieser Perspektive wäre die Entfernung der PWAs parallel zur Öffnung für andere App-Stores durchaus folgerichtig. Schlau ist aber trotzdem etwas anderes. Für die Entfernung eines ohnehin kaum genutzten – und vor allem finanziell für Apple in keiner Weise relevanten – Features riskiert man komplett unnötig neuen Ärger und negative Schlagzeilen. Das ist unverständlich, das ist ungeschickt.

iOS 17.4
Der Digital Markets Act bringt neue Möglichkeiten für iPhone-User, bei Apple ist man davon aber nicht in allen Fällen begeistert.
Proschofsky / STANDARD

Lokale Beschränkungen

Dann wäre da noch die Sache mit den regionalen Beschränkungen für die Nutzung alternativer App-Stores. Dass diese generell nur für die EU gedacht sind, mag unerfreulich sein, war jetzt aber auch nicht anders zu erwarten. Dass man aber selbst als EU-Userin und EU-User Apps aus solchen Quellen nur dann installieren kann, wenn man sich gerade physisch innerhalb der EU aufhält, ist dann schon etwas schwerer zu verdauen. Aber gut, das kann Apple mit dem Hinweis auf die regionale Beschränkung noch halbwegs glaubwürdig argumentieren.

Wirklich problematisch wird es dann aber an einem anderen Punkt. Ist man auf einer längeren Reise, bekommt man nämlich nach einer gewissen Zeit – konkret 30 Tage – auch keine Updates für aus alternativen App-Stores bezogenen Programmen mehr.

Die Konsequenz: Hat man etwa eine Mail-App aus einem anderen App-Store installiert und ist mehr als 30 Tage unterwegs, bekommt man nicht einmal mehr Sicherheitsbereinigungen. Taucht jetzt eine kritische Lücke auf, ist man dieser schlicht ausgeliefert. Ausgerechnet jenes Unternehmen, das noch jedes Aussperren von Konkurrenz mit dem Hinweis auf Sicherheit argumentiert hat, unterwandert damit effektiv die Sicherheit von iPhone-Nutzerinnen und -Nutzern.

Nun mag sein, dass Apple auch hier einen Rückzieher macht. Das ändert aber nichts daran, dass sich erneut die Frage stellt, wie so etwas je durchgehen kann. Gerade bei einem Unternehmen, das sonst so versessen darauf ist, jedes einzelne Wort unter Kontrolle zu haben.

Sich schlau vorkommen ist nicht schlau sein

All das wirkt so, als hätte man bei Apple ziemlich viel Kraft investiert, um Wege zu finden, wie man die von der EU auferlegten Änderungen möglichst unbenutzbar macht. Das aber ohne auch nur einmal darüber nachzudenken, ob sich das überhaupt rentiert und noch viel wichtiger: ob man sich damit nicht langfristig noch mehr Ärger einfängt.

Dabei geht es übrigens auch nicht um die Frage, auf welcher Seite der Debatte man steht, ob man für oder gegen eine Öffnung des iPhones für andere App-Stores ist. Das ist nämlich komplett irrelevant. Realität ist: Die Öffnung wird am Status quo der iPhone-Welt herzlich wenig ändern, und schon gar nicht stellt sie eine Bedrohung für Apples Geschäft dar. Selbst unter Android sind alternative App-Stores eine aus kommerzieller Hinsicht komplett irrelevante Nebenerscheinung, die breite Masse an Userinnen und Usern verwendet sie schlicht nicht. Zu erwarten, dass das am iPhone anders wäre, wo sehr viele durchaus überzeugt und bewusst den Vorgaben von Apple folgen, da man sich damit sicherer fühlt, wäre absurd.

