Drei Wochen lang lag die Open Arms in Larnaka in Zypern vor Anker, wurde mit 200 Tonnen Mehl, Reis, Dosenfisch und anderen Lebensmitteln beladen und von israelischen Behörden inspiziert. Dienstagfrüh konnte sie mit der ersten Hilfslieferung für den Gazastreifen in See stechen. Da der geplante Pier, der in Zukunft als Anlandehafen in Gaza-Stadt dienen soll, noch nicht gebaut ist, wird die Entladung nach der Ankunft zunächst kompliziert sein. Aber wenn die neue Lebenslinie für die leidenden Menschen in Gaza erst einmal funktioniert, könnte sie viel effizienter sein als die teuren – und, wie man gesehen hat, sogar gefährlichen – Abwürfe aus der Luft.

Die Open Arms, ein spanisches Schiff im Dienst der NGO World Central Kitchen, am Montag im Hafen von Larnaka. Am Dienstag konnte es mit 200 Tonnen Lebensmitteln Richtung Gaza ablegen.
AFP/IAKOVOS HATZISTAVROU

Die Hilfsoperation von Zypern aus über das Meer soll eine Alternative zu den aus politischen und aus Sicherheitsgründen nur unzureichend funktionierenden Lieferungen per Lastwagen werden. Daran beteiligt sind die USA, die EU, Großbritannien und, als einziger arabischer Staat, die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Die VAE lassen auch eine Menge Geld springen, gemeinsam mit den USA finanzieren sie den Hafenbau. Und wenn Abu Dhabi so etwas macht, dann ist es immer auch ein politisches Projekt.

Ein Koordinator aus dem Gazastreifen

Israelische, aber auch arabische Medien berichteten ein Detail, das beim Sitz der Palästinenserbehörde in Ramallah im Westjordanland zwar nicht für große Überraschung, aber dennoch für große Frustration gesorgt haben wird: Die VAE sollen als ihren Koordinator Mohammed Dahlan eingesetzt haben. Eine auf ersten Blick logische Wahl: Der 62-Jährige stammt aus Khan Younis, er war der Sicherheitsbeauftragte der Fatah-Partei im Gazastreifen, bis diese 2007 von der Hamas hinausgeworfen wurde.

Aber 2011 folgte das schwere Zerwürfnis mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Dahlan übersiedelte aus dem Westjordanland nach Abu Dhabi, dessen Herrscher Mohammed bin Zayed, der inzwischen Präsident der VAE geworden ist, er berät. In Ramallah wurde er wegen Korruption verurteilt. In einem Interview mit der "New York Times" sagt Dahlan Mitte Februar unverblümt über die Zukunft der Palästinenserverwaltung: "No Abbas, no Hamas." In dieser Reihenfolge. Persönlichen Ehrgeiz auf ein Amt bestreitet er jedoch.

Dahlan hat beste Kontakte in den Gazastreifen, zur Hamas – der er nach eigenen Angaben offen sagt, dass es vorbei ist –, aber auch an der Hamas vorbei. Israel hofft auf eine neue zivile Kraft in Gaza, zum Beispiel im weltoffenen pragmatischen Unternehmertum, mit dem man zusammenarbeiten kann. Kritiker erinnern jedoch an die ungeheure Geschäftemacherei, Gier und Korruption der Eliten nach dem Beginn des Oslo-Friedensprozesses nach 1993, die zu dessen Scheitern beitrugen, weil sie die normalen Menschen in die Hände der Extremisten trieben.

Aufwertung von Abu Dhabi

Die VAE, die in der politischen arabischen Liga weit über ihrer Größe spielen, erwischen mit ihrem Gaza-Projekt gleich mehrere Fliegen auf einen Schlag: Sie werten ihre eigene Rolle als Partner Israels überhaupt und in Gaza auf, während der bisherige Gaza-Manager und -Finanzier Katar, durch seine Hamas-Gastgeberrolle diskreditiert, zur Seite geschoben wird. Zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar besteht ein bitterer, nur oberflächlich bereinigter Konflikt. Aber auch das Schwergewicht Ägyptens, der einzige arabische Staat, der an den Gazastreifen grenzt, wird einerseits entlastet, verliert andererseits Gewicht.

Mahmud Abbas wird marginalisiert, auch wenn ihm eine "zeremonielle" Rolle als Präsident gelassen werden soll. Der Ärger, dass in Ramallah kaum ernsthafte Reformansätze zu sehen sind – nur ein angekündigter, aber unbefriedigender Premierswechsel –, ist über viele Beobachterparteien übergreifend groß. Dahlan selbst widerspricht sich in Interviews zu seiner politischen Vision: Beschwört er in der "NYT" noch die Zweistaatenlösung, so sagt er Anfang März im VAE-Medium "The National News", dass die Palästinenser akzeptieren müssten, dass der unabhängige Staat vom Tisch sei.

Frisches Geld für Kairo

Die VAE werden sich am Mittelmeer indes nicht nur im Gazastreifen etablieren, sondern auch an der ägyptischen Küste, und sie lassen sich das etwas kosten: Um 24 Milliarden US-Dollar (knapp 22 Mrd. Euro) kaufen sie 171 Millionen Quadratmeter zwischen Alexandria und Marsah Matruh und geben weitere elf Milliarden US-Dollar für Investitionen frei. In Ras al-Hikma wird ein Tourismusprojekt mit Hafen entwickelt. Damit hat Ägypten ein Riesenprojekt mehr, aber eben auch frisches Geld, das es dringend braucht. Die fünfte Abwertung des ägyptischen Pfunds seit 2022 ermöglichte außerdem einen weiteren Kredit des Internationalen Währungsfonds von acht Milliarden Dollar.

Ein übernervöser Präsident Abdelfattah al-Sisi, seit zehn Jahren an der Macht, erklärt in zahlreichen Auftritten, dass er keine Schuld an der Misere trage. Intern steht er neben der finanziellen an zwei Fronten unter Druck: Die Bevölkerung verlangt mehr Hilfe für die Menschen im Gazastreifen, notfalls auch die Aufnahme von Flüchtlingen. Genau das gilt jedoch als rote Linie des Militärs – das wahrscheinlich bei den neuen Projekten auch mitverdienen darf. (Gudrun Harrer, 12.3.2024)