Wien – ORF-Stiftungsräte hätten im "Kontakt mit der Öffentlichkeit und Medien darauf zu achten, dass Nachteile für das Ansehen des ORF und seine wirtschaftlichen Interessen vermieden werden". So steht es in der Geschäftsordnung des ORF-Stiftungsrats. Und dann gibt es noch Peter Westenthaler. Der von der FPÖ entsandte Neo-Stiftungsrat bekommt bei Wolfgang Fellners oe24.tv wöchentlich eine Bühne, um bei einem Konkurrenzsender gegen jenes Unternehmen zu wettern, das er als Aufsichtsratsmitglied vertritt: den ORF. Dass er sie zu nutzen versteht, ist klar. Die aktuelle Gagendebatte ist dafür prädestiniert und kommt Westenthaler gerade recht, um gegen den ORF vom Leder zu ziehen.

Peter Westenthaler, von der FPÖ nominierter ORF-Stiftungsrat und Ex-Politiker.
Peter Westenthaler, von der FPÖ nominierter ORF-Stiftungsrat und Ex-Politiker.
Screenshot/Ö24.tv

Weißmann soll zum Telefon greifen

Und so stellt Westenthaler die "Charakterfrage": "Kann man es mit einem ruhigen Gewissen verantworten, dass ich 30.000 bis 35.000 Euro (monatlich) von einem Unternehmen kassiere, das aus Steuerzahlergeldern, aus Zwangsbeiträgen finanziert wird?" Seine Antwort auf die rhetorische Frage ist klar: Nein. Westenthaler will ORF-Generaldirektor Roland Weißmann in die Pflicht nehmen. Er solle anhand jener Liste die 62 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mehr als 170.000 Euro brutto im Jahr verdienen, die "Typen" oder "Abkassierer", wie Westenthaler sie nennt, durchtelefonieren und sie auffordern, dass sie ab dem nächsten Monat auf 50 Prozent ihres Gehalts verzichten. Die Summen könnten an Nachbar in Not oder Licht ins Dunkel gespendet werden, schlägt Westenthaler vor.

Sollten dann Leute wie der "ausgfressene" Pius Strobl nicht einwilligen, müsste Weißmann sagen: "Okay, dann brauchen wir dich nicht mehr. Wiederschauen." Das sollte für alle gelten: "Wer sich nicht daran hält, der muss gehen." Dass es nicht so einfach ist, in bestehende Verträge und Beschäftigungsverhältnisse einzugreifen, ist für Westenthaler kein Thema. Emotionen sind wohl wichtiger als das Arbeitsrecht.

Nebenbeschäftigungen verbieten

Westenthaler will auch die Nebenbeschäftigungen verbieten, "und zwar alle". Es dürfe keine mehr geben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten bei dem Verdienst rund um die Uhr für den ORF da sein, die "meisten machen eh nur wenige Stunden, wenn ich mir die Moderatoren anschaue". Die hätten "sehr viel Urlaub" und würden "vielleicht ein paar Stunden am Tag" arbeiten. Die Leute hätten einen Zorn auf "diese Menschen", die "so in die Kassa des öffentlichen Geldes hineingreifen", glaubt Westenthaler und meint damit nicht nur sich selbst, den ORF-Wutbürger. Um das zu beenden, solle es eine Sondersitzung des ORF-Stiftungsrats geben, wo ORF-Chef Weißmann eine "Gehaltspyramide" und einen "Verzicht" vorlegen solle.

