Erst kürzlich aus einem überfüllten Railjet geflogen oder wegen Streiks einer Airline gar nicht erst abgehoben? Wer sich häufiger mit den Niederungen des Nahverkehrs herumärgert oder noch vor Reiseantritt wegen eines Flugausfalls im Flughafengebäude verharrt, dem muss Helge Sobiks neues Buch wie ein Hohn vorkommen. In "Gestrandet" schwärmt der Weltenbummler auf beinahe 300 Seiten davon, wie herrlich es ist, auf Reisen picken zu bleiben. Doch der Autor unzähliger Reisebüchlein hat zum einen Glück, wenn er dort strandet, wo andere gar nie hinkommen – etwa auf den Malediven. Zum anderen vermag er es tatsächlich zu beurteilen, wie unverhofft glücksbringend Begegnungen mit der Welt da draußen sein können, nur weil man die Fähre verpasst hat, einen der Goldrausch packt oder eine Giraffe den Heimweg versperrt. Ein paar Beispiele vom Stranden als beglückende Erfahrung gefällig?

Eine Frau in der Hängematte auf einer Palme
Hängen bleiben auf den Malediven ist wohl für die meisten Urlauber ganz okay.
Getty Images/iStockphoto

Radurlaub auf den Malediven

Als Sobik im südlichsten Atoll der Malediven recherchiert, wird der Indische Ozean über Nacht von einen Tropensturm überzogen. Der Zubringerflug zum internationalen Flughafen in Malé entfällt, was dem Autor eine unverhoffte Erfahrung mit einer bemerkenswerten touristischen Randerscheinung auf den Malediven beschert: Fahrradurlaub auf der mit 17 Kilometer längsten Asphaltstraße der Inselgruppe. Mit einem einfachen Drahtesel ohne Gänge und Klingel sowie sandverpickten Reifen radelt er das gesamte mit fünf Brücken und Dämmen verbundene Addu-Atoll in zwei wetterbedingten Bonustagen auf dem Inselparadies ab.

Die Kykladeninsel Folegandros.
Die Kykladeninsel Folegandros

Sightseeing mit dem Popen von Folegandros

Es ist wohl doch kein Zufall, dass manche Kykladeninseln weniger überlaufen sind als andere – obwohl sie genau so schön sind wie die bekannteren. Ein gutes Beispiel ist das eine Dreiviertelstunde von Santorin entfernte Eiland Folegandros. Außerhalb der Hochsaison ist dort meist recht wenig los, weil auch die Fährverbindungen spärlicher werden. Verspätungen, die den Rückflug, den man auf der Nachbarinsel anzutreten plant, vereiteln, kommen aber auch im Juli und August wieder vor. Der Autor von "Gestrandet" war das Opfer einer solchen und durfte länger bleiben. Genutzt hat er den Aufenthalt dafür, den Popen von Folegandros nach seinen persönlichen Highlights auf der Insel zu fragen, und so entdeckte Sobik nicht nur wenig besuchte Kapellen, sondern auch einen einsamen Strand.

Eine Giraffe als Straßenblockade.
Giraffe, Geländewagen

Großwild in Kenia länger betrachten

Die Masai Mara in Kenia? Besuchen die meisten Reisenden ja deshalb, um möglichst viele große Tiere möglichst lange beobachten zu können. Warum sich also aufregen, wenn man unverhofft "extra time" mit der Fauna bekommt? Als sich Sobik einmal auf dem Rückweg vom Busch in die Hauptstadt Nairobi befand, brachte strategisch auf Straßen, Brücken und Pisten verteiltes Großwild seinen Zeitplan völlig durcheinander. Eine Löwenfamilie, eine Elefantenherde, ein einsames Nashorn und Giraffen sorgten auf dem Rückweg jeweils so lange für Umwege und Blockaden, dass Sobik mit dem Geländewagen bereits in der Dunkelheit zur Lodge umkehren und die lange Reise nach Nairobi auf den nächsten Tag verschieben musste.

Die korrekte Benutzung der Öffis in Tokio stellt viele vor Herausforderungen. 
Kreuzende Züge in Tokio

In einem Tokioter Tempel Ruhe finden

Freundliches oder gar als Zustimmung gedeutetes Nicken sollte man in Tokio nie überinterpretieren. Schon gar nicht, wenn man jemanden nach dem Weg fragt und der oder die Befragte keine Ahnung hat. So ist es auch Sobik passiert, dass er in der japanischen Metropole just die U-Bahn, die in die diametral entgegengesetzte Richtung fuhr, bestieg und erst dadurch eine Entdeckung machte. Die unglaubliche Ruhe im Viertel Nihonbashi. In einer Seitengasse, die mit stilvollen Papierlampions geschmückt ist, beten Gehetzte auf ihrem Weg zur Arbeit den Suitengu-Schrein an und entschleunigen dabei sich selbst und all ihre Beobachter. Es ist wie eine Filmszene aus dem alten Japan, das da unverhofft zwischen den Tokioter Bürotürmen zum Standbild einfriert.

Die Kulissenstadt Dawson City im Nordwesten Kanadas.
Die Kulissenstadt Dawson City im Nordwesten Kanadas

Die Goldgräberstimmung am Klondike River verstehen 

In Nordwesten Kanadas hatte Sobik Glück: Im Gegensatz zu vielen anderen vor ihm kam er wieder schnell genug weg von der Wildwest-Kulisse von Dawson City, die schon nach wenigen Tagen ziemlich eintönig werden kann. Doch bei einem Besuch des kanadischen Nordwestens erlebte der Autor mit eigenen Augen, dass dort bis heute Menschen dem Goldrausch verfallen sind und viele Jahre bleiben. In der Hoffnung, auf nennenswerte Goldfunde zu treffen, verkaufen Leute noch immer ihr gesamtes Hab und Gut für eine Suchausrüstung, finden dann aber zu wenig von dem Edelmetall, um die Rückreise von dem öden Ort finanzieren zu können. (Sascha Aumüller, 22.3.2024)