Die Vorstellung, es ginge bei diesem Betrug nur um ein Sparschwein, ist leider romantisiert. Die vollgestopften "Schweine" sind vielmehr die Opfer, die hier hohe Geldsummen verlieren.
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Es fängt meistens ganz harmlos an. Mit einer Textnachricht. "Sorry, falsche Nummer", wird dann oft geschrieben. Dann meldet sich die unbekannte Person wieder. Fragt nach persönlichen Dingen, dem Namen und den Hobbys. Danach werden Social-Media-Profile nach weiteren Interessen durchsucht und die Vertrauensbasis weiter gestärkt. Irgendwann dreht sich das Gespräch in Richtung Finanzen und Investitionen. Der eigentlich unbekannten Person soll Geld überwiesen, oder es soll in Kryptowährungen investiert werden. Den Opfern bleiben ein hoher finanzieller Schaden und in vielen Fällen auch persönliche Rückschläge aufgrund des Vertrauensbruchs.

In den letzten vier Jahren haben diese groß angelegten Online-Betrügereien einen Schaden von rund 75 Milliarden Dollar verursacht, so eine aktuelle US-Studie. Einen Namen hat die Methode ebenfalls: "Pig Butchering", angelehnt an die Methode von Landwirten, Schweine vor dem Schlachten zu mästen.

Romantischer Scam

Der Trend nimmt Ende 2020 Fahrt auf. Viele Menschen sitzen allein zu Hause und suchen nach Unterhaltung und Beschäftigung. Neben vielen Einzeltätern formieren sich vor allem "kriminelle Netzwerke", erklärt der US-Universitätsprofessor John Griffin in einem Interview mit "Time Magazine" im Februar dieses Jahres. Dort erzählt er von Fällen, in denen Einzelpersonen mehrere Hunderttausend Dollar an die Unbekannten überwiesen. Ein Banker soll über 47 Millionen bei seiner Bank abgehoben haben, um sie an einem dieser Scams zu verlieren.

Nun könnte man fragen, wie man so naiv sein kann, Unbekannten solche Unsummen zu überweisen? Aber eben das ist der Trick beim Pig Butchering. Im Gegensatz zu anderen Scam-Methoden, die etwa versuchen, durch überraschende Fake-Anrufe – Stichwort "Enkeltrick" – und dem dadurch ausgelösten Zeitdruck schnell zumindest ein paar Tausend Euro zu ergaunern, setzt diese Methode auf den langfristigen Aufbau von Vertrauen. Als Erstkontakt werden neben den eingangs erwähnten SMS auch bekannte Apps wie Tinder, Instagram oder Bumble genutzt.

Neben dem Gewinn von Vertrauen durch nette Nachrichten, Herz-Emoticons und später auch Telefonanrufe sollen die Opfer davon überzeugt werden, dass man ihnen nichts Böses will. Mittelfristig werden Investitionsmöglichkeiten von den Unbekannten angeboten. Durch Fake-Apps können die Täter Beträge des Opfers annehmen oder sie in einer Fake-Krypto-Börse einzahlen lassen. So können kleine Gewinne an die Neo-Investoren zunächst ausgezahlt werden, um von der erfolgversprechenden Investition, von der der Täter erzählt hat, endgültig zu überzeugen.

Die eingesetzten Summen werden höher, bis das Opfer an seine finanziellen Grenzen stößt und sich Geld vielleicht sogar leihen muss. Nun kommt es zur "Schlachtung", dem Butchering. Ist das Geld in eine Krypto-Wallet oder einem anderen Transfermedium eingezahlt worden, bricht der Kontakt zu den Unbekannten ab – das Geld ist weg.

Bestellung im Darknet

Das Konstrukt hinter Pig Butchering ist komplex. Zunächst gibt es die sogenannten Betrugsfabriken. Diese finden sich oftmals in Ländern wie Myanmar, Kambodscha oder den Philippinen. Dort werden hunderttausende Menschen "gefangen gehalten und gezwungen, diese Betrügereien durchzuführen", erklärt eine Expertin dem Bayrischen Rundfunk. Die "Gefangenen" werden dazu gezwungen, für Fotos herzuhalten und die Konversationen mit den potenziellen Opfern zu starten.

Die technischen Werkzeuge für diese Art des Betrugs finden sich im Darknet. Vor allem organisierte Gruppen aus China stellen diese technischen Komponenten zur Verfügung, die dann von Verbrecherbanden auf der ganzen Welt genutzt werden können. Zu Beginn seien diese Komponenten noch "relativ primitiv" gewesen, wie es etwa der Betrugsforscher Sean Gallagher beschreibt. Über die letzten Jahre wurden die Methoden allerdings immer ausgefeilter. Das Herunterladen von Fremd-Apps, egal ob über den Apple App Store oder den Google Play Store, sei nicht mehr nötig.

Bei neueren Fällen laufe der betrügerische Kryptohandel über "legitime, bekannte Kryptowährungs-Apps", so gewährt man "den Betrügern wenn auch unwissentlich direkten Zugriff auf die Geldbörse". Das Netzwerk im Hintergrund bleibe verschleiert, weshalb eine Verfolgung durch Behörden massiv erschwert werde. "Noch nie war es so einfach, Opfer eines Pig-Butchering-Betrugs zu werden, und noch nie war es so wichtig, sich der Existenz dieser Betrügereien bewusst zu sein und zu wissen, worauf man achten muss", erklärt Gallagher.

