Zwei Rennen, zwei Doppelsiege: Red Bull könnte sich dieser Tage auch mit Champagnergroßbestellungen für den unvermeidlich scheinenden vierten Weltmeistertitel von Formel-1-Dominator Max Verstappen beschäftigen. Die Feierlaune hält sich von Milton Keynes bis Fuschl aber in engen Grenzen, die Causa Christian Horner wird zur Zerreißprobe für das so erfolgreiche Team. Es scheint, als ringen zwei Fraktionen um die Macht im Team – und das wohl nicht erst, seit Horners einstige Assistentin dem Teamchef unangemessenes Verhalten vorwirft. DER STANDARD beleuchtet die Schlüsselpersonen des verworrenen Kammerspiels – mitsamt der aktuellen, am Sonntagabend hinzugekommenen Wende in der Causa.

Horner.
RB-Teamchef Christian Horner.
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Christian Horner sitzt nach wie vor im Sattel. Anfang Februar wurde bekannt, dass Red Bull nach Vorwürfen einer Ex-Mitarbeiterin eine interne Untersuchung gegen seinen Teamchef gestartet hatte. Tage vor dem Saisonauftakt in Bahrain wurde die Beschwerde abgewiesen – von einem laut der offiziellen Teamkommunikation unabhängigen Anwalt. Glaubt man Insiderberichten, dürfte die Entscheidung eine politische gewesen sein. Denn Horner hatte bisher einen mächtigen Fürsprecher.

Händchen haltend.
Chalerm Yoovidhya mit seiner Frau Daranee beim Bahrain-GP.
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Chalerm Yoovidhya hat bei Red Bull seit dem Tod von Dietrich Mateschitz das Sagen. Die thailändische Yoovidhya-Familie hält 51 Prozent der Anteile, doch zeit seines Lebens hatte Mateschitz die vertraglich zugesicherte Entscheidungsmacht. Dieses Recht konnte er seinem Sohn Mark nicht vererben. Das jahrzehntealte Prinzip "Österreich erwirtschaftet Profite, Thailand schweigt und kassiert" wackelt. Horner, so hört und sieht man, soll sich mit Familienoberhaupt Chalerm längst gut gestellt haben.

Laut Medienberichten von Sonntagabend soll die Loyalität des 73-Jährigen aber bröckeln. Die österreichische Reichshälfte soll bei einem Treffen in Dubai versucht haben, Yoovidhya davon zu überzeugen, dass die Causa dem Getränkegeschäft schaden könne – und dann, so Insider, "dreht sich der Wind". Neben dem unter anderem für Sportbelange verantwortlichen Co-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff soll sich auch Franz Watzlawick, der für den Dosenverkauf zuständige Geschäftsführer, eingeschaltet haben. "F1Insider" berichtet gar, dass Horner noch vor dem Australien-GP freigestellt werden könnte. Ein Red-Bull-Sprecher dementierte das mit den Worten: "Wie Christian gesagt hat, ist er dankbar für die volle Unterstützung der Aktionäre, und das bleibt auch so."

Marko lächelt.
RB-Motorsportberater Helmut Marko.
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Helmut Marko ist in der Formel-1-Welt von Red Bull schon lange der wichtigste Gegenspieler Horners. Der Motorsportberater gilt als Verstappens Entdecker und Erfinder, Mateschitz vertraute ihm. Am Freitag berichtete der ORF, dass eine Suspendierung Markos im Raum stehe, am Samstag gab es ein "sehr gutes Gespräch" mit Co-Geschäftsführer Mintzlaff.

Marko soll verdächtigt werden, für den Leak von Chatprotokollen und Fotos, die angeblich aus der Untersuchung gegen Horner stammen, verantwortlich zu sein. Nach dem "Freispruch" waren die Dateien per E-Mail unter anderem an Teamchefs und Journalisten verschickt worden; der 80-Jährige beteuerte im ORF, nichts damit zu tun zu haben: "Das ist absoluter Schwachsinn. Ich bin heilfroh, wenn ich mein iPhone halbwegs im Griff habe."

Verstappen mit Pokal.
Max Verstappen.
AFP/GIUSEPPE CACACE

Max Verstappen ist gewissermaßen Markos Lebensversicherung. "Für mich muss Helmut immer dabei sein. Sonst hätten wir ein großes Problem im Team", sagte der dreifache Weltmeister am Freitag. Nach seinem überlegenen Sieg in Dschidda betonte er: "Am wichtigsten ist, dass alle im Team den Frieden bewahren. Hoffentlich ist das von nun an der Fall."

Horner richtete seinem Siegfahrer quasi aus, dass niemand größer als das Team sei. Sollte der Brite den Machtkampf gewinnen, scheint ein Abgang Verstappens nicht mehr undenkbar. Bei Mercedes ist nach Lewis Hamiltons Abgang ab 2025 ein Cockpit in Weltmeistergröße frei, Motorsportchef Toto Wolff sagte in Dschidda: "Es gibt kein Team, das nicht Handstände machen würde, um Max im Auto zu haben."

Kopffoto.
Jos Verstappen.
IMAGO//eu-images

Jos Verstappen trat in der Causa deutlich lauter auf als sein Sohn Max. Schon dass die niederländische Zeitung De Telegraaf als Erstes über die Untersuchung gegen Horner berichtete, deutete auf eine Verbindung zu der Rennfahrerfamilie hin. Laut Motorsport Total habe Jos Horner nie verziehen, dass er während der Saison 2016 Max’ Beförderung von Toro Rosso zu Red Bull verhindern wollte. Der Ex-Formel-1-Fahrer polterte mehrfach öffentlich gegen den Teamchef. Als dieser nun einen Schlussstrich forderte, richtete Jos via Daily Mail aus: "Ich denke, dafür ist es nun ein bisschen zu spät. Ich habe bereits gesagt, dass es Probleme gibt, wenn er bleibt."

Horners ehemalige Assistentin wurde vom Team suspendiert, laut Medienberichten soll sie über eine Klage vor einem britischen Gericht oder eine öffentliche Erklärung nachdenken. RTL berichtete, dass Horner ihr eine Abfindung von 700.000 Euro gezahlt habe, die Red Bull auf eine Million erhöht habe. Der Rennstall wollte eine Zahlung auf Anfrage des Fernsehsenders nicht bestätigen. (Martin Schauhuber, 10.3.2024)