Die ÖVP schließt zwar eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene nicht kategorisch aus, aber eine mit und unter Herbert Kickl. Der blaue Parteichef sei "ein Sicherheitsrisiko" für Österreich, trommeln Vertreterinnen und Vertreter der Volkspartei seit Monaten bei jeder Gelegenheit. Insofern überrascht es nun auch nicht, dass die ÖVP in dem am Mittwoch mit seinen Befragungen startenden U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" mehr blauen als roten Machtmissbrauch unter die Lupe nehmen will.

Gleich zu Beginn soll es um das "System Kickl" im Innenministerium gehen. Dieses stehe für "Doppelmoral, Scheinheiligkeit und Günstlingswirtschaft", sagte ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Video: SPÖ-FPÖ-U-Ausschuss - ÖVP will Beugestrafe für Teufel.
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Themen für diesen Komplex hat der türkise Mandatar zuhauf im Gepäck. Beleuchten will Hanger etwa die Gehälter von Kickls Kabinettsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern im Vergleich zu jenen, als dort die Minister noch Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) hießen, und die Dienstwagennutzung von Reinhard Teufel, Kickls einstigem Kabinettschef. Hanger ortet in diesem Zusammenhang einen "Privilegienstadl schlechthin". Außerdem soll es um für Hanger fragwürdige Auftragsvergaben des Innenministeriums im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und "blauen Postenschacher" im Ressort gehen. Auch die Kontakte zwischen Kickl und dem mit Spionagevorwürfen konfrontierten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der Termine im Ministerium hatte, will Hanger ausleuchten.

Was ist mit der SPÖ?

Überraschend kommt dieser thematische Fokus nicht – untermauert er doch die Erzählung der Volkspartei, dass mit Kickl kein Staat zu machen sei. "Mit der Kickl-FPÖ ist für uns keine Regierungsarbeit vorstellbar", sagte Hanger am Dienstag dann auch. Der FPÖ attestierte er außerdem, dass diese "in der Vergangenheit nicht regierungsfähig war und auch in Zukunft nicht regierungsfähig sein wird". Auf Nachfrage präzisierte er schließlich, dass das auf "die Person Kickl" gemünzt sei.

Das Interesse, roten Machtmissbrauch im U-Ausschuss zu untersuchen, scheint dagegen etwas geschwunden zu sein. "Wir werden hier sehr klar fokussieren müssen", betonte Hanger darauf angesprochen. Angelieferte Akten und Unterlagen würden "es jedenfalls hergeben, auch den roten Machtmissbrauch" zu untersuchen. Ob dafür an den sechs Befragungstagen tatsächlich Zeit bleibt, ließ der ÖVP-Fraktionsführer allerdings offen.

Ein Grund für das scheinbar abgeflaute Interesse, mögliche rote Machenschaften unter die Lupe zu nehmen, könnte etwa sein, dass dem Vernehmen nach bereits auf mehreren Ebenen an einer Neuauflage einer Regierungszusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP gearbeitet wird.

Die ÖVP ist mit ihrem inhaltlichen Fokus jedenfalls nicht allein, auch die anderen Fraktionen dürfte der "blaue Machtmissbrauch" mehr interessieren. Die Grünen wollen etwa die Fusion der Sozialversicherungsträger unter Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) thematisieren, die Neos "diverse Korruptionsverfahren" der FPÖ, etwa die Wiener Spesenaffäre und den steirischen FPÖ-Finanzskandal. Und auch die SPÖ will sich naturgemäß nicht selbst untersuchen, sondern vor allem Auftragsvergaben in einst FPÖ-geführten Ministerien unter die Lupe nehmen.

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger (links) plant, vor allem "blauen Machtmissbrauch" unter die Lupe zu nehmen – im Bild mit Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty (Mitte) und FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker (FPÖ).
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"Blaue Fluchtversuche"

Den Anfang macht am Mittwoch wie schon im Cofag-U-Ausschuss in der Vorwoche Finanzprokuratur-Chef Wolfang Peschorn, der Innenminister in der Übergangsregierung war und das Ressort von Kickl übernommen hat. Im Anschluss sollen der Leiter der Internen Revision im Innenministerium und Peter Goldgruber, unter Kickl Generalsekretär im Innenressort, Auskunft geben.

Am Donnerstag werden voraussichtlich keine Auskunftspersonen befragt werden können – für diesen und andere Tage geladene Personen haben entweder nie zugesagt, wieder abgesagt oder wurden von der ÖVP selbst ausgeladen und dann erfolglos wieder eingeladen.

Mehrere Auskunftspersonen hätten "teilweise mit sehr fadenscheinigen Argumenten abgesagt", beklagt Hanger am Dienstag und spricht von "blauen Fluchtversuchen, die wir uns nicht bieten lassen". Er plant, Auskunftspersonen neuerlich zu laden und auch Beugestrafen zu beantragen.

Kickl selbst wurde übrigens noch nicht in den U-Ausschuss geladen. Dieser stehe auf der Ladungsliste "in der Priorität ganz oben", betonte Hanger. Allerdings sei noch nicht entschieden, an welchem Tag er geladen werden soll. Viel Zeit bleibt dafür jedenfalls nicht. (Sandra Schieder, 12.3.2024)