Thomas Schmid
Thomas Schmid hat sich als Kronzeuge angeboten. Auf eine endgültige Entscheidung wartet er seit mehr als einem Jahr.
APA/HELMUT FOHRINGER
Gastautorin und Rechtsanwältin Simone Marxer erklärt, warum der Kronzeugenstatus nur selten gewährt wird und wie der weitere Ablauf der Prüfung funktioniert.

Die Kronzeugenregelung kann eine Win-win-Situation für den Kronzeugen und die Strafverfolgungsbehörden darstellen. Einerseits offenbart der Kronzeuge den Behörden sein Wissen über Straftaten anderer und erhält dadurch Zugeständnisse hinsichtlich seiner eigenen Verfolgung. Andererseits gelangt die Strafverfolgungsbehörde an Informationen, die sie ohne seine Kooperation nicht oder nur schwer erlangen würde. Doch wann und wie wird über die Gewährung des Kronzeugenstatus entschieden?

Um nicht zu riskieren, mit seinen Informationen "zu spät dran zu sein", sollte sich ein potenzieller Kronzeuge so früh wie möglich entscheiden, ob er mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren möchte. Es leuchtet ein, dass ein potenzieller Kronzeuge dann aber auch rasch Klarheit darüber erlangen möchte, ob er den Kronzeugenstatus auch erhält. In der Praxis dauert der Entscheidungsprozess allerdings aufgrund des behördeninternen Zusammenwirkens und der umfangreichen Prüfung der Voraussetzungen oft mehrere Monate oder, wie aus der Causa Thomas Schmid bekannt, sogar Jahre.

Grob- und Detailprüfung

Grundlage für die Entscheidung, ob Kronzeugenstatus gewährt wird, sind die vom Kronzeugen preisgegebenen Informationen. Die Staatsanwaltschaft hat in potenziellen Kronzeugenfällen der Oberstaatsanwaltschaft und dem Bundesministerium für Justiz zu berichten. Diese drei Behörden entscheiden gemeinsam über die Gewährung des Kronzeugenstatus.

Da Kronzeugenverfahren in der Praxis nicht so häufig vorkommen, erscheint dieses "Sechs-Augen-Prinzip" zur Gewährleistung der einheitlichen Rechtsanwendung durchaus sinnvoll. Gegen die Berichtspflicht an die Oberbehörden wird jedoch zu Recht eingewandt, dass sie zu einer beträchtlichen Verfahrensverzögerung führen kann. Diese Verzögerung bewirkt eine erhebliche Rechtsunsicherheit für den Kronzeugen in der Wartezeit.

Wichtige Prüfungen

Die ermittelnde Staatsanwaltschaft entscheidet in Abstimmung mit den Oberbehörden zunächst im Rahmen einer "Grobprüfung" über den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung des Kronzeugen. Sinn und Zweck dieser "Grobprüfung" ist, dass der Kronzeuge so früh wie möglich darüber informiert wird, ob die von ihm offengelegten Informationen für die Gewährung des Kronzeugenstatus ausreichen könnten.

Dadurch erlangt der potenzielle Kronzeuge allerdings noch keine Sicherheit. Denn erst bei der darauffolgenden "Detailprüfung" werden die Voraussetzungen genauer geprüft. Dabei wird insbesondere das Gewicht der vom Kronzeugen offenbarten Informationen seinem eigenen Tatbeitrag gegenübergestellt. Aufgrund dieser Prüfung kann die Staatsanwaltschaft in Abstimmung mit den Oberbehörden zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Bestrafung des Kronzeugen nicht erforderlich erscheint. In diesem Fall bietet sie dem Kronzeugen die Erbringung einer Leistung, beispielsweise die Zahlung eines Geldbetrags, im Gegenzug zum Verfolgungsrücktritt an. Es kann aber auch sein, dass die Behörden nach der "Detailprüfung" der Ansicht sind, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Kronzeugenstatus nicht vorliegen. In diesem Fall führt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren fort.

Nachträglicher Verlust?

Der einmal gewährte Kronzeugenstatus kann nicht zuletzt auch nach der "Detailprüfung" wieder aberkannt werden. Das kann etwa dann passieren, wenn der Kronzeuge die eingegangene Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft verletzt. Ein nachträglicher Verlust des Kronzeugenstatus ist weiters möglich, sofern sich herausstellt, dass die von diesem zur Verfügung gestellten Unterlagen oder Informationen falsch waren oder – in der Nachschau – im Strafverfahren keinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung liefern konnten.

Für einen potenziellen Kronzeugen ist es also stets ein Risiko, seinen eigenen Tatbeitrag offenzulegen und den Ermittlungsbehörden Kooperation anzubieten. Denn sofern die Staatsanwaltschaft die von ihm herangetragenen Informationen letztlich als nicht wesentlich zur Wahrheitsfindung beurteilt, entfallen auch die Privilegien in Bezug auf die eigene Verfolgung und Bestrafung des Kronzeugen. (Simone Marxer, 12.3.2024)