Es sind zwar nur vier Seiten, aber die sind brisant: Auf ihnen zu lesen sind zahlreiche Ideen zur "Verbesserung des Images von Russland in Österreich". Zum Beispiel: Veranstaltungen und Events wie ein "Russlandfest" auf dem Wiener Rathausplatz mit Helene Fischer und Russkaja. Oder die Verlosung von Tickets für Matches des FC Chelsea, der damals dem Oligarchen Roman Abramowitsch gehörte.

Auch Vorschläge zur "Durchsetzung einer russlandfreundlichen Berichterstattung hinsichtlich Wirtschaft und Politik" sind aufgelistet, ebenso Ideen für Sponsoring und interkulturellen Austausch.

Entworfen wurde das Konzept von Artindustrial, einer Agentur aus Oberösterreich. Deren Geschäftsführer Kurt Kaufmann sagt dem STANDARD, dass das Dokument im Auftrag des österreichisch-russischen Geschäftsrat entstanden sei. Man sei im Namen von Wladimir Artjakow an die Agentur herangetreten, um ein solches Konzept zu erstellen. Artjakow ist Vizepräsident des staatlichen Konzerns Rostec, der auch Verbindungen zur russischen Rüstungsindustrie hat, und steht mittlerweile etwa auf der US-Sanktionsliste.

Damals, 2018, war das noch anders und Artjakow gern gesehener Partner von vielen österreichischen Wirtschaftstreibenden. Kaufmann hätte das Konzept gerne ausgearbeitet, allerdings sei in Folge kein Auftrag gekommen und auch nie Geld geflossen.

Fakt ist allerdings – zur Verwunderung der Agentur –, dass die Überlegungen ins blaue Verkehrsministerium gelangt sind – und dort nicht unbeachtet blieben.

"Nicht beauftragt, nicht bezahlt"

So geht aus den ministeriumsinternen Unterlagen, die dem STANDARD vorliegen, hervor, dass der damalige Generalsekretär Andreas Reichhardt im Mai 2018 einer russischsprachigen Mitarbeiterin anordnete, die "Kampagne_Russland.pdf" zu übersetzen.

Auf Anfrage bestreitet der damalige Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) vehement, das Konzept zu kennen. Er wisse davon nichts, das Dokument sei wohl von extern an das Ministerium herangetragen worden, was nicht unüblich sei, sagt ein Sprecher des Dritten Nationalratspräsidenten.

Russlands Präsident Wladimir Putin war bereits öfters in Österreich zu Besuch – zuletzt im Jahr 2018.
Georges Schneider / picturedesk.

Vorschläge wurden realisiert

Unklar ist, was nach der ministeriumsinternen Übersetzung mit dem Dokument geschah. Reichhardts E-Mail stammt vom 25. Mai 2018; wenige Tage später war der russische Präsident Wladimir Putin zu Gast in Wien. Reichhardt selbst ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Zahlreiche Vorschläge des Konzepts wurden später jedenfalls realisiert – vermutlich unabhängig von dem Konzept, das ja laut Agentur nie im Detail ausgearbeitet wurde. Der staatliche russische Energiekonzern Gazprom stieg beispielsweise als Sponsor beim FK Austria Wien und den Salzburger Festspielen ein; über einen Unternehmer gingen Vorschläge rund um etwaige Forschungskooperationen zur Verwaltungsakademie des Bundes, und man besprach auf Ministerebene ein "österreichisch-russisches Jahr der Jugend".

"Kreml-Kuschelkurs" der FPÖ

Die Unterlagen wurden auch dem Untersuchungsausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch" geliefert. Die Grünen hatten vor einem Monat an alle einst FPÖ-geführten Ministerien einen ergänzenden Beweisantrag zur "Übermittlung sämtlicher Akten und Unterlagen im Zusammenhang mit der Russischen Föderation" gestellt.

Fraktionsführerin Meri Disoski sieht darin einen weiteren Beweis, dass die FPÖ "in der Regierung ihren Kreml-Kuschelkurs fortgesetzt und ihren Freundschaftsvertrag mit Putins Partei mit Leben gefüllt" hat. Im U-Ausschuss will sie nun die Frage klären, ob "blaue Ministerinnen und Minister ihre Regierungsämter für Russland-Propaganda und zum Schaden Österreichs missbraucht" haben und, wenn ja, was "für die FPÖ dabei rausgeschaut" habe.

Auch das Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler, das große Teile des BMVIT übernommen hat, sieht einen "sicherheitspolitisch fragwürdigen" Vorgang. Man habe alle Unterlagen an den U-Ausschuss übermittelt und hoffe auf Aufklärung.

Die FPÖ hatte bekanntlich schon im Dezember 2016 einen "Freundschaftsvertrag" mit Putins Partei Einiges Russland unterschrieben. Seitens der Partei hieß es in den vergangenen Jahren immer wieder, dass dieser mittlerweile gekündigt worden sei. Tatsächlich dürfte es aber so sein, dass die Freiheitlichen im Juni 2021 eine Kündigungsfrist verstreichen lassen haben, weshalb die auf fünf Jahre geschlossene Vereinbarung zumindest formal bis Ende 2026 verlängert wurde.

Disoski fordert FPÖ-Chef Herbert Kickl nicht zuletzt deshalb auf, "die vielfach behauptete, aber niemals bewiesene Kündigung seines Freundschaftsvertrags endlich offenzulegen". Kickl wurde von der ÖVP für den 11. April als Auskunftsperson in den U-Ausschuss geladen. (Sandra Schieder, Fabian Schmid, 21.3.2024)