Emily ist in Paris nicht erwünscht. So bezeichnete die britische Boulevardzeitung "Daily Mail" die Entwicklung, dass immer mehr Pariser und Pariserinnen von den Touristenmassen genervt sind, die in die Stadt kommen und die Drehorte der Netflix-Serie "Emily in Paris" abklappern. Graffiti und Kritzeleien zeigen Sprüche wie "Emily, casse toi" (auf gut Österreichisch: "Emily, schleich di"), ergänzt von "Paris sud n'est pas à toi" ("Süd-Paris gehört dir nicht") oder schlicht "Emily NOT welcome".

Egal ob es die Lieblingsbäckerei der fiktiven Emily, der Haustür ihres ebenfalls fiktiven Nachbarn Gabriel oder das von ihm in der Serie geführte Restaurant ist, überall tummeln sich Serienbegeisterte. Dass die Orte nicht bloß Filmsets, sondern Alltag für Einheimische sind, gerät da gern in den Hintergrund. Unter Pariserinnen und Parisern sind die Gruppen an Fans mittlerweile als "l'invasion des imbéciles" ("Invasion der Idioten") bekannt. Eine Entspannung der Situation scheint nicht in Sicht, momentan wird nämlich die vierte Staffel gedreht.

Der Trend, reale Drehorte von Filmen und Serien zu bereisen, nennt sich Set-Jetting. Über den Globus verteilt führt das Phänomen zu Übertourismus und damit einhergehenden Problemen wie Müllbergen, Wasserknappheit oder Verschmutzung, um nur ein paar zu nennen. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Strand Maya Bay auf der thailändischen Inselgruppe Ko Phi Phi aus dem Film "Der Strand" (1996), der wegen Menschenanstürmen zwischendurch immer wieder geschlossen werden muss. Auch das kroatische Dubrovnik, Drehort für Szenen aus der Serie "Game of Thrones", ächzt unter den Touristenmassen.

Ruhe vor dem Sturm?

Anfang April lancierte Netflix die Serie "Ripley" über das Leben des fiktiven Tom Ripley, eines Kleinkriminellen aus New York City. Beim Auftrag, den Sohn eines reichen Mannes nach Hause zu holen, verschlägt es ihn nach Italien. Drehbuchautor ist Steven Zaillian, der bereits Skripte für namhafte Streifen wie "Schindlers Liste" (1993) und "The Irishman" (2019) schrieb. Tom Ripley gibt Schauspieler Andrew Scott, ebenfalls kein Unbekannter. Aufmerksamkeit ist also vorprogrammiert, das zeigt auch die Rezeption der Serie in diversen Medien.

Analog zu anderen gehypten Filmkulissen tauchen nun erste Guides zu den Drehorten von "Ripley" in Italien auf. Ausgesucht hat diese Produktdesigner David Gropman, der auch für "Casanova" (2005) an der Kulissensuche beteiligt war und sich deshalb bestens in Italien auskennt. Dabei ist unter anderem ein kleines 800-Seelen-Dörfchen an der Amalfiküste, das von "House Beautiful" als perfekter Ort für einen entspannten Besuch beschrieben wird. Touristenhorden kann das winzige Atrani nicht schlucken, als Ort an der pittoresken Küste in Süditalien könnte es aber schon einiges gewohnt sein.

Platz gibt es an der Amalfiküste (hier: Atrani) für einen "Set Jetting"-Hype kaum.

Mehr und noch mehr

Teils befinden sich die "Ripley"-Kulissen in Touristen-Hotspots, die auch ohne Set-Jetting bereits mit Übertourismus zu kämpfen haben. Darunter Venedig, das für Tagestouristinnen und -touristen ab 25. April an gewissen Tagen eine Gebühr erheben wird, um die Menschenströme zu steuern. Auch Rom, von dem im Film beispielsweise die Spanische Treppe oder das Nationaldenkmal Viktor Emanuels II. zu sehen sind, leidet nicht unbedingt unter ausbleibendem Tourismus. Man denke an Orte wie den Trevi-Brunnen, wo man zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die engen Gassen geschoben wird.

Definitiv instagramtauglich: Neapels Palazzo Sanfelice.

In Neapel wurde im Palazzo Sanfelice, einem Palast im Spätbarockstil, gedreht. Bekannt ist dieser vor allem für seine kunstvollen Treppen, Gewölbe und Türbögen, was geradezu nach gefragten Instagram-Motiven schreit. Ob Set-Jetter den Ort künftig auf ihre Liste aufnehmen werden, wird sich zeigen. Dass Kulissenjäger und -jägerinnen einen Abstecher nach Palermo machen, scheint da weit wahrscheinlicher. Immerhin wird der Norden von Sizilien gerade von Fans von "The White Lotus" mit Jennifer Coolage überrannt.

Die Villa Torricella auf Capri wird wohl kaum von Touristenmassen überflutet werden, ist aber buchbar.

Exklusiv und ruhig werden unter den Sets wohl nur die Villen und Hotels bleiben, in denen "Ripley" teilweise gedreht wurde. So zum Beispiel die Villa Torricella auf Capri, die auf Airbnb buchbar ist, im August für eine Maximalbelegung von sechs Leuten um gut 350 Euro die Nacht. Auch im nahegelegenen Luxushotel, das immer wieder den Hintergrund schmückt, ist bei elf belegten Zimmern Schluss.

Erfahrungen legen nahe, dass Set-Jetting-Locations auch wieder zur Normalität zurückkehren können, wenn die Popularität der Filme oder Serien abnimmt. Das (vermeintliche) Gleis 9 3/4, bekannt aus dem "Harry Potter"-Franchise, am Londoner King's-Cross-Bahnhof kann wieder regulär verwendet werden. In Maya Bay hält der Hype hingegen an. Mal schauen, ob Italiener und Italienerinnen auch an den Punkt kommen, wo es "Ripley, vattene!" heißt. (Nina Schrott, 11.4.2024)