Social Media gleich nach dem Aufstehen - keine gute Idee, wenns nach den Fans des Low Dopamine Morning geht
Social Media gleich nach dem Aufstehen – keine gute Idee, wenn es nach den Fans des "Low-Dopamine Morning" geht.
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Ein Social-Media-Trend, der unter anderem Social-Media-Verzicht predigt – irgendwie ja schon skurril. Unter dem Sammelbegriff "Low-Dopamine Morning" lassen sich Entwürfe zusammenfassen, die den achtsamen Umgang mit der eigenen Dopaminausschüttung in der Früh beschreiben. Manche, wie die norwegische Fitnessinfluencerin Camilla Lorentzen, berichten von verringerten Symptomen bei ihrer ADHS-Erkrankung, andere schreiben davon, sich einfach klarer und wacher zu fühlen. Was sie alle gemein haben: Der Tag startet – Ganz. In. Ruhe.

Die Regeln für einen Low-Dopamine Morning sind denkbar einfach: kein Scrollen durch Social-Media-Timelines in den ersten 30 bis 60 Minuten nach dem Aufstehen, Verzicht auf koffeinhaltige Getränke in derselben Zeitspanne. Dazu kommt eine leichte Stretching- oder Sporteinheit, um den Körper ein wenig auf Touren zu bringen (aber wiederum nicht zu überfordern). Wenn es Tageszeit und Wetter hergeben, schaden einige Sonnenstrahlen auf der Haut ebenfalls nicht. Außerdem soll eine leichte Aufgabe wie Blumen gießen, Müll rausbringen oder Wäsche aufhängen erledigt werden. Wenn man möchte, kann man auch noch eine To-do-Liste für den Tag schreiben. Das Ganze wird abgerundet von einem möglichst proteinreichen Frühstück. Und: Man ist ready für den Tag!

Wofür das alles?

Wer in diesem Trend Selbstkasteiung wittert, reagiert vielleicht etwas überzogen, hat im Grunde aber nicht ganz Unrecht. Im Selbstversuch fehlte der obligatorische Griff zum Handy samt Instagram-Update noch vom Bett aus anfangs schon. Ebenso der heißersehnte Kaffee. Wer in den Regeln seine ohnehin alltägliche Morgenroutine wiedererkennt: Well done, dein Dopaminspiegel scheint stabil zu sein!

Wem der Sinn des Ganzen bisher noch verborgen bleibt, den könnte der Hintergrund des Trends umstimmen: Sowohl Inhalte und Interaktionen in den sozialen Medien als auch Koffein und Zucker triggern die vermehrte Ausschüttung des Hormons Dopamin, das in unserem Gehirn als Neurotransmitter wirkt und eine zentrale Rolle im Umgang mit Belohnung spielt. Die Folge: Wir wollen mehr davon, hängen stundenlang am Handy oder "brauchen" den Morgenkaffee. Diese schnellen Reize sollen beim Low-Dopamine Morning durch andere, positive Erfahrungen in der Früh ersetzt werden – Bewegung, Tageslicht, das Gefühl, bereits etwas erledigt zu haben.

Die ganze Palette an Aufgaben jeden Tag, und vor allem jeden Tag vollständig, abzuarbeiten wirkt auch nach mehreren Testtagen wenig umsetzbar. Aber: Das muss ja vielleicht auch gar nicht das Ziel sein. Wenn man nicht auf proteinreiche Kost zum Frühstück steht oder am Morgen einfach nichts runterbringt, muss man sich wirklich nicht zum High-Protein-Porridge zwingen. Keine Zeit für Sport in der Früh oder keine Motivation, die Stretchingmatte auszurollen? Dann versucht man es halt mit simplem Nackendehnen. Auch wenn man nur einzelne Schritte in seinen Morgen integriert, kann das schon nett sein. Bei mir bleibt es jedenfalls dabei: Den ersten Kaffee gibt es erst nach einer Stunde. Anscheinend hat es den Low-Dopamine-Morning-Trend gebraucht, um einzusehen, dass mir das besser bekommt. (Nina Schrott, 23.3.2024)