Ein sinnloser Streit

Angesichts dieser Realität ist Apples aktuelles Agieren im Streit mit Epic Games geradezu verblüffend ungeschickt. Anstatt sich den neuen Rahmenbedingungen zu stellen und auf die gar nicht so geringe Wahrscheinlichkeit zu setzen, dass ein Epic Games Store am iPhone floppt, macht man daraus einen Grundsatzkonflikt, mit dem man nur eines erreicht: Sich selbst einen gehörigen Imageschaden zu verpassen.

Apple gegen Epic: ein nicht enden wollender Konflikt.
REUTERS/Dado Ruvic

Anstatt die neue Realität zu akzeptieren, entschloss sich Apple zur Blockade von Epic und setzte damit einen Schritt, der wie ein offener Affront gegen die EU-Vorschriften wirkte. Wenig überraschend rief das umgehend die Regulatoren auf den Plan, ein paar unverholene Drohungen gegen den iPhone-Hersteller später kam dann was kommen musst: Apple entschloss sich auch in diesem Fall zu einem Rückzieher. Epic darf also doch einen eigenen App Store anbieten, wirkt wie der strahlende Sieger, während Apple damit zum zweiten Mal in kurzer Folge klein beigeben musste.

Eine ungewohnte Situation

Dass Apple dermaßen unsicher agiert, mag damit zu tun haben, dass all das ans eigene Selbstverständnis, an den Kern der Firmenkultur geht. Apple scheint nicht damit leben zu können, dass man es einmal nicht selbst ist, das anderen Regeln auferlegt, sondern sich selbst anpassen muss. Schließlich sind wir ja die Guten, die Bösen, das sind Google, Meta und wie sie auch alle heißen.

Der Unterschied ist: Die genannten Firmen haben es mittlerweile sehr gut gelernt, mit staatlicher Regulierung umzugehen, sie haben etwas verstanden, wozu Apple offenbar noch nicht in der Lage ist. Dass es in dem Moment, wo neue Regeln mal beschlossen sind, die wesentlich bessere Variante ist, diese in einer möglichst wenig kontroversen Minimalvariante umzusetzen und sogar öffentlich zu begrüßen.

Wenn Google-User dank des Digital Markets Act jetzt die Datenverknüpfung zwischen einzelnen Diensten auftrennen können, dann bereitet das dem Suchmaschinenanbieter ganz sicher keine Freude. Das berührt das Kerngeschäft von Google erheblich stärker, als es bei Apple die Öffnung für alternative App-Stores tut. Aber Google weiß eines: Zu versuchen, die neuen Vorschriften auszutricksen, führt nur dazu, dass es danach noch schlimmer kommt.

Apple handelt sich neuen Ärger ein

Das ist dann auch das, was an Apples aktuellem Auftreten am meisten überrascht. Es ist einfach strategisch alles andere als schlau. Wenn man dafür sorgen will, dass die EU-Behörden bei der eigenen DMA-Umsetzung ganz genau hinschauen, wenn man garantieren will, dass weitere Nachschärfungen folgen: Das hat man erreicht.

So könnte sich Apple mit seiner vermeintlich schlauen Auslegung des DMA einen echten Bärendienst erwiesen haben. Und zwar nicht nur in der EU: Denn natürlich wird all das auch von Wettbewerbshütern und Gerichten in anderen Ländern mit großem Interesse verfolgt. Dass Apples aktuelles Agieren dort gut ankommt, darf mehr als bezweifelt werden.

Ob die zunehmend stärker werdenden Eingriffe der Regulatoren gut sind oder nicht, ob sie ihr Ziel erreichen oder verpuffen werden: Zu all dem kann man durchaus geteilter Meinung sein. Das ändert aber nichts daran, dass es nun mal jetzt so ist, dass sich die Zeiten geändert haben. Daran haben sich Firmen wie Microsoft, Meta und Google bereits gewöhnen müssen. Daran wird sich auch Apple gewöhnen müssen. Sonst wird man bald lernen, dass es auf Dauer ziemlich schmerzhaft ist, wenn man immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand läuft. (Andreas Proschofsky, 10.3.2024)