Wenn Getrud Wachira sich am Mittwochnachmittag aufmacht, um ihre Freundinnen im kenianischen Kilifi zu treffen, hat sie nicht nur ein Plauscherl im Sinn, sondern knallharte Finanzen. Die Gruppe aus rund 20 Frauen betreibt eine eigene Art eines Sparvereins, auf Kenianisch "Chama". Dies ist eine Genossenschaft, bei der Ersparnisse gebündelt und dann investiert werden.

Frauen sitzen an einem Tisch und führen Buch über das eingenommene Geld.
Frauen für Frauen – nach diesem Motto wird in Kenia Geld eingesammelt, gespart, veranlagt und als Kredit vergeben.
CRISTINA VAZQUEZ / EPA / picture

Ursprünglich handelte es sich bei den Chamas ausschließlich um Frauengruppen, aber als diese immer erfolgreicher wurden, begannen auch Männer, daran teilzunehmen. Gern gesehen sind sie allerdings nicht. Finanzen sind in Kenia Frauensache. Die Chama-Struktur wird in ganz Afrika verwendet, ist jedoch in Kenia, wo das Wort seinen Ursprung hat, besonders beliebt. Dort gibt es schätzungsweise 300.000 Chamas, die ein Vermögen von insgesamt 300 Milliarden kenianischen Schillingen oder rund drei Milliarden Euro verwalten.

Männer nicht gern gesehen

Die ursprünglichen Chamas waren als rotierende Spar- und Kreditvereinigungen strukturiert, bei denen die Mitglieder sich bereiterklärten, bei jeder Sitzung für einen festgelegten Zeitraum, beispielsweise ein Jahr, einen festen Betrag einzuzahlen. Bei jeder Versammlung werden die Gelder eingesammelt, und bestimmten Mitgliedern wird nach einem rotierenden Zeitplan der gesamte eingesammelte Betrag ausgezahlt.

Beispielsweise könnte eine Chama aus zwölf Frauen dieses System monatlich nutzen und jedes Mitglied bei jedem Treffen 1000 Schilling (rund sechs Euro) beisteuern. Bei jedem Treffen werden also 12.000 Schilling gesammelt und an eines der im Terminplan aufgeführten Mitglieder ausgezahlt.

Genaue Prüfung

Das Risiko liegt darin, dass Mitglieder, die sich zu Beginn der Auszahlungsrotation befinden, einen Anreiz haben, aus der Chama auszusteigen, nachdem sie ihre Auszahlung erhalten haben. Die Teilnehmer am Ende der Rotation haben das höchste Risiko, eine geringere oder gar kein Geld zu erhalten, nachdem sie selbst gewissenhaft bezahlt haben. Daher wird genau geprüft, wen man teilhaben lässt.

Eine längerfristige Form von Chama in Kenia wird auf der Grundlage von Anteilen organisiert, die Mitglieder kaufen, um Eigentum an einem Prozentsatz der Investition oder des Einkommens der Chama zu erwerben. Diese Struktur ist einem Investmentfonds sehr ähnlich, allerdings erhält die Führung der Chama keine Vergütung für die Verwaltung des Fonds, außer dem Gewinn aus ihrer eigenen Anlage.

Mitglieder müssen in der Regel eine monatliche Verpflichtung in Höhe einer Mindestinvestition eingehen und ihr Bargeld zu den monatlichen oder wöchentlichen Treffen mitbringen. Die Chama-Führung investiert die gebündelten Mittel nach einem akkordierten Plan.

Investments und Kredite

Im Allgemeinen gewährt die Chama ihren Mitgliedern auch Kredite – dies aber zu horrenden Zinssätzen; üblich sind deftige 20 Prozent pro Monat. Sie investieren auch in Transportmittel (Taxis, Matatu-Sammeltaxis oder Busse), Grundstücke, Mietwohnungen, landwirtschaftliche Betriebe sowie Aktien, Anleihen und andere Finanzprodukte.

Moderne Technologie ist auch an den Chamas nicht vorbeigegangen: "Elektronische Chamas" werden auf Websites und mobilen Apps organisiert, die Menschen aus der ganzen Welt zusammenbringen können. Ein Beispiel für eine Technologieplattform, die Online-Chamas in Kenia ermöglicht, ist Aturi Africa. Ohne Probleme ist das moderne System aber nicht: Chamas, insbesondere solche, die nicht registriert sind – und das sind fast alle –, sind für Missmanagement bekannt.

Anteilsbasierte Chamas leiden gerne unter Veruntreuung durch Beamte, Missmanagement von Geldern, Absprachen mit Kreditnehmern, die nicht zurückzahlen wollen, hohen Ausfallraten bei Krediten und Streitereien darüber, wie die Ersparnisse der Gruppe investiert werden sollen.

Trotz all dem sind die Sparvereine in Kenia zu einem so erfolgreichen Phänomen geworden, dass Banken und Maklerunternehmen begonnen haben, aggressiv Produkte zu entwickeln und an Chama-Gruppen zu vermarkten, um sich ein Stück vom Kuchen zu sichern. (Reinhard Krémer, 30.3.2024)