Die Stadt Salzburg hat nicht bei jeder Wahl die Chance, zu einem zweiten Graz zu werden. Allein dass dieser Fall am Palmsonntag zwar nicht übermäßig wahrscheinlich, aber im Bereich des Möglichen ist, beflügelt professionelle und Freizeit-Analysten der Politik zu Versuchen, ein Phänomen zu erklären, das ihnen offenbar schwer im Magen liegt, ohne dass sie genau sagen könnten, warum eigentlich. Vor allem ist es das K-Wort. Ganz tief ins analytische Fettnäpfchen griff dabei Altbundeskanzler Schüssel, der im "Kurier" verkündete, "die Marke KPÖ ist toxisch", und damit bewies, dass er nicht zu alt ist, um sich modischer Worte bedienen zu können. "Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Ich bin so alt wie die Republik."

Wolfgang Schüssel beim Wahlkampfauftakt der Innsbrucker ÖVP.
Wolfgang Schüssel und der Kommunismus: Aufarbeitungskultur des Nationalsozialismus durch Koalition mit Haider-FPÖ?
APA Expa Johann Groder

Aufarbeitungskultur und Haider-Koalition

Wem dieser Beweis nicht reicht, für den hat Schüssel noch die Information, offensichtlich haben wir völlig vergessen, darauf hinzuweisen, was Stalin, was Mao angerichtet haben, Millionen Tote und Menschheitsverbrechen. Ob dieser Hinweis auf die Vergesslichkeit jemanden davon abhalten könnte, in ein paar Tagen Kay-Michael Dankl zu wählen, darf bezweifelt werden.

Erst recht, wenn Schüssel in einem Atemzug von einer Aufarbeitungskultur, was die Verbrechen des Nationalsozialismus betrifft, schwärmt, wozu er offenbar auch seine Koalition mit Jörg Haider rechnet. Das haben seinerzeit viele unfassbar gefunden, weil es nur dazu diente, ihn zum Bundeskanzler zu machen. Heute sagt er: Dankl "mag ja ein netter junger Mann sein. Aber warum der unter KPÖ kandidiert, das muss mir einer erklären". Man "sollte ihm dringend empfehlen, diese Marke blitzartig aufzugeben. Denn das finde ich unfassbar."

Gar kein waschechter Kommunist

Dass Dankl, wie von Schüssel verlangt, unter der Last dieser Argumentation zusammenbrechen wird, ist eher nicht zu erwarten. Von Sebastian Kurz hat Schüssel ja auch nicht erst die Aufarbeitung der Verbrechen des Austrofaschismus verlangt, ehe ihm sein Anspruch auf die Kanzlerschaft fassbar erschien. Es gibt aber auch Analysten, die von einem heute Dreißigjährigen nicht erst die Aufarbeitung der Verbrechen von Stalin und Mao fordern, ehe er sich politisch betätigen darf.

Einer davon ist den Ursachen von Dankls Erfolg tiefer auf den Grund gegangen als Schüssel, und das ausgerechnet in der "Presse". Die blinde Verteidigerin des Privateigentums, die konservative ÖVP, betätigt oftmals auf hohem Level wie tiefem Niveau die Orgel provinzieller Korruption. In Salzburg hatte man jedenfalls die Volkspartei bis oben hin satt, sie wurde fast halbiert. Und ferner: Die Mieten in der Festspielstadt sind vielfach unleistbar geworden, dafür wird die Stadt von Touristen und Autos überschwemmt, der öffentliche Verkehr liegt im Argen.

Wie sollen sich die Wählerinnen und Wähler auskennen? Die einen werfen Dankl Stalin und Mao vor, die anderen, dass er gar kein waschechter Kommunist ist. In der "Kleinen Zeitung" konnte ein Mitarbeiter der Denkfabrik Agenda Austria nur milde lächeln. Kommunisten! Die urbanen Lifestyle-Linken aus Salzburg sind es ja nur dem Namen nach. Ihr Wahlprogramm ist eine windelweiche Einschlaflektüre. Warum sie sich trotzdem KPÖ nennen und sogar noch ein Plus anfügen, wo doch eigentlich ein Minus viel logischer wäre?

Punschkrapfen würden Lifestyle-Linke wählen

Und wer ist schuld? Ganz einfach: Die Wähler wollen das so. Die österreichischen Punschkrapfen vergöttern den Kommunismus. Und wenn die KPÖ schon beim Wohnungsthema höhere Kompetenz hat, ist das nur ein Beweis wofür? Na für die ganze österreichische Bildungsmisere. Beweis: Die Realsozialisten des 19. Jahrhunderts – gemeint dürften die des 20. Jahrhunderts sein – hatten für Wohnungspolitik kein gutes Händchen. Der Wohnungsbestand der DDR war 1989 systematisch heruntergewirtschaftet. Leistbares Wohnen. Zumindest für die Glückspilze, deren Wohnung noch nicht weggeschimmelt war.

Nicht nur Stalin und Mao, jetzt auch noch der Schimmel in DDR-Wohnungen! Jeder normale, linientreue Kommunist würde unter dieser historischen Last zusammenbrechen. Aber diese teuflische Koalition von urbanen Lifestyle-Linken und österreichischen Punschkrapfen, von denen die einen den Kommunismus vergöttern und die anderen nur heimtückisch daran denken, einfach den Marktmechanismus auszuschalten, wird noch den Untergang Österreichs herbeiführen. Dabei geht es in der KPÖ nur um eines, wie der "Falter" enthüllt: Mehrere hundert aufmüpfige Junggrüne machten die greise Partei wieder fit. Wenn das nur Wolfgang Schüssel wüsste! (Günter Traxler, 16.3.2024)