Wohl selten hat ein gesunkenes Schiff für so viel internationalen Wirbel gesorgt wie die Galeone San José. 1708 versenkte die englische Flotte das spanische Schiff, das Schmuck, Edelsteine sowie Gold- und Silbermünzen aus Bolivien und Peru an Bord hatte. Jahrzehntelang waren Schatzsucher unterwegs, um die Galeone vor den Rosario-Inseln in der Nähe der kolumbianischen Hafenstadt Cartagena aufzuspüren. 2015 ist es einem Team von kolumbianischen Archäologen, der Marine und internationalen Wissenschaftern gelungen, das Wrack in 600 Meter Tiefe zu orten – wo genau, bleibt streng geheim.

Denn die Ladung, so schätzen Experten aufgrund der Verladeregister, entspräche heute rund 1,5 Milliarden Euro. Deshalb ist ein bitterer internationaler Streit zwischen Kolumbien, Spanien und einer US-Schatzjägerfirma entbrannt. Dann meldeten sich auch Indigene zu Wort: Der Schatz gehöre ihnen und sei Produkt der kolonialistischen Plünderung der Urvölker, sagte Samuel Cruz von der indigenen Nation Qhara Qhara in Bolivien. Im April will Kolumbiens Regierung die Bergung beginnen, ohne dass die Rechtslage endgültig geklärt ist. Gelingt die Operation, würde Kolumbien Fakten schaffen – und sich als Potenz in der Unterwasser-Archäologie positionieren.

Die San José wurde 2015 geortet.
APA/AFP/Colombian Presidency/-

Englischer Überfall

Die San José war das Hauptschiff einer spanischen Flotte, die im Auftrag des spanischen Königs Philipp V. Wertsachen aus den amerikanischen Kolonien ins Mutterland bringen sollte. Sie stach am 8. Juni 1708 in Portobelo in See, um über Cartagena und Havanna nach Spanien zu segeln. Der Schatz wurde auf drei Schiffe verteilt, darunter die mit 64 Kanonen bestückte San José. Die Galeonen wurden von 16 Kanonenbooten eskortiert, denn damals waren Überfälle englischer und holländischer Korsaren in der Karibik an der Tagesordnung. Spitzel warnten die Engländer, und Kapitän Charles Wager passte die Flotte vor den Rosario-Inseln ab. Im eineinhalbstündigen Feuergefecht explodierte der Munitionsraum der San José, das Schiff sank so schnell, dass es fast die komplette Besatzung mit in den Tod riss. Eine zweite Galeone konnte in den Hafen von Cartagena zurückkehren, die dritte wurde von Wager gekapert.

Kolumbien hat die Galeone und ihre Ladung zum archäologischen Kulturgut erklärt und will die Schätze in einem Museum ausstellen. Der indigene Kazike unterstützt das, hat aber auch durchgesetzt, dass Indigene an der Bergung beteiligt werden und dass wissenschaftlich festgehalten wird, woher die einzelnen Schätze eigentlich stammen. Materielle Ansprüche seien nicht das Hauptinteresse der Indigenen, sondern es gehe um geschichtliche Aufarbeitung der Kolonialzeit, betonte er in einem Interview. Darüber besteht mittlerweile Konsens zwischen Historikern, Indigenen und dem kolumbianischen Staat, wie bei einem Symposium im Februar in Cartagena deutlich wurde.

Präzedenzfall

Aber dennoch schwingt die ökonomische Frage mit, denn die San José ist ein Präzedenzfall. Würde hier der Anspruch der Indigenen anerkannt, erhöhte dies die Chancen, dass sie von künftigen Bergungen einen Anteil erhalten. Allein vor der Küste Kolumbiens sollen über 200 Wracks liegen – allerdings hat nur ein Zehntel Historikern zufolge Schätze an Bord.

Goldmünzen liegen im Sand des Meeresbodens verstreut.
via REUTERS/COLOMBIAN ARMY

Eine andere, rein materielle Sicht hingegen treibt die US-Firma Sea Search Armada (SSA). Sie behauptet, sie habe in den 80er-Jahren das Schiff als Erstes geortet und ihr gebührten gemäß dem Freihandelsvertrag zwischen Kolumbien und den USA dafür zehn Milliarden US-Dollar. 2007 gab ein kolumbianisches Gericht SSA recht. Die Gegenklage in den USA hingegen gewann 2011 der kolumbianische Staat, der zum Alleineigentümer erklärt wurde. Grundlage war das internationale Seerecht, wonach ein Schatz, der bis zu zwölf Seemeilen (knapp 22 Kilometer) vor der Küste gefunden wird, dem jeweiligen Land gehört. 2013 verabschiedete Kolumbien ein Gesetz, wonach die auf dem Meeresboden in kolumbianischen Hoheitsgewässern gefundenen Schätze dem kolumbianischen Staat gehören. Nun klagte SSA vor einem Schiedsgericht in Den Haag. Die kolumbianische Regierung ist zuversichtlich, das Verfahren zu gewinnen. Die von der Firma angegebenen Koordinaten seien falsch, sagte die kolumbianische Chefverteidigerin Paula Robledo.

Flaschen und Geschirr des Wracks.
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Spanische Ansprüche

Auch Spanien hat Ansprüche angemeldet. Da es sich um die ehemalige Kolonialmacht handelt, die für die Ausbeutung Lateinamerikas verantwortlich ist, ist das politisch besonders heikel. Rein rechtlich allerdings hat Spanien schon mehrfach das Eigentum an gesunkenen Galeonen zugesprochen bekommen, zum Beispiel im Jahr 2001 im Falle der Fregatten Juno und Galga und 2012 im Falle des Schiffes Nuestra Señora de las Mercedes. Beide Male setzte sich Spanien gegen private Schatzsucherfirmen durch.

Das Wrack ist auch ein Lebensraum für allerlei Meerestiere.
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Grundlage hierfür ist die Unesco-Konvention aus dem Jahr 2001 über Kulturgüter auf dem Meeresgrund. Demnach ist Eigentümer der Staat, unter dessen Flagge die Kriegsschiffe segelten. Allerdings hat Kolumbien die Konvention nicht unterzeichnet und lehnte daher jegliche spanischen Ansprüche ab. Spanien könne ja die Kanonen, Bretter und sonstige Teile des Wracks bekommen, schlug Flores versöhnlich vor. Der Schatz aber habe in den Händen der ehemaligen Ausbeuter nichts zu suchen. Spanien hat bislang auf einen Rechtsstreit verzichtet und versucht, auf diplomatischem Wege eine Lösung zu finden.

Auch chinesisches Porzellan hatte die San José geladen.
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Derweil lieferte der Tauchroboter Lynx der kolumbianischen Armada bereits die ersten Unterwasserbilder. Darauf zu sehen sind Goldbarren, in Sevilla gefertigte Bronzekanonen, Schwerter, Koffer und chinesisches Porzellan. (Sandra Weiss, 13.3.2024)