Um die Ukraine im Krieg gegen Russland bestmöglich unterstützen zu können, sucht die Europäische Union dringend nicht nur schwere Waffen, Flugzeuge und Munition. Die Gemeinschaft mit 27 Mitgliedsländern benötigt vor allem Geld. Sehr viel Geld. Mittel für Kriegsgerät machen bisher den geringeren Teil der Maßnahmenpakete aus. Der größere Teil fließt als Finanzhilfe zur Aufrechterhaltung des Staates, für Pensionen, Beamtengehälter, Schulen oder Spitäler nach Kiew.

Aber beides, Waffen und Geld, ist derzeit Mangelware. Die EU-Staaten können der Ukraine nicht liefern, wie sie möchten und politisch seit Februar 2022 versprechen. Sie stoßen ständig an ihre Limits, auch aus politischen Gründen. Wo und wie man hilft, ist meist umstritten.

Der Ukraine gehen zunehmend die Artilleriegeschosse aus, die EU kann nur begrenzt nachliefern.
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Es gibt Quertreiber wie das Moskau-freundliche Ungarn oder einander deutlich widersprechende nationale Interessen. Ein besonderes Kapitel sind die vier Nichtmitglieder der Nato wie das neutrale Österreich mit militärischen Vorbehalt.

Das alles ist nur schwer unter einen Hut zu kriegen, wie sich beim jüngsten EU-Gipfel diese Woche in Brüssel wieder gezeigt hat. Als die Staats- und Regierungschefs Freitagnachmittag in ihre Hauptstädte zurückflogen, hatten sie ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Stärkung der Ukraine auf den Weg gebracht. Es wird Verbesserung geben. Aber bis endgültige Entscheidungen fallen, die in die Realität umgesetzt werden, sind zähe Prozesse nötig.

Konkretes Beispiel: Im März 2023 wurde von den EU-Verteidigungsministern beschlossen, Kiew eine Million Stück Artilleriegranaten des Kalibers 155 Millimeter zu liefern. Weil Frankreich auf Anschaffung nur aus europäischen Beständen pochte, dort jedoch viel zu wenig verfügbar war, wurde nicht einmal die Hälfte der Menge geliefert.

Zu wenig, zu langsam

Vor ein paar Wochen machte Tschechiens Regierung öffentlich, dass sie 800.000 Granaten weltweit ankaufen werde, und suchte Co-Finanziers. In den nächsten Wochen soll der Deal über die Bühne gehen. Die Ukrainer brauchen sie dringend zur Selbstverteidigung.

Zwar wurde schon vor dem EU-Gipfel fixiert, dass die Staaten bis 2027 rund fünf Milliarden Euro ins EU-Budget einzahlen wollen, die für Rüstungskäufe eingesetzt werden können. Aber brauchen würde man das Geld natürlich jetzt.

Viktor Orbán und Robert Fico versuchen einmündig, Hilfen für die Ukraine zu stoppen.
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Dieses Muster gilt für fast alle Maßnahmen im militärischen Bereich. Deshalb hat die Kommission einen weiteren Finanzierungsvorschlag gemacht. Im Zuge der Sanktionen gegen Russland wurden Vermögenswerte von geschätzt 200 Milliarden Euro auf europäischen Konten eingefroren, vor allem Rücklagen der russischen Staatsbank. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell hat errechnen lassen, dass rund drei Milliarden Euro pro Jahr an Gewinnen anfallen, die man konfiszieren könnte – für Waffenkäufe. Die Staats- und Regierungschefs haben das gutgeheißen. Davor muss es aber einen Vorschlag des Rates der EU geben, wie das konkret laufen könnte; vor allem, wie es rechtlich wasserdicht laufen kann.

Das wird also dauern. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schätzt, dass im Juli erste Gelder freigemacht werden könnten.

Russische Milliarden

Österreich und andere Neutrale haben ein Problem, wenn damit "letale Waffen" gekauft werden. Eine Verwendung der Gelder für den Wiederaufbau in der Ukraine wäre einfacher, gab Kanzler Karl Nehammer zu Protokoll. Estland sieht das ganz anders: Nicht nur Erlöse aus russischen Vermögen sollten sofort verwendet werden, sondern die eingefrorenen Werte insgesamt.

Beim Eurogipfel am Freitag, dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone, brachte Belgien eine neue Idee ein. Die drei Milliarden Euro sollten Basis für Eurobonds sein, Anleihen auf den Finanzmärkten. Damit könnten sogar 50 Milliarden Euro für den Krieg in der Ukraine mobilisiert werden, drei Milliarden Garantie für Zinszahlungen. Auch dabei gibt es Bedenken.

Auch die protestierenden Bauern, etwa in Polen, muss die EU besänftigen. Das kostet Geld.
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Insgesamt knapp 140 Milliarden Euro hat das gemeinsame Europa seit Beginn des russischen Angriffs im Februar 2022 bisher ausgegeben bzw. versprochen. Das hat die EU-Kommission ermittelt. Die Summe deckt "alles, was nötig ist", ab, damit der russische Machthaber Wladimir Putin nicht gewinnen kann – ob es nun direkt aus EU-Budgets oder nationalen Haushalten kommt.

Warten auf die Bankenunion

Und doch ist jetzt schon klar, dass das nicht ausreicht. Der Krieg, dessen Ende nicht absehbar ist, wird noch viel teurer werden. Und die Finanzierung wird nicht einfacher werden: Das Wirtschaftswachstum in Europa wird 2024 schwächer sein als erhofft, die Zinsen nicht rasch sinken. Und die Schaffung eines echten gemeinsamen europäischen Finanzmarktes, einer seit zehn Jahren geplanten Bankenunion, lahmt.

Auch am Freitag überzog Russland die Ukraine wieder mit Angriffen. Dem Land fehlt es immer mehr an Waffen, um sich wehren zu können.

Das ist insofern ein Hindernis, als man über die Märkte extrem viel privates Kapital nach Europa locken müsste, um die hohen Kosten für den ökologischen und digitalen Umbau der Wirtschaft zu stemmen. Daneben nehmen sich die Kosten für die Entschädigung der protestierenden Bauern, die sich gegen Billigimporte aus der Ukraine wie aus Belarus und Russland verwahren, fast gering aus. Neue Kontingente und Zölle sollen die Preise hochhalten.

Womit sich der Kreis schließt. Die Europäer waren schlecht vorbereitet auf einen Krieg dieser Dimension, wie Russland ihn führt. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Waffen, Munition und an Geld. (Thomas Mayer aus Brüssel, 22.3.2024)