Wegen der globalen politischen Spannungen ist Erdöl deutlich teurer geworden und nagt bereits wieder an der Marke von 90 US-Dollar für ein Fass der Nordseesorte Brent. Zuletzt war der Preis im Oktober nach der Terrorattacke der Hamas auf Israel darüber gelegen, bis es in Erwartung schwacher Nachfrage nach unten ging. Nun haben ihm die Sorgen im Hinblick auf die Folgen des mutmaßlich israelischen Angriffs auf die iranische Botschaft in Syrien neuen Antrieb verliehen. Die Vergeltungsdrohungen aus Teheran nähren nämlich den sogenannten geopolitischen Risikoaufschlag, also eine Verteuerung des Ölpreises aus Angst vor einer weiteren Eskalation.

Rohöl wird aus einem Bohrloch gepumpt.
Die freiwilligen Förderkürzungen einiger Mitglieder des Ölkartells Opec plus haben laut der IEA das Gleichgewicht am Ölmarkt verschoben, es droht demnach eine Unterversorgung bis Jahresende.
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Allerdings gibt es auch andere, handfeste Gründe für den Anstieg des Ölpreises um rund 15 Dollar pro Fass seit Dezember, nämlich eine Verschiebung von Angebot und Nachfrage. "Einerseits deutet die unerwartet gute Konjunktur in China und den USA auf einen künftig hohen Verbrauch hin, andererseits schürt die Beteiligung des wichtigen Produzenten Iran an den Spannungen in Nahost neue Versorgungsängste", fasst Stratege Yeap Jun Rong vom Broker IG die Ursachen zusammen.

Starke Kürzungen

Die höhere Nachfrage stößt auf ein ausgedünntes Angebot. Denn vor rund einem Monat gaben Saudi-Arabien und sieben weitere Mitglieder der Opec plus, wie der Zusammenschuss des Ölkartells mit anderen Förderländern wie Russland bezeichnet wird, bekannt, dass sie ihre im November beschlossenen, freiwilligen Förderkürzungen ein Quartal verlängern. Das Volumen dieser Kürzungen umfasst rund 2,2 Millionen Barrel (ein Barrel entspricht etwa 159 Litern) pro Tag.

Das ist jedoch nicht das einzige Programm, mit dem die Opec plus das Angebot am Ölmarkt künstlich verknappt. Zu der 2022 beschlossenen allgemeinen Produktionsverknappung um zwei Millionen Fass kommt eine weitere freiwillige Verknappung von einzelnen Mitgliedern um fast 1,7 Millionen Barrel. Beide Maßnahmen laufen bis Jahresende. Zur Einordnung: Unter Einbeziehung dieser Kürzungen rechnet die Internationale Energieagentur (IEA) für das Jahr 2024 mit einem durchschnittlichen globalen Angebot von 102,9 Millionen Fass pro Tag.

Weniger Exporte

Dazu kommt, dass Mexiko, das kein Mitglied der Opec plus ist, die Erdölexporte in den nächsten Monaten drastisch zurückfahren will. Als Grund dafür gelten die Präsidentschaftswahlen, in deren Vorfeld ausreichend Treibstoffe für den inländischen Markt zur Verfügung stehen sollen. Als Folge rechnet die IEA nun bis Jahresende mit einer Unterversorgung des Markts, sofern die Opec plus bis dahin an ihren Förderkürzungen festhält. Das entspricht freilich einer Kehrtwende um 180 Grad: Im Herbst sah die Organisation wegen schwacher Nachfrage noch eine Unterversorgung im ersten Halbjahr vorher.

Dem Vernehmen nach soll das Ölkartell mit der derzeitigen Marktlage zufrieden sein. So benötigt etwa Saudi-Arabien laut "Handelsblatt" einen Ölpreis von mehr als 90 Dollar, um seinen Staatshaushalt zu finanzieren. Die Opec plus wird voraussichtlich bei ihrem Treffen Anfang Juni über die Fördermengen entscheiden. (Alexander Hahn, 5.4.2024)