Im Stück
Im Stück "Der Verein" wird auf Gott vertraut – mit Maximilian Thienen (vorne) als Erzähler und Hauptfigur Stefan aus Pfingstheim.
Ruiz Cruz

Freikirchliche Gemeinschaften haben sich einst als eigenständige und vom Staatschristentum unabhängige Glaubensgruppen gegründet. Sie folgen eigenen theologischen, "freien" Grundsätzen und bilden darin weltweit ein von fundamental bis liberal reichendes Spektrum ab. Dementsprechend empfinden nicht alle Gemeindemitglieder das beteuerte "frei" tatsächlich als solches. Darüber hat Schauspieler Steffen Link sein erstes Theaterstück geschrieben: Der Verein.

Link, Jahrgang 1989 und heute Ensemblemitglied des Münchner Volkstheaters, wuchs nahe Darmstadt in einer aus einem akademischen Bibelkreis hervorgegangenen freichristlichen Kommune auf. Am Schauspielhaus Wien, wo Link bis 2019 engagiert war, kam sein autobiografisch motiviertes Drama nun zur Uraufführung. Darin hält er kritisch Rückschau auf seine (fiktionalisierten) Jugendjahre in einem Ort namens Pfingstheim.

Es wegbeten

Alles andere wäre eine Überraschung gewesen. Aufwachsen ist immer schwierig, in einem streng geregelten Umfeld, dessen Werte im eklatanten Widerspruch zur eigenen Person stehen, umso mehr. Stefan, so heißt der Protagonist in Der Verein, ist nämlich homosexuell – und das wollen ihm die Autoritäten der Gemeinde liebevoll austreiben, ihn heilen, es wegbeten et cetera. Sämtliche Räume wie Wohnzimmer, Gemeindesaal, Schlafzimmer, Klassenraum oder ein undefinierbares Bodenloch fallen in Theresa Thomasbergers Inszenierung in eins. Öffentlich und privat sind folglich nicht wirklich voneinander zu trennen. Bühnenbildnerin Mirjam Schaal hat das alles mit einer holzvertäfelten Wand eingefasst – diese wirkt wie ein Zaun zur Außenwelt.

Hell und schön ist es hier, auch ordentlich, so wie auch die jeder Mode abholden Kostüme (Schaal) dieser geschwisterlichen Gemeinde. Dank des hauseigenen Spielklubs umfasst das agierende Ensemble im Schauspielhaus siebzehn Personen. Nur manche von ihnen können Kontur entwickeln, etwa die Mutter (Sophia Löffler), die sich ihrer Glaubenssache sicher ist, aber dennoch cool bleibt. Oder die von ihrer Ergebenheit gebeutelte Gitta (Iris Becher). Besonderheit: Die Hauptfigur Stefan ist sowohl als kommentierender, eingreifender Erzähler (Maximilian Thienen) als auch im Spiel als junge Version seiner selbst (Tala Al-Deen) präsent.

Abrechnung

Hauptproblem dieses Theaterabends ist seine Stoßrichtung. Es gibt für das Publikum in dieser saloppen, manchmal gar wie eine Soap funktionierenden Abrechnung mit einem sektenartigen Verein schlichtweg nichts zu tun. Jeder Konflikt bleibt von Beginn an ausgebremst, da alle Argumente dem Protagonisten dienen.

Die vorgeblich alle gleichermaßen respektierende Gemeinschaft erweist sich in der (gestrafften) Inszenierung wie auch im Text als nur mehr ironisch zu lesendes, unterdrückerisches Habitat, in dem ein "Auserwählter" (Kaspar Locher) bigott voranschreitet. Die Gemeinschaft dient vor allem der sozialen Kontrolle.

Der Abend ist nichts für Theologen, eher für Soap-Freundinnen und -Freunde, die sich an der Ausstattung oder an hochschießenden Emotionen erfreuen oder von impulsiven Chorgesängen mitreißen lassen. Jubel beim Publikum. (Margarete Affenzeller, 11.3.2024)