Pinzette mit kleinen LSD-Blättchen
Ein von einem Therapeuten oder einer Therapeutin begleiteter LSD-Trip kann nicht nur bewusstseinserweiternd, sondern auch heilend wirken, zeigen Studien. Noch ist der medizinische Einsatz von Psychedelika stark eingeschränkt.
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Kaum eine Droge hat eine derart wechselvolle Geschichte hinter sich wie LSD. Nachdem der Chemiker Albert Hoffmann die Substanz namens Lysergsäurediethylamid 1938 zum ersten Mal synthetisiert, 1943 wieder aufgegriffen und in einem Selbstversuch getestet hatte, begann sich die Forschung dafür zu interessieren. Studien zum therapeutischen Einsatz florierten und zeigten die positive Wirkung der psychoaktiven Substanz bei Depressionen, Angstzuständen und Alkoholentzug. Dann entdeckte die Hippie-Bewegung LSD als Partydroge für sich – ab Mitte der 1960er-Jahre folgten Verbote und ein jahrzehntelanger Stillstand der Forschung zu Psychedelika. In Österreich ist LSD seit 1971 verboten.

Erst in den vergangenen Jahren erlebte die Forschung zu LSD, Psylocibin (dem Wirkstoff von Magic Mushrooms) und DMT (dem Hauptwirkstoff von Ayahuasca) eine Renaissance. Zahlreiche Studien widmen sich der Einnahme von meist geringen Dosen, auch genannt Microdosing, in einem therapeutischen Setting. Der psychotherapeutische Trip zeigte bisher schon vielversprechende Erfolge, beispielsweise bei der Behandlung von Zwangsstörungen oder Ängsten bei Krebserkrankungen, wie unter anderem in dem Buch und der gleichnamigen Netflix-Dokureihe "Verändere dein Bewusstsein" von der Psychedelika-Koryphäe Michael Pollan zu erfahren ist.

Bisher ist der Einsatz von psychoaktiven Substanzen in der Psychotherapie jedoch sehr eingeschränkt. Erlaubt ist der medizinische Einsatz nur in wenigen Ländern, etwa in der Schweiz, in Australien und in Teilen Kanadas und der USA. In Zukunft könnte eine solche Therapie auch in Österreich Realität werden – das hofft zumindest Hans-Günther Knaus, Vorstand des Instituts für Pharmakologie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Am 15. März hält Knaus im Rahmen der "Woche des Gehirns" einen Vortrag zu dem Thema.

Alle 14 Tage ein Trip

Knaus sieht für die nähere Zukunft großes Potenzial in einer "LSD-assistierten Psychotherapie". Mit einer solchen Therapie, bei der begleitete "Impulse" mit LSD oder mit LSD-ähnlichen, halluzinogenen Substanzen gesetzt werden, habe man gute Heilungschancen etwa bei Alkoholsucht oder Depressionen, sagt Knaus.

Die Anwendung der Substanzen müsse selbstverständlich "unter der Supervision eines Psychiaters stattfinden", betonte Knaus. Das Setting sei wie folgt: "Man hört mehrere Stunden seine Lieblingsmusik, bekommt zuvor eine Augenbinde und geht in speziellen Kojen und Betten auf einen ganz individuellen Trip." Dieser "Trip" sei als Anreiz und Anstoß gedacht und werde schließlich alle vierzehn Tage wiederholt. "In der Zeit davor und dazwischen gibt es ausführliche therapeutische Gespräche, bei denen das Erlebte und damit auch Erkannte aufgearbeitet wird."

Pilze umgeben mit Sporenstaub
Das in Magic Mushrooms enthaltene Psilocybin hat in Studien bereits vielversprechende Effekte bei der Behandlung von psychischen und Suchterkrankungen gezeigt.
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Knaus geht von einem Zeithorizont von "mehreren Jahren" aus, bis eine solche Therapie tatsächlich in Österreich zum Einsatz kommen könnte. "Noch braucht es einige größere klinische Studien dazu", betont er. In den USA und Kanada sei man diesbezüglich schon deutlich weiter. Es habe sich aber eindeutig gezeigt – auch in der Zusammenschau von Studien aus den 1960er-Jahren in den USA –, dass die halluzinogenen Substanzen eine äußerst geringe Toxizität aufwiesen, dafür aber erheblichen therapeutischen Nutzen brächten.

"Reset" und emotionale Öffnung

Psychedelika wirken vor allem deshalb positiv, weil sie bestimmte Rezeptoren im Körper beeinflussen. "Durch die Substanzen und ihre Einwirkung verändert sich die eigene Wahrnehmung, und es kommt zu einem regelrechten Zerreißen einer Depression oder eines Suchtverhaltens", beschreibt Knaus den Wirkungsprozess. Dadurch entkomme der Patient im besten Fall der eigenen gedanklichen Einengung und der Fokussierung auf die persönliche Misere oder den Alkohol als einziges Ziel. "Es kommt dabei zu einer Art emotionalen Öffnung, man betrachtet sich quasi wie von außen und sieht sich und die Welt danach wieder anders, klarer und weiter", erläutert Knaus. Es sei "wie ein Reset".

Dadurch habe man auch einen möglichen, aber entscheidenden Vorteil gegenüber Standardtherapien zur Hand, bei denen oftmals mit der Hilfe von Antidepressiva versucht werde, "die Depression abzudämpfen", führt der Pharmakologe aus. Dabei würden die Patientinnen und Patienten eher weniger empfinden, während es etwa bei LSD-assistierten Psychotherapien um das genaue Gegenteil gehe: "Die Patienten empfinden wieder mehr und können wieder ganzheitlicher wahrnehmen." Studien der letzten Jahre haben bestätigt, dass psychoaktive Substanzen das Gehirn für soziale Erfahrungen und auch für Veränderungen öffnen können.

Die Psychedelika-basierte Therapie sei allerdings "kein Allheilmittel für jedermann", räumt Knaus ein. "Man muss diese Therapie vielmehr als sinnvolle Ergänzung zu herkömmlichen Therapien sehen." Vor allem aber scheiden Patientinnen und Patienten mit schizophrenen Erkrankungen oder mit "psychotischen Episoden" sowohl bei Studien als auch bei künftigen Therapien von vornherein aus, betont der Forscher. "Wir können aber womöglich Patienten helfen, bei denen konventionelle Therapien keinen Fortschritt mehr bringen." (kri, APA, 11.3.2024)