Problem Kryptowährung

"Früher wäre es extrem schwierig gewesen, so viel Bargeld durch das Finanzsystem zu bewegen", erklärt der US-Professor Griffin im "Time Magazine". "Man musste über die Banken gehen oder Bargeld in Säcke packen." Mit Kryptowährungen sei das heute einfacher. 84 Prozent der Transaktionen seien zudem in Tether umgewandelt worden, sagt die Studie von Griffin. Dem widerspricht der CEO von Tether Paolo Ardoino vehement. Jede Aktion mit Tether sei "online und rückverfolgbar", und damit könne "jeder Verbrecher gefangen" werden. Man arbeite eng mit den Behörden zusammen, verteidigt sich Ardoino.

Experten kommentieren diese Aussage, dass die Aufdeckung des Betrugs und die nachfolgende Kontaktaufnahme mit den Behörden in der Regel zu langsam seien. Bis dahin hätten Scammer längst die Kryptowährung in Bargeld umgewandelt. Als größter Umschlagplatz wird in der Studie die Kryptobörse Binance genannt. Da Binance schon davor als Geldwäscheplatz erkannt wurde, musste das Unternehmen im November 2023 4,3 Milliarden Dollar Strafe zahlen. Mittlerweile arbeitet Binance laut eigenen Aussagen enger mit den Behörden zusammen. Erst kürzlich sollen verdächtige Accounts im Wert von 112 Millionen Dollar gezielt eingefroren worden sein. Es handelte sich dabei laut Binance um einen "Pig Butchering"-Fall.

Krypto oder die Blockchain sei allerdings nicht das Problem, ist sich Florian Wimmer, CEO der Linzer Firma blockpit sicher. Die auf Betrügereien und Regulierungen des Kryptomarktes spezialisierte Firma hat zu dem Thema natürlich eine starke Meinung. Diese Art von Betrug gäbe es mit allem was "irgendwie interessant klingt", meint Wimmer. Mit dem neuen Allzeithoch von Bitcoin und der starken Medienberichterstattung zum Thema würde Krypto zu einem "schönen Narrativ" machen. Der Experte: "Wenn der Nachbar 'über Nacht reich geworden ist', dann lockt so ein Angebot gleich viel mehr und die Gier überschattet die Skepsis."

Die Spuren von direkten Geldüberweisungen seien laut Wimmer ohnehin leichter zu verwischen, als Kryptoassets auf einer Blockchain. Auch ältere Menschen, oftmals Zielgruppen von solchen Online-Scams, wären zum Teil gar nicht in der Lage eine Krypto-Zahlung zu tätigen. "In beiden Fällen verschwindet das Geld aber innerhalb von Minuten vom Konto oder der Wallet des Empfängers und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wieder zu erlangen."

Wie man sich schützt

Die Strategien, wie man sich gegen einen solchen Betrug schützt, ähneln jenen, die auch für andere Onlinescams gelten. Skepsis gegenüber Fremden, die sich über Social Media oder via SMS melden und das Gespräch rasch auf einen privaten Messenger wie Whatsapp verlegen wollen. Auch auf Dating-Apps, wo es bald um das Thema Handel von Kryptowährungen geht, sollte man vorsichtig sein.

Die Masche "Schnell reich werden" klingt immer verlockend, ist aber in den meisten Fällen ein falsches Versprechen, mit dem man sehr viel Geld verlieren kann. Außerdem hilft es, sich das Thema gegenwärtig zu halten, also Artikel über Romantik- oder Anlagebetrügereien durchlesen oder mit dem Thema vertraute Institutionen befragen, beispielsweise das Cybercrime Support Network.

Ist man bereits Opfer von Pig Butchering oder ähnlichen Scams, sollte man das Geld sofort aus den betroffenen Geldbörsen abheben und die Behörden kontaktieren.

Scam rückt näher

Die größten Fälle kennt man aktuell aus den USA, und während in Österreich noch wenig berichtet wurde, werden beim Nachbarn in Deutschland bereits Pressekonferenzen zu dem Thema abgehalten. 29 Millionen Euro sollen vor allem junge Männer, die von angeblichen Schönheiten auf Dating-Apps angeschrieben wurden, bisher bei Pig Butchering verloren haben, erzählt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich Anfang der Woche. Die Dunkelziffer, so der Minister, soll aber weitaus höher sein, da es sich um ein schambehaftetes Delikt handle.

Bei der Aufklärung tappt man meist im Dunkeln. Zwar gebe es Chatprotokolle, die man auswerten könne, aber die Spuren würden immer wieder ins Nichts führen oder in Länder, wo eine Rechtshilfe in solchen Fällen nicht geleistet wird. Opfer eines solchen Scams zu werden kommt in den meisten Fällen deshalb teuer, ohne große Chancen, das Geld je wiederzusehen. Wimmer warnt deshalb eindringlich: "Was zu gut klingt um wahr zu sein, ist es meist auch". Sein Tipp, man solle doch den Namen des angebotenen Projekts in einer Suchmaschine eingeben und die Worte "Scam" oder "Betrug" ergänzen. Meist finde man dann bereits Artikel oder Blog-Beiträge zu dem Thema, oftmals sogar von offiziellen Stellen. (Alexander Amon, 24.3.2024)