"ORF-Stars" nicht einmal "Sternschnuppen"

Westenthaler hält nichts davon, Begriffe wie "ORF-Stars" zu verwenden: "Die sind international gesehen nicht einmal Sternchen oder Sternschnuppen, die sind gar nichts." Sein Diskussionspendant, SPÖ-Urgestein Josef Cap, sieht die Gagendebatte differenzierter und argumentiert mit dem "Marktwert", was Westenthaler auf die Palme bringt. Für ihn hätten Notfallhelfer, Pfleger oder Chirurgen einen Marktwert – "und die haben 2.000 Euro im Monat". Sich vier Stunden am Tag, von "fünf bis neun in der Früh", vor ein Mikrofon zu setzen und "Witzchen" zu machen, während ein anderer die Musik und die Sendung vorbereite, und "dafür eine halbe Million" zu kassieren, das könne er nicht nachvollziehen, sagte Westenthaler, ohne "Ö3-Wecker"-Moderator Robert Kratky namentlich zu nennen. Kratky steht mit 443.894,39 Euro jährlichen ORF-Bezügen im Jahr 2023 plus 8.500 Euro an monatlichen Nebeneinkünften an der Spitze der ORF-Gehaltsliste.

Gehaltsobergrenze bei 170.000 Euro

Moderatoren würden, "seien wir uns ehrlich", nichts anderes machen, als von der "Autocue" herunterzulesen. Das würden er und Cap auch schaffen, behauptet Westenthaler. "Wir hätten einen Humor auch noch." Ein "besserer Vorleser" käme auf solche Gagen, obwohl er nur "drei Tage in der Woche" abends in einem Studio sitze "und den Rest seiner Zeit auf Twitter verbringt". Er würde eine Gehaltsobergrenze einziehen. Sie sollte bei 170.000 Euro pro Jahr liegen. Das müsse auch für den ORF-Generaldirektor gelten, so Westenthaler. "Und dann eine Gehaltspyramide."

Wrabetz als Schuldiger

"Da kommt dir das Speiben", sagt Westenthaler und meint damit den Auftritt von ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, der am Dienstag in der "ZiB 2" von "Abkassierer" Armin Wolf zu seinem Gehalt befragt wurde. Anhand dieses Interviews sehe man, wie weit Medien und Politik von den Menschen entfernt seien. "Die Bodenhaftung ist in diesem Land völlig verloren gegangen." Der eigentliche "Initiator" und "Unterzeichner" dieser Verträge sei Alexander Wrabetz, langjähriger ORF-Generaldirektor und Vorgänger von Roland Weißmann. "Der hat sie zu verantworten." Dass Westenthaler im Jahr 2006 mit den Stimmen der BZÖ-Stiftungsräte Wrabetz auf den ORF-Chefsessel hievte und sich im Gegenzug zwei ORF-Direktorenposten für das BZÖ sicherte, erwähnte er nicht.

Wie viel ORF-Redakteure jetzt verdienen

Was Westenthaler auch nicht erwähnte, ist die Gehaltstabelle des Kollektivvertrags (KV) des ORF aus dem Jahr 2014, die ganz anders aussieht als jene der älteren Verträge. "Report"-Redakteur Yilmaz Gülüm, der gerade mit Recherchen über desolate Wohnung in Wien, die überteuert an Flüchtlinge vermietet werden, für Furore sorgte, veröffentlichte auf X, vormals Twitter, einen Thread zu den monetären Einstufungen in der ORF-Redaktion. Mit zehn Jahren Berufserfahrung verdiene ein Redakteur 4.027,99 Euro brutto im Monat, schrieb Gülüm.

Derzeit würden Redakteurinnen und Redakteure auch nur mit Teilzeitverträgen angestellt, führt er aus. Und: "Durchschnitts- oder Spitzengehälter sagen – wie immer – nichts darüber aus, wie es z. B. Berufseinsteigern und jungen Mitarbeitern geht. Die sind z. B. oft freie Mitarbeiter und kämpfen jahrelang, um überhaupt eine Anstellung zu bekommen." Laut ORF-Gehaltstransparenzbericht unterliegen 40 Prozent der Belegschaft dem aktuellen KV. Die ORF-Tochtergesellschaften verfügen über schlechtere Kollektivverträge. Im Schnitt kommen ORF-Angestellte mit einem Vollzeitjob auf rund 90.000 Euro brutto pro Jahr. (omark, 4.4.2024)